Die fehlende Behandlung eines (abgewiesenen) Leistungsantrags in den Entscheidungsgründen führt nicht nur dazu, dass die Berufungsentscheidung insoweit nicht mit den erforderlichen Gründen versehen ist (§ 522 Abs. 2 Satz 3, § 547 Nr. 6 ZPO). Aus dem Begründungsmangel ergibt sich zudem, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.

Der Berufungsentscheidung kann nicht entnommen werden, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers, in dem er sich mit der Begründung des Landgerichts für die Abweisung des Leistungsantrags befasst hat, inhaltlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
Zwar ist Art. 103 Abs. 1 GG erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachgekommen ist. Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Feststellbar ist ein Gehörsverstoß aber dann, wenn das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen nicht auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu einer Frage eingeht, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist1. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Entscheidung über den Leistungsantrag hat ausschlaggebende Bedeutung für das vom Kläger verfolgte Klageziel. Das Landgericht hat die Abweisung des Leistungsantrags allein auf die Wirkungen des Gesellschafterbeschlusses vom 11.08.2008 gestützt und auf die gegen diese Begründung gerichteten Angriffe des Klägers ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.
Allerdings deutet der Inhalt der Berufungsentscheidung darauf hin, ohne dies zweifelsfrei erkennen zu lassen, dass das Berufungsgericht – trotz Übernahme des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts – angenommen haben könnte, der Leistungsantrag sei schon nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Eine solche Annahme könnte durch die etwas unglückliche Fassung der Berufungsanträge veranlasst worden sein. Der Kläger hat nämlich den prozessualen Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils den Sachanträgen nicht übergreifend vorangestellt, sondern in den Auskunftsantrag einbezogen.
Gleichwohl war sein Rechtsmittel nicht als eine auf den Auskunftsantrag beschränkte Berufung zu verstehen. Denn wenn der Kläger die Abweisung des Leistungsantrags durch das Landgericht hätte hinnehmen wollen, hätte er keine Veranlassung gehabt, diesen Sachantrag in die Berufungsanträge aufzunehmen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist zudem im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und auf das Recht auf Gehör im Zweifel das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht2. Im Streitfall entsprach es offensichtlich nicht der Interessenlage des Klägers, die Abweisung des Leistungsantrags rechtskräftig werden zu lassen und mit der Berufung lediglich den Auskunftsantrag weiterzuverfolgen, dessen Zweck im Rahmen einer Stufenklage gerade darin besteht, die Bezifferung des Leistungsantrags zu ermöglichen.
Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es den übergangenen Vortrag des Klägers berücksichtigt und sich mit der Frage befasst hätte, ob der Gesellschafterbeschluss, wie vom Landgericht angenommen, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch entgegensteht.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Januar 2015 – II ZR 191/13
- BVerfGE 86, 133, 145[↩]
- st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 22.05.1995 – II ZB 2/95, NJW-RR 1995, 1183, 1184; Beschluss vom 10.11.2009 – XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn. 9; Urteil vom 24.06.2010 – I ZR 166/08, GRUR 2010, 1026 Rn. 10 – Photodynamische Therapie; Beschluss vom 18.12 2014 – IX ZB 50/13, WM 2015, 251 Rn. 10[↩]