Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Mittellosigkeit eines Beteiligten einen Wiedereinsetzungsgrund i.S.v. § 233 ZPO dar, wenn sie die Ursache für die Fristversäumung ist. Das ist dann der Fall, wenn sich der Beteiligte infolge der Mittellosigkeit außerstande sieht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung seines Rechtsmittels zu beauftragen.

Allerdings ist der Beteiligte nur so lange als schuldlos an der Fristwahrung gehindert anzusehen, wie er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit einer die Verfahrenskostenhilfe ablehnenden Entscheidung rechnen muss, weil er sich für bedürftig halten darf und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hat, damit ohne Verzögerung über sein Verfahrenskostenhilfegesuch entschieden werden kann1.
Das setzt voraus, dass dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens innerhalb der Rechtsmittelfrist eine ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst insoweit notwendigen Belegen beigefügt wird. Denn für den Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17.10.19942 eingeführten Vordrucks bedienen muss. Der Antragsgegner kann deswegen grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe dargelegt zu haben, wenn er rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck nebst den erforderlichen Anlagen zu den Akten reicht3.
Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit nicht überspannt werden, weil dadurch der Zweck der Verfahrenskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang wie einem Bemittelten zu den Gerichten zu ermöglichen, verfehlt würde. Deshalb dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Beteiligte veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, auch beim Zugang zu einer Rechtsmittelinstanz nicht überzogen werden. So kann der Beteiligte, auch wenn der Vordruck gemäß § 117 ZPO einzelne Lücken enthält, unter Umständen gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe dargetan zu haben. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, etwaige Lücken geschlossen oder Zweifel beseitigt werden können4. Gleiches gilt, wenn zwar einzelne Fragen zu den Einnahmen nicht beantwortet sind, sich aber aufgrund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt, dass solche Einnahmen nicht vorhanden sind5 oder wenn dem Rechtmittelführer bereits in der Vorinstanz aufgrund eines ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllten Vordrucks Verfahrenskostenhilfe gewährt worden war und eine nunmehr im Vordruck vorhandene Lücke im Zusammenhang mit dem Beteiligtenvortrag nicht den Schluss nahe legt, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beteiligten hätten sich zwischenzeitlich in einer für die Gewährung von Verfahrens- kostenhilfe erheblichen Weise geändert6.
So liegt der Fall im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit: In der Vorinstanz war dem Ehemann, der seinerzeit noch ein Einkommen aus selbständiger Arbeit bezog, Verfahrenskostenhilfe aufgrund einer vollständig und ordnungsgemäß ausgefüllten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gewährt worden. Insbesondere hatte der Ehemann unter Abschnitt „B“ die Angabe gemacht, dass keine Rechtsschutzversicherung oder andere Stelle/Person die Kosten trägt. Die nunmehr im Vordruck hierzu vorhandene Lücke legt nicht den Schluss nahe, die Verhältnisse der Beteiligten hätten sich in dem Punkt zwischenzeitlich geändert, zumal eine in der Zwischenzeit gegebenenfalls abgeschlossene Rechtsschutzversicherung keinen Deckungsschutz für einen bereits eingetretenen Versicherungsfall gewähren würde (vgl. § 4 Abs. 1 ARB).
Ebenso enthielt die in der Vorinstanz eingereichte Erklärung unter Abschnitt C die Angabe, keine Unterhaltsleistungen zu empfangen. Auch in dem Punkt legt die im jetzigen Vordruck vorhandene Lücke nicht den Schluss nahe, die Verhältnisse des Beteiligten hätten sich insoweit zwischenzeitlich in einer für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe erheblichen Weise geändert.
