Kosten bei verspäteter Erledigungserklärung

In Verfahren wegen sog. Startgutschriften der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes (VBL) kann die klagende Partei im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91 a ZPO mit den durch eine Terminierung anfallenden Kosten des Verfahrens belastet werden, wenn die auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH1 abgegebene Unverbindlichkeitserklärung der Zusatzversorgungskasse, die das Feststellungsinteresse der Klage entfallen lässt, erst im Verhandlungstermin zu einer Erledigungserklärung der klagenden Partei führt, obwohl dies ohne Weiteres auch schriftsätzlich zu einem früheren Zeitpunkt hätte geschehen können.

Kosten bei verspäteter Erledigungserklärung

Im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist anerkannt, dass grundsätzlich der ohne die Erledigung (hier: materiellrechtliche Erklärung im Schriftsatz vom 25.03.2011) zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag gibt2.

Hätte die Beklagte indes diese materiellrechtliche Erklärung, die das Feststellungsinteresse entfallen lässt3, nicht abgegeben, wäre sie im Urteil unterlegen, da die Klage zulässig und begründet war4.

Das Verhalten der Beklagten kommt einem sofortigen Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO, dessen Rechtsgedanken im Rahmen des § 91a ZPO grundsätzlich berücksichtigt werden kann, nicht gleich5.

Denn die Beklagte hat vor Prozessbeginn Veranlassung zur Klage gegeben. Mit EMail vom 01.02.2011 zeigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten die Interessenvertretung des Klägers an und forderte die Beklagte auf, innerhalb einer bestimmten Frist die dem Kläger erteilte Startgutschrift und die hierauf gestützten weiteren Bescheide als nicht rechtsverbindlich zu erklären.

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Post II

In dem AntwortSchreiben vom 03.02.2011 verwies die Beklagte darauf, dass eine Einigung der Tarifvertragsparteien bisher noch nicht erfolgt sei und die Beklagte daher noch keine Verbescheidungsmöglichkeit habe. Ein materiellrechtliches Anerkenntnis lag in dieser Erklärung ersichtlich noch nicht.

Demnach sind die Grundsätze des § 93 ZPO nicht im Rahmen der Abwägung nach § 91 a ZPO zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen.

Im Rahmen der gemäß § 91a ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung ist jedoch ferner zu berücksichtigen, dass der Kläger die Erledigung des Rechtsstreits verspätet erklärte. Bei der Billigkeitskorrektur ist auch der frühestmögliche Zeitpunkt der Erledigungserklärung zu beachten; so ist die Entstehung zusätzlicher Kosten bei verspäteter Abgabe der Erklärung zu berücksichtigen6. Die Verzögerung der Erledigungserklärung durch den Kläger führt in Realisierung des Prinzips der Kostentragung nach Veranlassung dazu, dass der Kläger mit etwaigen hierdurch erwachsenen weiteren Kosten belastet wird7. Dies entspricht dem Grundsatz des § 91 Abs. 1 ZPO, dass dem Gegner nur die Kosten zu erstatten sind, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren8. Als Ausfluss des auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei allgemein anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt9.

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Gemessen an diesen Maßstäben war die erst im Termin vom 10.06.2011 erklärte Erledigung des Rechtsstreits verspätet. Der Kläger hätte die Erledigungserklärung bereits schriftsätzlich abgeben können, nachdem er wusste, dass die Klage ohne eine Erledigungserklärung abzuweisen gewesen wäre.

Mit der Durchführung des Termins vom 10.06.2011 entstanden nicht notwendige vermeidbare Kosten, insbesondere die Terminsgebühr gemäß §§ 2 Abs. 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3104 Nr. 1 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Diese wäre nicht angefallen, wenn der Kläger den Rechtsstreit nach Erhalt des Schriftsatzes vom 25.03.2011 und vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.06.2011 für erledigt erklärt hätte, was ihm zuzumuten war. Diese Obliegenheitsverletzung fällt ihm kostenmäßig zur Last. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erschien es billig und angemessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Landgericht Karlsruhe, Beschluss vom 10. Juni 2011 – 6 O 73/11

  1. BGHZ 174, 127[]
  2. Zöller; ZPO, 27. Auflage, § 91a; Rd.Nr. 24; LG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2009 – 6 O 46/08[]
  3. vgl. zuletzt etwa die Urteile des LG Karlsruhe vom 06.03.2009 – 6 O 330/03 und 6 O 235/08[]
  4. siehe BGH, Urteil vom 14.11.2007 – IV ZR 74/06[]
  5. vgl. LG Karlsruhe, Beschluss vom 30.12.2009 – 6 O 139/09[]
  6. vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 31.05.2006, 3 W 36/06[]
  7. vgl. OLG Rostock, a.a.O. und Hinweis auf Lindacher in Münch/Komm, ZPO, 2. Aufl., Rn. 60 zu § 91 a; OLG Köln MDR 1979, 407; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1567[]
  8. vgl. OLG Rostock, a.a.O.[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 31.08.2010, X ZB 3/09[]
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