Mit der Schätzung eines jedenfalls nach § 287 Abs. 1 ZPO eingetretenen Mindestbetrages für den merkantilen Minderwert eines Gebäudes nach Beseitigung von Rissen im Innen- und Außenputz hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Ein merkantiler Minderwert liegt vor, wenn nach erfolgter Mängelbeseitigung eine verringerte Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise ein im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben1.
Im vorliegend entschiedenen Fall hat in der Vorinstanz das Kammergericht in seinem Berufungsurteil2 selbst festgestellt, dass es sich bei den Gebäuden um marktgängige Objekte handelt, so dass deren Verwertbarkeit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen grundsätzlich festgestellt werden kann. Es ist auch davon ausgegangen, dass ein redlicher Verkäufer einen Kaufinteressenten über die ausgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten informiert. Beides begegnet keinen Bedenken. Die gegen das Letztere erhobene Rüge der Streithelferin der Beklagten ist unbegründet. Entgegen ihrer Ansicht hat das Berufungsgericht die Informationspflicht eines redlichen Verkäufers nicht allein aus der Größenordnung der durchgeführten Nachbesserungsarbeiten abgeleitet. Es hat auch darauf hingewiesen, dass zwar nach den Gutachten mit einem erneuten Auftreten von Rissen nicht zu rechnen sei, dies jedoch auch nicht vollständig auszuschließen sei. Das wiederum beruht ersichtlich darauf, dass nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts die Nachbesserung im Wesentlichen nur die Schadensfolgen beseitigt hat, ihre Ursache in Form des fehlenden Gleitlagers jedoch unverändert fortbesteht.
Im Ergebnis nicht zu beanstanden sind auch die Erwägungen des Kammergericht, dass es keinen „Markt für bestimmte Wertminderungen“ der hier vorliegenden Art gebe, so dass keine allgemeinen Parameter gefunden werden könnten, nach denen Abschläge zu bemessen seien. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Wertminderung nur auf das konkrete Objekt bezogen durch die individuellen Eigenschaften des geschädigten Objektes unter Berücksichtigung der konkreten Schadensursache und den zum Wertermittlungsstichtag herrschenden allgemeinen Marktbedingungen vorgenommen werden kann.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, die von dem Sachverständigen O. vorgenommene „Expertenbefragung“ könne keine geeignete Grundlage zur Schätzung eines Mindestschadens der Klägerin im Hinblick auf einen merkantilen Minderwert der Gebäude sein. Das Berufungsgericht sieht selbst zu Recht, dass es grundsätzlich einen richtigen Ansatz darstellt, festzustellen, wie sich der reparierte Schaden auf die Bereitschaft potentieller Kaufinteressenten am Markt zur Zahlung des vollen oder nur eines entsprechend geminderten Kaufpreises auswirken würde. Dies kann durchaus in der Weise geschehen, dass der Sachverständige Fachleute befragt, die den Markt kennen und in der Lage sind, fundierte Werteinschätzungen der betroffenen Gebäude abzugeben und dabei die Auswirkungen der durchgeführten Mängelarbeiten auf die Bereitschaft potentieller Kaufinteressenten, den üblichen Marktpreis mangelfreier Gebäude zu zahlen, einzuschätzen. Das Berufungsgericht verkennt das Maß notwendiger Sicherheit im Rahmen der freien Überzeugung nach § 287 Abs. 1 ZPO, wenn es aus der Streubreite der genannten Abschläge ableitet, dass die Zahlen auf einem nicht als Grundlage für eine Schätzung geeigneten „Bauchgefühl“ der Befragten beruhten.
Im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO soll das Gericht die Schadenshöhe gerade schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt3. Nur wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen ist und das richterliche Ermessen vollends in der Luft hängen würde, wenn also eine Schätzung nicht möglich ist, bleibt es bei der Regel, dass den Kläger die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen trifft und deren Nichterweislichkeit ihm schadet4.