Die lückenhaften Angaben unter Abschnitt E (Bruttoeinnahmen) schließlich können dem Ehemann schon deshalb nicht als Verschulden vorgehalten werden, weil der auf § 2 Abs. 2 PKH-VV beruhende, bis zum 21.01.2014 in Kraft gewesene amtliche Vordruck einen Hinweis enthielt, wonach ein Beteiligter, der laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht, die Abschnitte E bis J des Vordrucks zunächst nicht ausfüllen muss. Auf diesen Hinweis, den der am 22.01.2014 in Kraft getretene Vordruck in Bezug auf Leistungen nach dem SGB II allerdings gezielt nicht mehr enthält7, durfte sich der Ehemann unabhängig davon verlassen, ob er die tatsächlich bestehende Rechtslage zutreffend wiedergab8.
Unerheblich ist in dem Zusammenhang, dass der Ehemann nur das Deckblatt des Bescheides über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ohne die nachfolgenden Seiten, insbesondere ohne Berechnungsbogen beigefügt hat. Denn dieser wäre nur dann erforderlich, das persönliche Unvermögen des Ehemanns i.S.d. § 114 ff. ZPO zu belegen, wenn er Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft wäre und sich erst aus dem Berechnungsbogen ergäbe, ob auch er persönlich die Voraussetzungen für den Bezug der Sozialleistung erfüllt. Hier ist der Ehemann jedoch nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, sondern bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für sich allein.
Bei der Entbehrlichkeit von Angaben unter den Abschnitten E bis J des Vordrucks unterscheiden § 2 Abs. 2 PKH-VV und der Vordruck nicht zwischen solchen Angaben, die den Antragsteller selbst betreffen, und solchen, die seinen Ehegatten betreffen. Angaben zu den Einkünften des (getrennt lebenden) Ehegatten hätte der Antragsteller daher erst dann machen müssen, wenn das Gericht dies gesondert angeordnet hätte (vgl. § 2 Abs. 3 PKH-VV).
Aufgrund der eingereichten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durfte der Ehemann deshalb davon ausgehen, dass er aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, damit ohne Verzögerung über sein Verfahrenskostenhilfegesuch entschieden werden konnte.
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt gemäß § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Das ist in Fällen der Verfahrenskostenarmut spätestens der Zeitpunkt der Zustellung des Verfahrenskostenhilfebeschlusses.
Kann der Antragsteller jedoch schon früher nicht mehr mit einer Bewilligung der beantragten Verfahrenskostenhilfe rechnen, beginnt die Wiedereinsetzungsfrist bereits in diesem Zeitpunkt. Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist beginnt daher, sobald dem Beteiligten ein gerichtlicher Hinweis zugeht, dass die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht vorliegen. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt muss der Antragsteller mit der Ablehnung des Verfahrenskostenhilfegesuchs rechnen; er darf deswegen mit seinem Wiedereinsetzungsgesuch und der Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung nicht über die 14tägige Frist (§§ 234 Abs. 1 Satz 1, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) hinaus zuwarten, bis das Gericht über sein Gesuch entscheidet9.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Mai 2014 – XII ZB 689/13
- BGH, Beschluss vom 07.11.2012 – XII ZB 325/12, FamRZ 2013, 371 Rn. 16 f. mwN[↩]
- BGBl. I 3001, abgedruckt bei Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 117 Rn. 15[↩]
- BGH, Beschluss vom 19.11.2008 – XII ZB 102/2009, mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.02.2008 XII ZB 83/07 FamRZ 2008, 868 Rn. 11 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.02.2008 – XII ZB 151/07, FamRZ 2008, 871, Rn. 11 mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 03.07.2013 -II ZB 106/10, FamRZ 2013, 1650 Rn. 13; und vom 23.02.2000 – XII ZB 221/99, NJW-RR 2000, 1387[↩]
- vgl. BR-Drs. 780/13, S. 17[↩]
- vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 11.11.2011 – L 7 AS 665/10 B[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 19.11.2008 – XII ZB 102/, 2009, 217 Rn. 11; und vom 31.01.2007 – XII ZB 207/06, FamRZ 2007, 801 Rn. 5[↩]