Kreditaufnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft

Es liegt in der Kompetenz der Wohnungseigentümer, die Aufnahme eines Kredites zur Deckung des Finanzbedarfs der Wohnungseigentümergemeinschaft zu beschließen. Dagegen fehlt es jedenfalls seit der vom Gesetzgeber nachvollzogenen Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 6 Satz 1 WEG) an der Kompetenz, den Wohnungseigentümern eine gesamtschuldnerische Haftung durch Mehrheitsbeschluss aufzubürden.

Kreditaufnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Befugnis der Wohnungseigentümer, den Finanzbedarf der Wohnungseigentümergemeinschaft auch durch die Aufnahme von Darlehen zu decken, ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wohnungseigentumsgesetz, wird von diesem jedoch vorausgesetzt. Über die Deckung des Finanzbedarfs des nunmehr rechtsfähigen Verbandes (§ 10 Abs. 6 Satz 1 WEG) durch Beschluss zu befinden, ist Sache der Wohnungseigentümer. Dass hierzu auch die Entscheidung darüber gehört, ob der Bedarf durch einen Rückgriff auf vorhandene Rücklagen, durch die Erhebung von Sonderumlagen oder durch die Aufnahme von Darlehen gedeckt werden soll, hat der Bundesgerichtshof bereits für die Rechtslage vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft entschieden1. Für die Rechtslage nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes gilt nichts anderes2. Zunächst bietet das Gesetz mit der Regelung des § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG – danach ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, Tilgungsbeträge anzufordern, in Empfang zu nehmen und abzuführen, soweit es sich um gemeinschaftliche Angelegenheiten der Wohnungseigentümer handelt – zumindest einen Anhalt dafür, dass eine Beschlusskompetenz für die Deckung des Finanzbedarfs auch durch eine Kreditaufnahme besteht3. Vor allem aber bestand ein Kernanliegen der Reform gerade darin, die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums durch Stärkung der Beschlusskompetenz zu erleichtern4.

Weiterlesen:
Türen, Fenster und die Wohnungseigentümergemeinschaft

Im Detail heftig umstritten ist allerdings die hiervon zu trennende Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Aufnahme eines Kredites, bei dem es nicht nur um die Deckung eines kurzfristigen Finanzbedarfes in überschaubarer Höhe geht, den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht5. Nur kommt es darauf vorliegend nicht an, weil ein Beschluss zur Aufnahme eines nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Kredits nach der Systematik des Wohnungseigentumsgesetzes nur auf fristgerecht erhobene Anfechtungsklage hin (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) zu beanstanden ist6. Daran fehlt es hier. Der Finanzierungsbeschluss ist in Bestandskraft erwachsen.

Auch der Verweis auf Grundrechte des einzelnen Wohnungseigentümers Klägers führt weder zu einer Einschränkung der Beschlusskompetenz im Wege der verfassungskonformen Auslegung noch wird dadurch die Wirksamkeit des Beschlusses unter dem Blickwinkel der Regelungen nach §§ 134, 138 BGB in Frage gestellt.

Allerdings ist es richtig, dass bei der Auslegung und Anwendung des sog. einfachen Rechts der Ausstrahlwirkung der Grundrechte der Wohnungseigentümer – insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 14 GG – Rechnung zu tragen ist. Das daraus auch in vermögensrechtlicher Hinsicht fließende Selbstbestimmungsrecht jedes Wohnungseigentümers ändert jedoch nichts daran, dass es mit Rücksicht auf die besonders engen nachbarschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft in erhöhtem Maße einer gemeinschaftsverträglichen Ausbalancierung der widerstreitenden Belange durch Herstellung praktischer Konkordanz bedarf7. Es steht jedoch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ob er der Wirkkraft der Grundrechte über die zivilrechtlichen Generalklauseln oder über andere Regelungen Geltung verschafft.

Weiterlesen:
Klage auf Nutzungsunterlassung im Teileigentum - und die Beschwer

Den zuletzt genannten Weg hat der Gesetzgeber hier in verfassungskonformer Weise beschritten. Er hat den Wohnungseigentümern die Kompetenz zugewiesen, die Aufnahme von Krediten durch die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband zu beschließen, und die Frage der Rechtmäßigkeit von Finanzierungen dem Kriterium der ordnungsgemäßen Verwaltung mit der Folge einer Überprüfungsmöglichkeit im Rahmen einer Anfechtungsklage zugewiesen. Bei der Frage, ob eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist zu berücksichtigen, dass die Wohnungseigentümer aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts in der Regel – und so auch hier – einen Ermessensspielraum haben, bei dessen Ausgestaltung alle relevanten Umstände abzuwägen sind8. Hierzu gehören insbesondere auch grundrechtsrelevante Positionen und Interessen.

