Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die wegen eines Antrags auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, bleiben Forderungen aus Arbeitsverhältnissen, die der Anwendung der Bestimmungen über das Verbraucherinsolvenzverfahren bei früher selbständig wirtschaftlich tätig gewesenen Schuldnern entgegenstehen.

Ob ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person als Regelinsolvenzverfahren oder als Verbraucherinsolvenzverfahren durchgeführt wird, steht nicht im Belieben des Schuldners, sondern richtet sich nach den objektiven Gegebenheiten. Die besonderen Vorschriften über das Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 305 bis § 314 InsO) kommen nur zur Anwendung, wenn die in § 304 InsO1 genannten Voraussetzungen vorliegen. Andernfalls gelten die allgemeinen Vorschriften.
Im Streitfall kam nur ein Regelinsolvenzverfahren in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 304 InsO nicht vorlagen. Zu dem Zeitpunkt, als der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde, übte der Mandant des Beklagten keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit aus. Er hatte aber eine solche in der Vergangenheit aus-geübt. In einem solchen Fall sind die Vorschriften über das Verbraucherinsolvenzverfahren gemäß § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO nur dann anwendbar, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen.
Letzteres war hier nicht der Fall. Gegen den Schuldner bestanden noch Forderungen von vier ehemaligen Arbeitnehmern auf Arbeitsentgelt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts waren diese nicht durch Anträge auf Insolvenzgeld „ablösbar“. Beantragt ein Arbeitnehmer Insolvenzgeld nach § 183 SGB III, geht mit dem Antrag der Anspruch auf Arbeitsentgelt auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 187 Satz 1 SGB III). Auch nach dem Übergang auf die Bundesagentur bleibt der Anspruch ein solcher aus einem Arbeitsverhältnis. Dieser Begriff ist weit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Senats stellen sogar Forderungen der Sozialversicherungsträger und des Finanzamts, die durch ein Arbeitsverhältnis veranlasst sind, Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO dar2. Umso mehr gilt dies für Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die nach § 187 Satz 1 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind. Die Begründung zum Regierungsentwurf nennt diesen Fall ausdrücklich als Beispiel für einen Anspruch, der noch zu den Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis zähle3. Dem folgt fast einhellig die Rechtsprechung der Instanzgerichte4 und das Schrifttum5.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Januar 2011 – IX ZR 238/08
- in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001, BGBl I 2001, 2710, die nach Art. 103a EGInsO für seit dem 1. Dezember 2001 eröffnete Insolvenzverfahren gilt[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.09.2005 – IX ZB 55/04, WM 2005, 2191, 2192[↩]
- BT-Drucks. 14/5680, S. 30 linke Spalte[↩]
- LG Halle DZWIR 2003, 86; vgl. auch LG Dresden ZVI 2004, 19[↩]
- HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl., § 304 Rn. 11; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 304 Rn. 23; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 304 Rn. 16; Graf-Schlicker/Sabel, InsO, 2. Aufl., § 304 Rn. 19; Hess/Röpke, InVo 2003, 89, 91 f; a.A. nur FK-InsO/Kohte, 6. Aufl. § 304 Rn. 46 f.[↩]