Wenn es dagegen nur an ausreichenden Anhaltspunkten fehlt, einen einheitlichen Schaden in seinem vollen Umfang zu schätzen, ist zu prüfen, ob die vorliegenden Tatsachen ausreichen, wenigstens einen gewissen Schadensbetrag durch Schätzung festzustellen. Steht fest, dass ein Schaden in einem der Höhe nach nicht bestimmbaren, aber jedenfalls erheblichen Ausmaße entstanden ist, dann wird sich in der Regel aus den Umständen, die die Annahme eines erheblichen Schadens begründen, eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung eines gewissen (Mindest-)Schadens gewinnen lassen. Darüber hinaus mag für die Entstehung eines höheren Schadens noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, die für die wenig über dem5 Schaden liegenden Beträge verhältnismäßig hoch sein kann und für weitere Beträge immer geringer wird. Sache des Gerichts ist es, unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände die Grenze zu ermitteln, bis zu der für die Schätzung eines Schadens eine ausreichende Grundlage vorhanden ist. Mag der so geschätzte Betrag auch hinter dem wirklichen Schaden zurückbleiben, so wird wenigstens vermieden, dass der Geschädigte völlig leer ausgeht, obwohl die Ersatzpflicht für einen Schaden erheblichen Ausmaßes feststeht. Das entspricht dem Zweck des § 287 ZPO, denn eben, um derartige unbillige Ergebnisse zu vermeiden, hat der Gesetzgeber dem Richter das Recht gegeben und damit die Pflicht auferlegt, einen Schaden trotz unvollständiger Aufklärung des Sachverhalts durch Schätzung festzulegen6.
Danach gab es aufgrund der Befragung von Fachleuten durch den Sachverständigen O. durchaus Anhaltspunkte dafür, in welcher Höhe bei einem Verkauf mindestens eine Einbuße beim Erlös eintreten würde. Soweit das Gericht von der Fachkunde der Auskunftspersonen überzeugt ist, schadet es nicht, wenn auch die Fachleute ihrerseits keine Angaben mit mathematischer Genauigkeit machen können und diese von subjektiven Einschätzungen nicht frei sind. Dies schlägt sich nicht anders nieder als wenn das Gericht selbst in Gebieten, in denen es die notwendige Sachkunde besitzt, die gebotene Schätzung insgesamt vornimmt. Soweit unterschiedliche Angaben vorliegen, obliegt es dem Tatrichter nach den genannten Grundsätzen, ob er nicht die niedrigsten Angaben als Mindestschaden zu Grunde legt oder bis zu einem gewissen Rahmen eine ausreichende Wahrscheinlichkeit sieht, hierüber hinaus zu gehen.
Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, dass den Befragten nicht einmal ansatzweise irgendwelche konkreten Grundlagen zur Verfügung gestanden hätten, sich ein realistisches Bild von den Objekten zu machen, hätte es diesen Mangel durch eine ergänzende Beauftragung des Sachverständigen beheben können und müssen. Auch soweit das Berufungsgericht schließlich vermisst hat, dass in dem Sachverständigengutachten und der „Expertenbefragung“ die grundsätzliche Lage des Grundstücksmarktes zum Wertermittlungsstichtag keine Berücksichtigung gefunden hat, so wäre auch dies durch eine Ergänzung des Gutachtens nachzuholen gewesen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 84/10
- vgl. BGH, Urteile vom 09.01.2003 – VII ZR 181/00, BGHZ 153, 279; vom 15.12.1994 – VII ZR 246/93, BauR 1995, 388; vom 11.07.1991 – VII ZR 301/90, BauR 1991, 744; vom 19.09.1985 – VII ZR 158/84, BauR 1986, 103[↩]
- KG, Urteil vom 27.04.2010 – 7 U 120/09[↩]
- BGH, Urteil vom 16.12.1963 – III ZR 47/63, NJW 1964, 589; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn. 2[↩]
- BGH, Urteile vom 16.12.1963 – III ZR 47/63, aaO; vom 11.03.2004 – VII ZR 339/02, BauR 2004, 1290 = NZBau 2004, 389 m.w.N.[↩]
- Mindest[↩]
- BGH, Urteil vom 16.12.1963 III ZR 47/63, aaO[↩]