Makler als Vertreter im Zwangsversteigerungsverfahren

Immobilienmakler sind nicht befugt, einen Gläubiger als Beteiligten im Sinne von § 9 ZVG in einem gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren zu vertreten. Die Befugnis, Bieter zu vertreten, bleibt davon unberührt.

Makler als Vertreter im Zwangsversteigerungsverfahren

Ein Immobilienmaklter verstößt mit seinem Angebot, für Gläubiger in gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren Terminsvertretungen zu übernehmen und durchzuführen, gegen § 79 Abs. 2 ZPO. Bei einem gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren handelt es sich um einen „Parteiprozess“ im Sinne von § 79 ZPO. Das Zwangsversteigerungsverfahren ist nach der Gesetzessystematik dem Parteiprozess des § 79 ZPO zuzuordnen. Das Zwangsversteigerungsverfahren ist eine spezielle Art der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen, die im zweiten Abschnitt des achten Buches der Zivilprozessordnung behandelt wird. Dieser Zuordnung steht nicht entgegen, dass die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung nach § 869 ZPO durch ein besonderes Gesetz (Zwangsversteigerungsgesetz) geregelt werden. Für das Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 704 ff. ZPO gelten neben den spezifischen Verfahrensvorschriften auch die allgemeinen prozessualen Regelungen in den §§ 1 bis 252 ZPO sinngemäß, soweit sich aus dem Zwangsversteigerungsgesetz nicht etwas anderes ergibt1. Das Zwangsversteigerungsgesetz enthält lediglich besondere Vorschriften über den Nachweis der Vertretungsmacht im Versteigerungstermin (§ 71 Abs. 2, § 81 Abs. 3 ZVG).

Die Frage, wer zur Vertretung eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin befugt ist, wird im Zwangsversteigerungsgesetz nicht geregelt, so dass die Anwendung von § 79 ZPO nicht ausgeschlossen ist. Auf den Umstand, dass der Begriff „Partei“ weder im zweiten Abschnitt des achten Buches der Zivilprozessordnung noch im Zwangsversteigerungsgesetz verwendet wird, kommt es für die Zuordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens zum Parteiprozess im Sinne von § 79 ZPO in Anbetracht der Gesetzessystematik nicht entscheidend an.

Die durch § 79 Abs. 2 ZPO bewirkte Vertretungsbeschränkung im Parteiprozess dient einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Parteien im gerichtlichen Verfahren und andererseits der Ordnung des Prozesses2. Diese Zielsetzung des Gesetzgebers ist auch bei der Zwangsversteigerung von Immobilien berührt, da es sich hierbei um ein gerichtliches Verfahren mit in der Regel erheblicher Tragweite handelt3. Gläubiger und Schuldner stehen, wenn etwa Streit über die Anordnung, Einstellung oder Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens herrscht, auch regelmäßig in einem kontradiktorischen Verhältnis zueinander, da sie zwangsläufig widerstreitende Interessen verfolgen4.

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Auch ist zwischen dem Versteigerungstermin einerseits und der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidung über mögliche Anträge der Beteiligten im Zwangsversteigerungsverfahren andererseits nicht dergestalt zu unterscheiden, dass zumindest die Vertretung eines Gläubigers im Versteigerungstermin durch einen Immobilienmakler oder seinen Angestellten zulässig sein muss. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs des Rechtsdienstleistungsgesetzes sollte die Zulässigkeit der Prozessvertretung einheitlich für das gesamte Verfahren geregelt und die vor der Gesetzesänderung durch § 157 ZPO bewirkte Trennung zwischen der Vertretung außerhalb der Verhandlung und der Vertretung im Termin gerade beseitigt werden, weil die einheitliche Regelung der Vertretungsbefugnis den Vorteil bietet, dass ein erzwungener Vertreterwechsel im Prozess nicht mehr erforderlich ist5. Es ist dabei maßgeblich, dass das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im Versteigerungstermin typischerweise von gegenläufigen Interessen und daraus resultierenden Streitigkeiten geprägt wird6. Eine sachgerechte Wahrnehmung der Interessen eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin erfordert daher eine erschöpfende Beratung des Mandanten, die gerade auch umfassende materielle und formelle Rechtskenntnisse voraussetzt7.

Der Hinweis der Revision, dass bis zur Neufassung des § 79 ZPO Zwangsversteigerungstermine vielfach von Immobilienmaklern und deren Mitarbeitern wahrgenommen worden seien, ohne dass hierdurch ein Missstand aufgetreten sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Gesetzgeber hat sich gerade nicht an Einzelfällen orientiert, sondern hat der Gesetzesfassung in sachgerechter Weise eine generalisierende Wertung und typisierende Betrachtung zugrunde gelegt. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dies auf der Erfahrung beruht, dass die Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens am besten durch Personen gesichert wird, die – wie es etwa bei Rechtsanwälten der Fall ist – ganz allgemein nach Ausbildung und Berufserfahrung eine grundlegende Gewähr für eine sach- und verfahrenskundige Begleitung in einem gerichtlichen Verfahren bieten und die darüber hinaus verpflichtet sind, sich angemessen gegen Berufshaftpflichtrisiken zu versichern.

