Keine Gläubigerzustimmung zur Begründung von Wohnungseigentum

Auch nach Einführung des Rangklassenprivilegs für Wohngeldansprüche (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG) bedarf die Begründung von Wohnungseigentum nicht der Zustimmung der Gläubiger, deren Grundpfandrechte auf dem ganzen Grundstück lasten.

Keine Gläubigerzustimmung zur Begründung von Wohnungseigentum

Der Vollzug der Teilungserklärung ist nicht von der Zustimmung der Grundpfandgläubiger abhängig.

Richtig ist, dass die Eintragung einer Rechtsänderung die Bewilligung der dinglich Berechtigten gemäß § 19 GBO erfordert, welche nach materiellem Recht der Änderung zustimmen müssen1. Unzutreffend ist aber die Annahme, bei der Begründung von Wohnungseigentum nach § 8 WEG handele es sich um die Inhaltsänderung eines Rechts, die in entsprechender Anwendung der §§ 876, 877 BGB der Zustimmung der Grundpfandgläubiger bedürfe.

Die Bestimmungen der §§ 876, 877 BGB schützen in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich den Inhaber eines Rechts an einem Grundstück (Zweigrecht), welches ein anderes an diesem Grundstück bestehendes Recht (Hauptrecht) belastet, indem sie die rechtsgeschäftliche Aufhebung und Änderung des Hauptrechts von seiner Zustimmung abhängig machen. Der Grundgedanke der Vorschrift ist einleuchtend: Ein Recht darf nicht ohne Zustimmung seines Inhabers geändert werden, wobei eine solche Änderung schon darin liegt, dass der Gegenstand, auf den sich das Recht bezieht, verändert wird2.

Ein Recht an einem Grundstück kann allerdings nur ein beschränktes dingliches Recht sein, nicht dagegen das Eigentum selbst3. Auf die – reale oder ideelle – Teilung des Eigentums finden die §§ 876, 877 BGB daher keine Anwendung. Auch bedürfen Grundpfandgläubiger in einem solchen Fall keines Schutzes durch ein Zustimmungserfordernis; denn ihr Interesse an der Erhaltung des Gegenstands, auf den sich ihr Recht bezieht, ist dadurch gewährleistet, dass das Grundpfandrecht an den neu entstandenen (realen oder ideellen) Teilen als Gesamtrecht und damit in der Summe an dem gesamten Grundstück fortbesteht (§ 1132 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 1114, § 1192 Abs. 1 BGB).

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Nach zutreffender, allerdings nicht unumstrittener Auffassung ist auch die Aufteilung eines Grundstücks nach § 8 WEG ebenso wie die Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 WEG als Teilung des Vollrechts anzusehen, auf welche die Vorschriften über die Änderungen eines belasteten Rechts weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden sind4. Der Schutz der Grundpfandgläubiger wird auch hier dadurch bewirkt, dass sich ihr Recht kraft Gesetzes in ein Gesamtgrundpfandrecht an den entstehenden Wohnungseigentumseinheiten umwandelt und damit an dem gesamten, in seiner Substanz unveränderten Haftungsobjekt fortbesteht5.

Die Gegenauffassung, die eine entsprechende Anwendung der §§ 876, 877 BGB befürwortet6, vermag nicht zu überzeugen. Für einen Gläubiger, dessen Grundpfandrecht auf dem gesamten Grundstück lastet, wirkt die Begründung von Wohnungseigentum wie eine gemischt realeideelle Aufteilung des Vollrechts in Alleineigentum an bestimmten Raumeinheiten und Bruchteilsmiteigentum an dem übrigen Grundstück7. Sie lässt die Möglichkeit der Vollstreckung in das gesamte Grundstück – in Gestalt des Zugriffs auf alle Wohnungseigentumsrechte – unberührt. Demgemäß bedürfen, solange ein Recht als Gesamtpfandrecht auf allen Einheiten lastet, auch nachfolgende Änderungen im Verhältnis von Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht der Zustimmung des Pfandgläubigers8.

Anders verhält es sich nur, wenn selbständig belastete Miteigentumsanteile nach § 3 WEG umgewandelt werden. Hier hat die Begründung von Wohnungseigentum zur Folge, dass sich das Belastungsobjekt von einem Miteigentumsanteil im Sinne von § 1008 BGB in einen Anteil am Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Raumeinheit wandelt, welcher durch das zugunsten der übrigen Miteigentümer begründete Sondereigentum beschränkt ist. Demgemäß entspricht es allgemeiner Auffassung, dass bei einer selbständigen Belastung eines Miteigentumsanteils die Begründung von Wohnungseigentum in entsprechender Anwendung der §§ 876, 877 BGB der Zustimmung des Grundpfandgläubigers bedarf9.

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Aus demselben Grund sind die genannten Vorschriften entsprechend anzuwenden, wenn der Gegenstand oder der Inhalt von selbständig belastetem Wohnungseigentum verändert wird. Hierzu zählen die Begründung von Sondernutzungsrechten10, die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum oder umgekehrt11 und die Änderung der mit dem Sondereigentum verbundenen Miteigentumsanteile12.

