Kostengrundentscheidung nach Insolvenzeröffnung

Wird in einem Rechtsstreit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Kostengrundentscheidung getroffen, ist darin über die Einordnung der Verfahrenskosten als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung zu entscheiden1.

Kostengrundentscheidung nach Insolvenzeröffnung

Dies gilt auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren, in dem die Kostenregelungen der ZPO nach § 46 Abs. 2 ArbGG anwendbar sind.

Werden dem Insolvenzverwalter als Partei die Kosten des Verfahrens – ganz oder teilweise – auferlegt, ist dies grundsätzlich so zu verstehen, dass diese Kostenforderungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten sind2. Hierfür ist maßgeblich, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem aufgenommenen Rechtsstreit Partei kraft Amtes ist. Er hat deshalb – soweit nichts anderes ausgesprochen ist – die von ihm als Partei zu tragenden Verfahrenskosten als Masseforderungen zu tragen3.

Wegen des Eintritts dieser Bindungswirkung ist bei der Kostengrundentscheidung sorgfältig zu prüfen, ob die Verfahrenskosten Masse- oder Insolvenzforderungen sind4. Dem ist bei der Tenorierung Rechnung zu tragen5.

Die Beantwortung der Frage, ob die zu erstattenden Verfahrenskosten Insolvenz- oder Masseforderungen sind, kann nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO) verlagert werden. Die Organe dieses Verfahrens sind vielmehr grundsätzlich an die Kostengrundentscheidung gebunden. Werden einer Partei die gesamten Prozesskosten unterschiedslos auferlegt, ist eine Differenzierung in der nachfolgenden Verfahrensstufe grundsätzlich nicht mehr zulässig6. Das vereinfachte Kostenfestsetzungsverfahren dient nicht dazu, materiell-rechtliche Fragen außerhalb des Kostenrechts zu klären. Enthält die Kostengrundentscheidung keine Differenzierung hinsichtlich der vor und nach Insolvenzeröffnung bzw. Aufnahme des Prozesses entstandenen Kosten, ist diese Entscheidung für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend. Insolvenzrechtliche Fragen sind im Kostenfestsetzungsverfahren nur dann zu klären, wenn sie nicht von der Kostengrundentscheidung abhängen, wie etwa die Auswirkungen einer Masseunzulänglichkeit7.

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Der Zurückweisungsbeschluss des Bundesarbeitsgerichts

Im vorliegenden Fall hat das Landesarbeitsgericht dem Insolvenzverwalter als Berufungskläger die durch das Rechtsmittel der Berufung entstandenen Kosten auferlegt. Da diese Kostenentscheidung nur die im zweiten Rechtszug entstandenen Kosten betrifft, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob der Insolvenzverwalter auch die vor der Unterbrechung entstandenen Kosten der unteren Instanz als Masseverbindlichkeit zu tragen hat8 oder eine Differenzierung nach den vor und nach Insolvenzeröffnung entstanden Kosten zu erfolgen hat9. Jedenfalls innerhalb einer Instanz kommt eine Differenzierung mit Blick auf die durch Verfahrensgebühren geprägten Gebührenordnungen nicht in Betracht10.

Im hier entschiedenen Fall waren die Kosten darüber hinaus gegenüber der Arbeitgeberin – und nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter – estzusetzen, nachdem das Amt des Insolvenzverwalters durch die nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans erfolgte Aufhebung des Insolvenzverfahrens erloschen ist (§ 259 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Arbeitgeberin hat hierdurch das Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse zurückerhalten (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO) und deshalb aufgrund der Kostengrundentscheidung des Landesarbeitsgerichts für die Prozesskosten zu haften.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11. März 2015 – 10 AZB 101/14

  1. BAG 19.09.2007 – 3 AZB 35/05, Rn. 18; BGH 28.09.2006 – IX ZB 312/04, Rn. 11; HK-InsO/Kayser 7. Aufl. § 85 Rn. 59[]
  2. BAG 19.09.2007 – 3 AZB 35/05, Rn. 21[]
  3. vgl. BAG 19.09.2007 – 3 AZB 35/05, Rn. 18; BGH 28.10.2004 – III ZR 297/03, zu II 2 der Gründe; HK-InsO/Lohmann § 55 Rn. 5[]
  4. HK-InsO/Lohmann § 55 Rn. 5; aA MünchKomm-InsO/Schumacher 3. Aufl. § 85 Rn.20, wonach auch eine Kostengrundentscheidung, die dem Verwalter die Kosten insgesamt auferlegt, differenzierend ausgelegt werden kann[]
  5. dazu BAG 19.09.2007 – 3 AZB 35/05; HambKomm/Kuleisa 5. Aufl. § 85 InsO Rn. 17[]
  6. BGH 28.09.2006 – IX ZB 312/04, Rn. 11; MünchKomm-InsO/Hefermehl § 55 Rn. 45; HK-InsO/Kayser § 85 Rn. 59[]
  7. dazu BGH 17.03.2005 – IX ZB 247/03; 9.10.2008 – IX ZB 129/07, Rn. 6[]
  8. so etwa HK-InsO/Kayser § 85 Rn. 59; Karsten Schmidt/Sternal 18. Aufl. § 85 InsO Rn. 45; Jaeger/Windel InsO § 85 Rn. 139[]
  9. so etwa HambKomm/Kuleisa § 85 Rn. 14; MünchKomm-InsO/Schumacher § 85 Rn.20; Uhlenbruck/Uhlenbruck 13. Aufl. § 85 InsO Rn. 88[]
  10. BGH 28.09.2006 – IX ZB 312/04, Rn. 14; HK-InsO/Lohmann § 55 Rn. 5[]
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