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Immobilienmakler gehören nicht zu den in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZPO aufgeführten Personengruppen.

Die Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO sind auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG und/oder Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Der Immobilienmakler wird zwar in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auf freie Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit durch die Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO beschränkt, weil es ihm untersagt ist, in einem Zwangsversteigerungstermin als Vertreter des Gläubigers als Beteiligten im Sinne von § 9 ZVG tätig zu werden.

Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. Die Berufsfreiheit umfasst das Recht der am Markt Tätigen, die Bedingungen ihrer Marktteilhabe selbst festzusetzen. Soweit Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch gesetzliche Regeln beschränkt werden, ist dies an ihren Grundrechten zu messen und nicht an denen der anderen Marktteilnehmer8. Bei der Frage, ob Immobilienmakler Gläubiger als Beteiligte im Sinne von § 9 ZVG im Zwangsversteigerungstermin vertreten dürfen, geht es um eine solche Festlegung.

Wenn verfahrensrechtliche Vorschriften wesentliche berufliche Funktionen untersagen, betreffen sie unmittelbar die Ausübung des Berufs. Das trifft auch auf den vorliegenden Fall zu. Die Beklagte wird von der Vertretung eines Gläubigers in einem gerichtlichen Zwangsversteigerungstermin generell ausgeschlossen.

Diese Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit des Immobilienmaklers durch § 79 Abs. 2 ZPO ist jedoch gerechtfertigt und damit nicht verfassungswidrig.

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Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind allerdings nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist9. Die Beschränkungen stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der Eingriff muss zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weitergehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Zudem müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen10. Diesen Anforderungen genügen die Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO.

Als übergeordnete Gemeinwohlziele sind der Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung und eine funktionierende Rechtspflege anerkannt11. Die Vertretungsbeschränkung im Zivilprozess gemäß § 79 Abs. 2 ZPO soll einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Partei im gerichtlichen Verfahren und andererseits der Ordnung des Prozesses dienen12. Das sind legitime Zwecke, die eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigen können.

Die Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess ist zur Erreichung der mit § 79 Abs. 2 ZPO angestrebten legitimen Ziele geeignet. Für die Eignung reicht es aus, wenn durch die Berufsausübungsregelung der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt mithin bereits die Möglichkeit einer Zweckerreichung13. Diese ist hier gegeben. Auch wenn Immobilienmakler über für den Versteigerungstermin wichtige praktische Kenntnisse und Erfahrungen verfügen können, etwa auf dem Gebiet der Grundstücksbewertung, so ist doch nicht festgestellt, dass diese Berufsgruppe auch die für eine sachgerechte Wahrnehmung der Vertretung eines Gläubigers im Zwangsversteigerungstermin notwendigen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Kenntnisse hat14.

Zur Erreichung der genannten legitimen Gemeinwohlziele kann die Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess auch als erforderlich angesehen werden. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist allerdings nur dann erforderlich, wenn ein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel nicht zur Verfügung steht15. Auch soweit die Freiheit der Berufsausübung betroffen ist, dürfen Eingriffe nicht weitergehen, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern16. Ein weniger einschränkendes Mittel besteht auch nicht darin, dass das Verbot der Vertretung von Gläubigern im Zwangsversteigerungsverfahren durch Immobilienmakler auf Tätigkeiten außerhalb eines Zwangsversteigerungstermins beschränkt wird. Die einheitliche Regelung der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess bietet den Vorteil, dass ein erzwungener Vertreterwechsel im Prozess nicht mehr notwendig ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Unterstützung im gerichtlichen Verfahren – angefangen bei der Beratung zum prozessualen Vorgehen über die Vorbereitung und den Entwurf von Schriftsätzen bis hin zur Begleitung zum Ge-richtstermin als Beistand – gemäß § 90 Abs. 1 ZPO grundsätzlich zulässig bleibt.

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Die vom Gesetzgeber zur Verfolgung legitimer Zwecke gewählten Mittel müssen schließlich nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch angemessen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen steht17. Um dies beurteilen zu können, ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, zu deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte erforderlich ist, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig18. Die danach gebotene Gesamtabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung der Vertretungsbefugnis von Immobilienmaklern im Zwangsversteigerungstermin auch verhältnismäßig ist.

Bei der in Rede stehenden Beschränkung der Vertretungsbefugnis von Immobilienmaklern handelt es sich um eine Regelung der Berufsausübung. Eine solche liegt vor, wenn der Eingriff nicht einen selbständigen Beruf, sondern lediglich Tätigkeiten betrifft, die als Bestandteil eines umfassenderen oder als Erweiterung eines anderen Berufs ausgeübt werden und deren Regelung die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt lässt19.