Daran, dass die Begründung von Wohnungseigentum nicht der Zustimmung der Grundpfandgläubiger bedarf, deren Rechte auf dem gesamten Grundstück lasten, hat sich durch die Einführung des Rangklassenprivilegs für rückständiges Wohngeld in § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.03.200713 nichts geändert14. Zwar führt dieses Privileg zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung der Grundpfandgläubiger, weil sie nach der Aufteilung des Grundstücks im Fall der Zwangsvollstreckung mit vorrangigen Ansprüchen aus der Rangklasse des § 10 Abs.1 Nr. 2 ZVG rechnen müssen. Einer entsprechenden Anwendung der §§ 876, 877 BGB steht aber das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegen15. Das Vorrecht für Wohngeldansprüche betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers auch Grundpfandrechte, die vor der Gesetzesänderung begründet worden sind16. Es wirkt somit – da es vor der Gesetzesänderung einhelliger Auffassung entsprach, dass ein Grundstückseigentümer zur Teilung seines Grundstücks gemäß § 8 WEG nach materiellem Recht nicht der Zustimmung der Grundpfandgläubiger bedurfte17 – auch zu Lasten von Gläubigern, die der Umwandlung des ursprünglich ungeteilten Haftungsobjekts in Wohnungseigentum nicht zugestimmt haben. Das lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber das Recht des Eigentümers, sein Grundstück ohne Zustimmung der dinglichen Gläubiger in Wohnungseigentum aufzuteilen18, nicht beschränken wollte. Andernfalls stünden die Grundpfandgläubiger eines erst nach Inkrafttreten des Rangklassenprivilegs geteilten Grundstücks besser als die von einer früheren Aufteilung betroffenen, ohne dass sich hierfür ein sachlicher Grund fände19.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2012 – V ZB 95/11

  1. BGH, Beschluss vom 14.06.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343, 347[]
  2. BGH, Urteil vom 09.06.1969 – III ZR 231/65, MDR 1969, 916[]
  3. BGH, Beschluss vom 14.06.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343, 346[]
  4. BayObLGZ 1958, 273, 278 f.; OLG Stuttgart NJW 1954, 682, 683; OLG München, NJW 2011, 3588; Staudinger/Rapp, BGB [2005], § 8 Rn. 3; Briesemeister in Weitnauer, WEG, 9. Aufl., § 3 Rn. 74; Elzer in Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 8 Rn. 23; Krause in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 8 Rn. 1; Bärmann/Pick, WEG, 19. Aufl., § 8 Rn. 10; Timme/Kral, WEG, § 8 Rn. 23; Heinemann, ZfIR 2011, 255, 256[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 28.05.1976 – V ZR 203/75, NJW 1976, 2340, 2341; BGH, Urteil vom 30.01.1992 – IX ZR 64/91, NJW 1992, 1390; für die Unterteilung von Wohnungseigentum: BGH, Beschluss vom 17.01.1968 – V ZB 9/67, BGHZ 49, 250[]
  6. so insbesondere Staudinger/Gursky, BGB [2007], § 877 Rn. 43; RGRK-BGB/Augustin, 12. Aufl., § 3 WEG Rn. 9; Becker/Schneider, ZfIR 2011, 545, 548; Kesseler, NJW 2010, 2317; ders., ZNotO 2010, 335; vgl. auch BayObLG 1957, 102, 115[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 17.01.1968, V ZB 9/67, BGHZ 49, 250, 251 u. 253; siehe auch Weitnauer, DNotZ 1960, 115, 123[]
  8. vgl. BayObLGZ 1991, 313, 317; BayObLGZ 1993, 166, 168 f.[]
  9. vgl. BayOblGZ 1958, 273, 279; MünchKomm-BGB/Commichau, 5. Aufl., § 3 WEG Rn. 9; Armbrüster in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 2 Rn. 26[]
  10. vgl. BGH, Beschluss vom 14.06.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343; sowie Beschluss vom 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145[]
  11. vgl. BayObLGZ 1991, 313[]
  12. vgl. BayObLGZ 1993, 166, 168[]
  13. BGBl I S. 370[]
  14. im Ergebnis ebenso: KG, ZfIR 2011, 254; OLG Oldenburg, Rpfleger 2011, 318; OLG München, NJW 2011, 3588; Schneider, ZNotP 2010, 299; Heinemann, ZfIR 2011, 255, 256; aA Kesseler in Timme, WEG, § 3 Rn. 30; ders., NJW 2010, 2317; wohl auch Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl., § 8 WEG Rn. 1[]
  15. zu deren Notwendigkeit: BGH, Beschluss vom 14.06.2007 – V ZB 102/06, NJW 2007, 3124 Rn. 11 m.w.N.[]
  16. vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 44[]
  17. vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2007], § 877 Rn. 62; Armbrüster in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 2 Rn. 23 jeweils mwN[]
  18. vgl. BayObLGZ 1958, 273, 278 f.[]
  19. so zutreffend OLG München, NJW 2011, 3588, 3589[]
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