Internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts und der bedingte Eigenantrag

Der Schuldner kann einen Eröffnungsantrag nebst Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten und Restschuldbefreiung wirksam unter der prozessualen Bedingung stellen, dass das Insolvenzgericht auf einen Gläubigerantrag seine – vom Schuldner bestrittene – internationale Zuständigkeit bejahe1.

Internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts und der bedingte Eigenantrag

Die Abweisung eines Insolvenzantrags mangels Masse hat nach § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO zu unterbleiben, wenn die Kosten des Verfahrens nach § 4a InsO gestundet werden. Ist der Schuldner eine natürliche Person und hatte er einen wirksamen Antrag auf Verfahrenskostenstundung gestellt, ist dieser vor einer Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse zu prüfen2.

Die Auslegung einer Prozesshandlung hat sich an dem Grundsatz auszurichten, dass im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht3. Denn das Verfahrensrecht dient der Wahrung der Rechte der Beteiligten. Es soll eine einwandfreie Durchführung des Verfahrens unter Wahrung ihrer Rechte sicherstellen und nicht behindern4.

Die vom Insolvenzgericht vorgenommene Auslegung, dass der Eigenantrag nur für den Fall gestellt worden sei, dass der Fremdantrag zur Eröffnung führt, hätte zur Folge, dass der Eigenantrag in jedem Fall als unzulässig und unwirksam anzusehen wäre5. Das war vom Schuldner nicht gewollt.

Geboten ist die Auslegung, dass der Eigenantrag für den Fall gestellt wurde, dass das Insolvenzgericht seine internationale und örtliche Zuständigkeit bejaht. Eine solche Bedingung ist prozessual zulässig. Als Prozesshandlungen sind Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar nach den allgemeinen Grundsätzen bedingungsfeindlich. Auch für sie gilt aber die Regel, dass sie an eine bloße innerprozessuale Bedingung geknüpft und deshalb hilfsweise für den Fall zur Entscheidung gestellt werden können, dass ein bestimmtes innerprozessuales Ereignis eintritt6. Von einer solchen innerprozessualen Bedingung hat der Schuldner seinen Eröffnungsantrag abhängig gemacht, nämlich von der Bejahung der von ihm bestrittenen internationalen und örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts. Nur diese hatte der Schuldner in seinem Vorbehaltsschreiben in Zweifel gezogen. Er hat sich dagegen nicht gegen die Annahme der Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund gewandt.

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Die Zulässigkeit einer Prozesshandlung unter der innerprozessualen Bedingung, dass das Gericht seine Zuständigkeit verneint oder bejaht, ist anerkannt7. Diese Bedingung war eingetreten, weshalb das Insolvenzgericht auch über den Eröffnungsantrag des Schuldners und seinen Stundungsantrag vor einer Abweisung mangels Masse zu entscheiden hatte.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2012 – IX ZB 86/10

  1. im Anschluss an BGH, ZIP 2010, 888[]
  2. HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl. § 26 Rn. 21[]
  3. BGH, Urteil vom 10.03.1994 – IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537, 1538; vom 02.07.2004, aaO[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2004, aaO mwN[]
  5. vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 11.03.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888 Rn. 7 ff[]
  6. BGH, Beschluss vom 11.03.2010, aaO Rn. 7[]
  7. BGH, Urteil vom 08.02.1952 – V ZR 122/50, BGHZ 5, 105, 107; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 128 Rn.20, § 281 Rn. 11; HkZPO/Saenger, ZPO, 4. Aufl., § 281 Rn. 14; Musielak, ZPO, 8. Aufl., Einleitung Rn. 62[]