Bei bereits aufgegebenen Geschäftsräumen kann eine Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten nicht erfolgen. Dies betonte der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung.

Eine wirksame Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO lsetzt bei Geschäftsräumen voraus, dass eine Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar war. Dann kann ein Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück dann als zugestellt, § 180 Sätze 1 und 2 ZPO. Ein Geschäftsraum in diesem Sinne lag jedoch bei der Zustellung nicht vor, wenn der Geschäftsraum bereits aufgegeben war.
De Ersatzzustellung nach § 180 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass die Räume von dem Adressaten tatsächlich als Geschäftsraum genutzt werden1.
Ein Geschäftslokal ist vorhanden, wenn ein dafür bestimmter Raum – und sei er auch nur zeitweilig besetzt – geschäftlicher Tätigkeit dient und der Empfänger dort erreichbar ist2.
Ein solcher Geschäftsraum liegt nicht mehr vor, wenn der vormalige Inhaber die Räumlichkeiten nicht mehr für seine Geschäftszwecke nutzt und Aufgabewille und Aufgabeakt erkennbar sind. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist bislang allerdings bei Geschäftsräumen höchstrichterlich nicht geklärt.
Bei der Frage, ob eine Wohnung mit der Folge aufgegeben worden ist, dass dort eine Zustellung nicht mehr vorgenommen werden kann, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht allein auf die bloße Absicht des bisherigen Inhabers der Wohnung abzustellen, dort künftig nicht mehr wohnen zu wollen. Dieser Wille muss vielmehr, ähnlich wie bei der Aufhebung des Wohnsitzes nach § 7 Abs. 3 BGB, in seinem gesamten Verhalten zum Ausdruck kommen. Der Wille des Wohnungsinhabers zur Aufgabe der Wohnung muss also nach außen erkennbar und in seinem Verhalten Ausdruck gefunden haben. Zwar setzt die Aufgabe einer Wohnung nicht voraus, dass ihr Inhaber alle Merkmale beseitigt, die den Anschein erwecken könnten, er wohne dort auch weiterhin. Der Aufgabewille muss aber, wenn auch nicht gerade für den Absender eines zuzustellenden Schriftstückes oder die mit der Zustellung betraute Person, so doch jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein. Hierauf kann nicht verzichtet werden, weil sonst Möglichkeiten zur Manipulation eröffnet würden3.
Nach der Regelung der §§ 178 ff ZPO wird für die Ersatzzustellung vorausgesetzt, dass eine Wohnung oder ein Geschäftsraum tatsächlich vorhanden ist. In beiden Fällen kann es deshalb bei einer Aufgabe der Wohnung oder des Geschäftsraums nur darum gehen, möglichen Manipulationen vorzubeugen. Es muss der Wille, die Geschäftsräume aufzugeben, nach außen erkennbaren Ausdruck gefunden haben. Insoweit gilt nichts anderes als bei Wohnräumen. Aus §§ 178 ff ZPO ergibt sich auch bei Geschäftsräumen keine Verpflichtung des Inhabers, bei einer tatsächlichen, nach außen erkennbaren Aufgabe des Geschäftsraums zusätzliche Vorsorge dafür zu treffen, dass Sendungen nicht gleichwohl in den Briefkasten oder Briefschlitz eingeworfen werden. Ebenso wenig besteht eine Verpflichtung, ein Schild anzubringen, auf dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Geschäftsräume aufgegeben sind. Damit würde dem Empfänger das Risiko der Wirksamkeit zweifelhafter Ersatzzustellungen auferlegt. Dies sieht § 180 ZPO nicht vor. Dem Zustellungsempfänger kann eine ungenaue oder sorglose Arbeit des Zustellers ebenso wenig zugerechnet werden wie dessen Irrtum über das Vorliegen eines Geschäfts- oder Wohnraums.
In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der Beklagte unstreitig alle Kanzlei- und Na-mensschilder unmittelbar nach dem 31. Oktober 2007 entfernt und den Geschäftsraum geräumt. Mehr konnte nnach Ansicht des BGH von ihm nicht verlangt werden. Er hat damit für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass er die Geschäftsräume aufgab. Für einen Zusteller, der mit den Gegebenheiten vor Ort nicht vertraut war, gab es danach auch keinen Anhaltspunkt mehr dafür, dass die Räume die Geschäftsräume des Beklagten sein könnten. Der üblicherweise zuständige Briefträger war über die Aufgabe der Geschäftsräume ohnehin ausdrücklich unterrichtet.
An diesem Ergebnis der nicht erfolgten Ersatzzustellung ändert nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nichts, dass es dem Beklagten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles wohl möglich gewesen wäre, sich gleichwohl Kenntnis von der Post zu verschaffen, die bei seinen ehemaligen Kanzleiräumen eingeworfen wurde. Das ändert nämlich nichts daran, dass die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nicht vorlagen. Auf die Möglichkeit des Zustellungsempfängers, sich Kenntnis von dem Inhalt von Sendungen zu verschaffen, die ohne das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ersatzzustellung eingeworfen wurden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Oktober 2009 – IX ZB 248/08
- BGH, Urteile vom 19.03.1998 – VII ZR 172/97, ZIP 1998, 862, 863; vom 02.06.2008 – IV ZB 5/08, ZIP 2008, 1747, 1748; für die vergleichbare Rechtslage bei der Wohnung vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.09.2004 – XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415[↩]
- BGH, Urteil vom 19.03.1998, aaO; Beschluss vom 02.06.2008 – IV ZB 5/08, ZIP 2008, 1747, 1748 Rn. 7; für die vergleichbare Rechtslage bei der Wohnung vgl. z.B. BGH, Urteil vom 14.09.2004, aaO[↩]
- BGH, Urteile vom 27.10.1987 – VI ZR 268/86, NJW 1988, 713; vom 13.10.1993 – XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564, 565; Beschlüsse vom 19.06.1996 – XII ZB 89/96, NJW 1996, 2581; vom 14.09.2004 aaO[↩]