Sind die Dienstverträge der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands einer Gewerkschaft nicht an den Fortbestand des Wahlamtes gebunden, enden diese auch nicht mit einer Amtsenthebung. Die Einbringung des Kreditantrags in eine Vorstandssitzung ist kein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung.

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dem hier vorliegenden Fall die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) zur Zahlung von knapp 170.000,00 € an einen ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden verurteilt. Denn nach einer wirksamen Amtsenthebung ist der daneben bestehende Dienstvertrag nicht wirksam gekündigt worden. Geklagt hatte der ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende der beklagten GDL. Er begehrt u.a. Vergütung für die Jahre 2013-2017. Der Kläger war seit 2008 bei der Beklagten tätig und im Mai 2012 zum weiteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Beklagten gewählt worden. Zugleich beschloss der Hauptvorstand der Beklagten den Abschluss von Dienstverhältnissen vom 01.06.2012 bis 31.12.2017 für den geschäftsführenden Vorstand. Vergleichbar etwa einem Geschäftsführer einer GmbH bestand für den Kläger damit zum einen eine Amtsbeziehung zur Beklagten und zum anderen ein Dienstvertrag.
Innerhalb des geschäftsführenden Vorstands kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesvorsitzenden und dem Kläger sowie dem weiteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Hintergrund war u.a. ein Antrag des weiteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf Darlehensgewährung, den der Kläger – anders als der Bundesvorsitzende – unterstützte. In der außerordentlichen Hauptvorstandsitzung im April 2013 wurden der Kläger sowie das weitere stellvertretende Vorstandsmitglied ihres Amtes enthoben. Über das Dienstverhältnis erfolgte keine Beschlussfassung. Nachfolgend wurde dem Kläger durch den Bundesvorsitzenden mitgeteilt, dass sein Dienstverhältnis infolge der Amtsenthebung ende. Vorsorglich wurde das Dienstverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Damit war der Kläger nicht einverstanden und begehrt mit der Klage u.a. seine Bruttovergütung für die Zeit Juli 2013 bis Dezember 2017 abzüglich erhaltener Sozialleistungen und anderweitig erzielten Verdienstes. Nachdem das Landgericht Frankfurt a.M.1 die Klage abgewiesen hatte, verfolgte der Kläger mit der Berufung sein Ziel weiter verfolgt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. seien die Dienstverträge der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands der Beklagten nicht an den Fortbestand des Wahlamtes gebunden gewesen. Es liege keine „Zweckbefristung“ vor. Daher endete der Dienstvertrag nicht mit der Amtsenthebung im April 2013. Dem Kläger stünden die geltend gemachten Vergütungsansprüche aufgrund des geschlossenen Dienstvertrages zu.
Außerdem habe die ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Dienstverhältnis ebenfalls nicht beendet. Die Erklärung sei unwirksam, weil sie nicht von dem hierfür nach der Satzung der Gewerkschaft zuständigen Hauptvorstand ausgesprochen worden sei. Es liege zudem kein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vor. Auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten stelle der Umstand, dass der Kläger den Antrag des stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf Darlehensgewährung in die Sitzung des geschäftsführenden Vorstands eingebracht und unterstützt habe, keinen wichtigen Grund dar. Nach Meinung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. sei die Vorlage des Darlehensantrages entgegen der Ansicht der Beklagten insbesondere nicht auf eine strafrechtliche Untreue oder Beihilfe zum Betrug gerichtet gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Abschluss eines Darlehensvertrages zu einem Vermögensnachteil oder einer -gefährdung der Beklagten geführt hätte. Der Antrag habe vielmehr eine drohende Insolvenz des stellvertretenden Bundesvorsitzenden gerade abwenden sollen.
Darüber hinaus sei das Verhalten des Klägers auch nicht unter Compliance-Aspekten geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere habe es nicht auf die Gewährung einer Sondervergünstigung eines Mitglieds der Leitungsebene abgezielt.
Weiter führt das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. aus, dass die Einbringung des Kreditantrags für die Beklagte unter gewerkschaftspolitischen Aspekten zwar problematisch habe erscheinen können, bilde aber unter Abwägung der Interessen beider Parteien keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung.
Für eine ordentliche Kündigung sei im Hinblick auf die Fünfjahresbefristung kein Raum.
Aus diesen Gründen ist die Beklagte zur Zahlung von knapp 170.000 € verurteilt worden.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 2. September 2020 – 4 U 46/19
- LG Frankfurt a.M., Urteil vom 14.02.2019 – 2-17 O 235/15[↩]
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