Das Verbot der Vertretung von Gläubigern als Beteiligte im Sinne von § 9 ZVG in Zwangsversteigerungsterminen stellt schon keinen erheblichen Eingriff in den Kernbereich der Maklertätigkeit dar. Demgegenüber sind die mit § 79 Abs. 2 ZPO verfolgten Interessen des Gemeinwohls – insbesondere mit Blick auf den Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung – derart gewichtig, dass sie die Zumutbarkeit der Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit zu begründen vermögen.

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Ein Verstoß der Regelungen in § 79 Abs. 2 ZPO gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls zu verneinen.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist grundsätzlich auch im Rahmen von Regelungen der Berufsfreiheit zu beachten. Dies bedeutet, dass Differenzierungen oder Ungleichbehandlungen bei berufsrechtlichen Regelungen nur dann verfassungsgemäß sind, wenn die betreffende Ungleichbehandlung oder Differenzierung nicht willkürlich ist oder einen sachlichen Rechtfertigungsgrund hat. Rechtfertigungsgründe dieser Art können sich auch aus der Berufsfreiheit und ihren Ordnungsbelangen selbst ergeben. Dementsprechend verlangt Art. 12 Abs. 1 GG etwa die sachgerechte Differenzierung nach Maßgabe jeweils unterschiedlicher Berufsbilder20.

Ein solcher sachlicher Rechtfertigungsgrund ist im Hinblick auf die beschränkte Vertretungsbefugnis der Inkassounternehmen zu bejahen. Diese beruht nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Rechtsdienstleistungs-gesetz zum einen auf der Nähe der Inkassotätigkeit zu den diesen Unternehmen künftig erlaubten Prozesshandlungen und zum anderen darauf, dass es sich bei den ihnen erlaubten Tätigkeiten, insbesondere bei der Beantragung von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden, um eine weitgehend automatisierte Tätigkeit handelt, für die besondere Kenntnisse und Fähigkeiten eines Rechtsanwalts nicht erforderlich sind. Da das Mahnverfahren zudem auf der Gerichtsseite ganz überwiegend durch zentrale Mahngerichte im automatisierten Verfahren betrieben wird, sind Inkassounternehmen bei der oft als Massengeschäft betriebenen Beantragung von Mahn- und Vollstreckungsbescheiden zur Zusammenarbeit mit dem Gericht in gleicher Weise qualifiziert wie ein Rechtsanwalt21. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Vertretung des Gläubigers in einem Zwangsversteigerungstermin um eine Tätigkeit, die umfassende materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Kenntnisse erfordert. Eine unterschiedliche Behandlung von Immobilienmaklern und Inkassounternehmen ist daher aus Sachgründen gerechtfertigt.

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Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20. Januar 2011 – I ZR 122/09

  1. vgl. RGZ 73, 194, 195; Stöber aaO Einl. Rn. 19; Sievers in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2010, Vorbem. zu §§ 1 ff. ZVG Rn. 1[]
  2. BT-Drucks. 16/3655 S. 66; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 79 Rn. 1[]
  3. vgl. Stöber aaO Einl. Rn. 22[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2007 – V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7 f.[]
  5. BT-Drucks. 16/3655 S. 187 f.[]
  6. vgl. BGHZ 170, 378 Rn. 7 f.[]
  7. vgl. Stöber aaO Einl. Rn. 36; derselbe, ZVG-Handbuch, 8. Aufl. Rn. 301[]
  8. BVerfGE 106, 275, 299[]
  9. vgl. BVerfGE 94, 372, 390; 101, 331, 347; 117, 163, 182[]
  10. vgl. BVerfGE 54, 301, 313; 101, 331, 347; 117, 163, 182[]
  11. vgl. BVerfGE 108, 150, 161 f.; 117, 163, 182[]
  12. BT-Drucks. 16/3655 S. 66[]
  13. BVerfGE 100, 313, 373; 103, 293, 307; 117, 163, 188 f.[]
  14. siehe zu den vielfältigen Fragen, die für einen Gläubiger im Zwangsversteigerungstermin zu prüfen sein können, Stöber, ZVG-Handbuch aaO Rn. 301[]
  15. vgl. BVerfGE 80, 1, 30[]
  16. vgl. BVerfGE 106, 216, 219; 117, 163, 189[]
  17. vgl. BVerfGE 76, 1, 51; 117, 163, 192 f.[]
  18. vgl. BVerfGE 92, 277, 327; 117, 163, 193[]
  19. vgl. BVerfGE 68, 272, 281; 75, 246, 274[]
  20. Scholz in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand 2010, Art. 12 Rn. 153, mwN[]
  21. BT-Drucks. 16/3655 S. 194[]