Messer, Schere, Feuer, Licht ist für Kinderhände nicht

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Bundesgerichtshofs bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist1.

Messer, Schere, Feuer, Licht ist für Kinderhände nicht

Danach sind sowohl hinsichtlich der Belehrung über die Gefahren des Feuers als auch der Überwachung eines möglichen Umgangs mit Zündmitteln strenge Anforderungen zu stellen. Dies gilt insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen durch das Entzünden von Stroh eine besondere Brandgefahr besteht2. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden, dass Eltern ihre sieben bis acht Jahre alten Kinder eindringlich über die Gefährlichkeit des Spiels mit dem Feuer belehren und darauf achten müssen, dass die Kinder nicht unerlaubt in den Besitz von Streichhölzern oder anderen Zündmitteln gelangen. Hierzu gehört auch, die Kinder davor zu warnen, anderen Kindern bei dem Entfachen und dem Unterhalten eines Feuers in irgendeiner Weise zu helfen oder sie dazu anzustiften3. Eine tägliche Kontrolle der Taschen des Kindes ist von den Aufsichtspflichtigen im Regelfall nicht zu verlangen. Grundsätzlich müssen Kinder im Alter von sieben oder acht Jahren nur dann in dieser Weise auf den Besitz von Streichhölzern oder Feuerzeugen kontrolliert werden, wenn dazu ein besonderer Anlass besteht, wenn etwa beim Kind schon einmal Streichhölzer gefunden worden sind oder das Kind eine besondere Neigung zum Zündeln hat4.

Grundsätzlich ist bereits bei Kindern im Alter ab sieben Jahren weder eine Überwachung „auf Schritt und Tritt“ noch eine regelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen erforderlich. Grundsätzlich muss Kindern in diesem Alter, wenn sie normal entwickelt sind, das Spielen im Freien auch ohne Aufsicht in einem räumlichen Bereich gestattet sein, der den Eltern ein sofortiges Eingreifen nicht ermöglicht. Zum Spiel der Kinder gehört es, Neuland zu entdecken und zu „erobern“. Dies kann ihnen, wenn damit nicht besondere Gefahren für sie selbst oder für andere verbunden sind, nicht allgemein untersagt werden. Vielmehr muss es bei Kindern dieser Altersstufe im Allgemeinen genügen, dass die Aufsichtspflichtigen sich über das Tun und Treiben in großen Zügen einen Überblick verschaffen, sofern nicht konkreter Anlass zu besonderer Aufsicht besteht. Andernfalls würde jede vernünftige Entwicklung des Kindes, insbesondere der Lernprozess im Umgang mit Gefahren, gehemmt5.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. März 2012 – VI ZR 3/11

  1. vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2009 – VI ZR 199/08, VersR 2009, 790 Rn. 8 mwN[]
  2. vgl. BGH, Urteile vom 17.05.1983 – VI ZR 263/81, VersR 1983, 734; vom 19.01.1993 – VI ZR 117/92, VersR 1993, 485, 486 mwN; vom 27.02.1996 – VI ZR 86/95, VersR 1996, 586, 587 mwN[]
  3. vgl. BGH, Urteile vom 29.05.1990 – VI ZR 205/89, BGHZ 111, 282, 285; vom 01.07.1986 – VI ZR 214/84, VersR 1986, 1210 f.; vom 19.01.1993 – VI ZR 117/92, VersR 1993, 485, 486 mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 01.07.1986 – VI ZR 214/84, aaO, 1211[]
  5. vgl. BGH, Urteile vom 10.07.1984 – VI ZR 273/82, VersR 1984, 968, 969 mwN; vom 07.07.1987 – VI ZR 176/86, VersR 1988, 83, 84; vom 18.03.1997 – VI ZR 91/96, VersR 1997, 750; vom 24.03.2009 – VI ZR 199/08, aaO, Rn. 13[]