Insolvenzanfechtungen bei Schneeballsystemen

Der aus der Anfechtung der Ausschüttung von Scheingewinnen im Rahmen eines Schneeballsystems resultierende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters erstreckt sich mangels Unentgeltlichkeit nicht auf Auszahlungen, mit denen – etwa nach einer Kündigung der Mitgliedschaft in der Anlegergemeinschaft – vom Anleger erbrachte Einlagen zurückgewährt worden sind1.

Insolvenzanfechtungen bei Schneeballsystemen

Der Insolvenzverwalter kann die Auszahlung von in „Schneeballsystemen“ erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Dies entsprach schon der Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung (BGHZ 113, 98, 101 ff; BGH, Urt. v. 29. November 1990 – IX ZR 55/90, WM 1991, 331, 332 f), die der Bundesgerichtshof im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung fortgeführt hat2. Soweit die Auszahlungen auf Scheingewinne und nicht auf einen Schadensersatzanspruch des Teilnehmers oder einen Bereicherungsanspruch erfolgt sind, führen sie deshalb nicht zur Entreicherung des Teilnehmers. Eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ist ausgeschlossen.

Unzutreffend ist demgegenüber die Annahme, nach der Saldotheorie sei die Einlage des Teilnehmers dem Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters entgegenzusetzen; dessen Rückzahlungsanspruch sei auf die Differenz zwischen den Auszahlungen und den Einlagezahlungen ohne Anrechnung des Agios begrenzt. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, dass eine Saldierung von Auszahlungen auf Scheingewinne mit der vom Anleger erbrachten Einlage – unabhängig von der Frage, wie die fiktiven Scheingewinne berechnet werden – nicht in Betracht kommt3.

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Eine unentgeltliche Verfügung liegt vor, wenn ein Vermögenswert des Schuldners zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Schuldner ein entsprechender Gegenwert zufließen soll. Entgeltlich ist dagegen eine Verfügung, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte4.

Erhält der Anleger, der sich an einem nach dem Schneeballsystem konzipierten betrügerischen Kapitalanlagemodell beteiligt hat, Auszahlungen, die sowohl auf Scheingewinne als auch auf die Einlage erfolgen, so sind diese nur gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit es um Auszahlungen auf Scheingewinne geht. Auszahlungen auf die Einlage – etwa nach einer Kündigung der Beteiligung – sind mangels unentgeltlicher Leistung nicht anfechtbar. Die Rückzahlung der Einlage stellt in diesen Fällen den Gegenwert für die vom Anleger erbrachte Einlage dar.

Der Bundesgerichtshof hatte in seinen bisherigen Entscheidungen5 nur über Fälle zu befinden, in denen die Auszahlungen der Schuldnerin ausschließlich auf Scheingewinne erfolgt waren. In diesen Fällen gilt der Grundsatz, dass der Anfechtungsanspruch alle Ausschüttungen erfasst, welche die Schuldnerin in der anfechtbaren Zeit auf die vermeintlichen Gewinnansprüche geleistet und damit dem (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet hat6. Nicht entschieden worden ist die Frage, was gilt, wenn die Auszahlung auf die Einlage des Anlegers erbracht worden ist. In diesem Fall kann nicht von Unentgeltlichkeit ausgegangen werden. Durch die Auszahlung verliert der Anleger seinen Anspruch auf Rückzahlung der (noch vorhandenen) Einlage; darin liegt seine Gegenleistung.

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Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 22. April 2010 – IX ZR 225/09

  1. Fortführung von BGHZ 179, 137[]
  2. BGHZ 179, 137, 140 Rn. 6; BGH, Urteile vom 13.03.2008 – IX ZR 117/07, ZIP 2008, 975 f.; vom 25.06.2009 – IX ZR 157/08[]
  3. BGH, Urteil vom 22.04.2010 – IX ZR 163/09[]
  4. BGHZ 113, 98, 101 f; BGH, Urteil vom 18.03.2010 – IX ZR 57/09, ZInsO 2010, 807 f.[]
  5. BGHZ 179, 137, 140; BGH, Urteile vom 13.03.2008, aaO; vom 25.06.2009 aaO; vom 22.04.2010 – IX ZR 160/09; und vom 22.04.2010 – IX ZR 163/09[]
  6. BGHZ 113, 98, 104 f.; 179, 137, 145[]