Das Argument, es fehle jedenfalls an der Kompetenz, die Übernahme einer gesamtschuldnerischen Haftung durch die Wohnungseigentümer mehrheitlich zu beschließen, ist im rechtlichen Ausgangspunkt zwar richtig. Spätestens seit der vom Gesetzgeber nachvollzogenen Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband (§ 10 Abs. 6 Satz 1 WEG), die ganz entscheidend mit der Ausschaltung einer gesamtschuldnerischen Haftung begründet worden ist9, fehlt es an einer dahingehenden Kompetenz10. Eine gesamtschuldnerische Haftung kommt nur noch in Betracht, wenn sich die einzelnen Wohnungseigentümer selbst neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichten11. Dass der Gesetzgeber diese Sichtweise übernommen hat, wird dadurch bestätigt, dass er mit der Regelung des § 10 Abs. 8 WEG ausdrücklich und mit Bedacht nur eine anteilsmäßige (teilschuldnerische) persönliche Außenhaftung der Wohnungseigentümer angeordnet hat12.

Weiterlesen:
Wohnungseigentum oder Teileigentum?

Der Kläger übersieht indessen, dass seine Argumentation zur gesamtschuldnerischen Haftung in dem Beschluss vom 29.04.2009 zu TOP 2 keine Grundlage findet. Maßgebend für die Auslegung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer sind Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegend ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind13. Der Beschluss enthält jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer begründet werden sollte. Er ist daher nächstliegend dahin auszulegen, dass vollen Umfangs lediglich der rechtsfähige Verband und die einzelnen Wohnungseigentümer nur entsprechend ihren Anteilen für die Darlehensverbindlichkeiten einstehen sollen (§ 10 Abs. 8 WEG).

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. September 2012 – V ZR 251/11

  1. BGH, Beschluss vom 21.04.1988 – V ZB 10/87, BGHZ 104, 197, 202[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2011 – V ZR 197/10, NJW-RR 2011, 1093 Rn.19; LG Bielefeld, NJW-RR 2012, 143; Abramenko, ZMR 2011, 897; Elzer, NZM 2009, 57, 59 u. 61; wohl auch BayObLG, NJW-RR 2006, 20, 23; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 27 Rn. 215; unklar Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Auflage, § 10 Rn. 93a[]
  3. Elzer, aaO, S. 59 aaO; vgl. auch LG Bielefeld, NJW-RR 2012, 143 unter Bezugnahme auf § 27 Abs. 2 Nr. 1 WEG a.F.[]
  4. BT-Drucks 16/887, S. 1, 10 f.[]
  5. vgl. dazu und zum Streitstand BayObLG, NJW-RR 2006, 20, 23; LG Bielefeld, NJW-RR 2012, 143 ff.; Merle in Bärmann, aaO, § 27 Rn. 215; Abramenko, aaO, S. 897 f.; Elzer, aaO, S. 57, 61 f.; jeweils mwN[]
  6. vgl. nur Elzer, NZM 2009, 57, 61[]
  7. zumindest im Ergebnis ebenso Hogenschurz in Jennißen, aaO, § 13 Rn. 2 u. § 14 Rn. 1; Timme/Dötsch, aaO, § 14 Rn. 1 f.; § 14 Rn. 7 ff. u. 31 f.; vgl. auch BVerfG, NJW 2010, 220 f. u. Abramenko, ZMR 2011, 897 f., der für eine starke Gewichtung der Interessen finanzschwacher Wohnungseigentümer eintritt[]
  8. Timme/Elzer, WEG, § 21 Rn. 164 f.; Merle in Bärmann, aaO, § 21 Rn. 28; jeweils mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25.09.2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 192, 203[]
  9. BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 163 u. 172 ff.[]
  10. Heinemann in Jennißen, aaO, § 21 Rn. 106 mwN; der Sache nach ebenso Jennißen in Jennißen, aaO, § 10 Rn. 93a; vgl. auch Klein in Bärmann, aaO, § 10 Rn. 304 i.V.m. Rn. 74: „zwingendes Recht“[]
  11. BGH, aaO, 172 f.; Klein in Bärmann, aaO, § 10 Rn. 304; Elzer, NZM 2009, 57, 59 mit Fn. 30[]
  12. vgl. BT-Drucks. 16/887, insbesondere S. 65 f.[]
  13. grundlegend BGH, Beschluss vom 10.09.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 291 f.; vgl. auch Urteil vom 18.06.2010 – V ZR 193/09, NJW 2010, 2801 Rn. 1[]
Weiterlesen:
Der Schatz im Kachelofen

Bildnachweis: