Mündliche Anweisungen in der Fristenkontrolle

Weist der Rechtsanwalt eine Kanzleikraft mündlich an, die von ihm errechnete Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist zu notieren, ist durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Eintragung nicht in Vergessenheit gerät. Dazu ist konkret vorzutragen.

Mündliche Anweisungen in der Fristenkontrolle

Zwar kommt es auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen in einer Rechtsanwaltskanzlei für die Fristwahrung nicht entscheidend an, wenn der Rechtsanwalt von ihnen abweicht und stattdessen eine genaue Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, wobei der Rechtsanwalt im allgemeinen nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. In einem solchen Fall ist für die Fristversäumnis nicht die Büroorganisation, sondern der Fehler des Mitarbeiters ursächlich, weil ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanweisung befolgt wird. Jedoch kann eine konkrete Einzelanweisung den Rechtsanwalt dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation entlasten, wenn diese die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten, die bestimmt sind, der Fristversäumnis entgegenzuwirken, dieses infolge eines Organisationsmangels aber nicht bewirken1.

Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel2.

Weiterlesen:
Erst die Fristberechnung, dann das Empfangsbekenntnis

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. Mai 2012 – VI ZB 27/11

  1. vgl. BGH, Beschlüsse vom 11.02.2003 – VI ZB 38/02, VersR 2003, 1462; vom 04.11.2003 – VI ZB 50/03, VersR 2005, 94, 95; vom 22.06.2004 – VI ZB 10/04, VersR 2005, 383 f.; vom 12.01.2010 – VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 7; vom 13.07.2010 – VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 13; jeweils mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 22.06.2004 – VI ZB 10/04, VersR 2005, 383 f.[]