Nachmieter – und die vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis

Begehrt der Mieter, dem gemäß § 537 Abs. 1 BGB das Verwendungsrisiko der Mietsache zugewiesen ist, wegen besonderer Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf Treu und Glauben die vorzeitige Entlassung aus einem längerfristigen Mietverhältnis gegen Stellung eines Nachmieters, obliegt es allein ihm, einen geeigneten Nachmieter zu suchen, den Vermieter über dessen Person aufzuklären und ihm sämtliche Informationen zu geben, die dieser benötigt, um sich ein hinreichendes Bild über die persönliche Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Nachmieters machen zu können.

Nachmieter – und die vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis

Im hier vom Bundesgerichtshof war eine Wohnung in Mülheim an der Ruhr für zunächst 4 Jahre fest vermietet worden, danach sollte sich der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit verlängern. Nach knapp 2 Jahren, im März 2013, wechselte der Mieter den Arbeitgeber und nahm eine neue Stelle in Norddeutschland an. Mit Schreiben vom 27.03.2013 erklärten die Mieter mit Blick auf die geänderten Lebensumstände die „fristgerechte Kündigung“ des Mietvertrages zum 30.06.2013. Zu diesem Zeitpunkt stellten sie die Mietzahlungen ein, räumten das Anwesen und gaben der Vermieterin die Schlüssel zurück. Die Vermieterin akzeptierte die vorzeitige Kündigung der Mieter nicht, erklärte sich aber bereit, sie bei Stellung eines geeigneten Nachmieters aus dem Mietvertrag zu entlassen. Der Nachmieter müsse allerdings – ebenso wie die Mieter vor Vertragsschluss – eine kurze schriftliche Erklärung zu den Familienverhältnissen, eine Selbstauskunft nebst Verdienstbescheinigung, den bisherigen Mietvertrag, Personalausweiskopien, eine Bonitätsauskunft sowie eine Bescheinigung vorlegen, dass er den Mietvertrag vorbehaltlos unterschreiben werde. Mit der Einschaltung eines Maklers durch die Mieter sei sie grundsätzlich einverstanden, sie sei aber nicht bereit, die ihr übersandte Provisionsvereinbarung mit dem von den Mieter eingeschalteten Maklerbüro zu unterzeichnen. Im Januar 2014 baten die Mieter um Mitteilung eines Besichtigungstermins für einen zwischenzeitlich gefundenen Mietinteressenten. Die Vermieterin, die in 120 Kilometern Entfernung vom Mietobjekt lebt, verwies darauf, dass sie erst nach Eingang und Prüfung der von den Mietinteressenten vorzulegenden Unterlagen zur Vereinbarung eines Besichtigungstermins bereit sei. Der Interessent lehnte die Erteilung der geforderten Auskünfte ab.

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Auf die Zahlungsklage der Vermieterin hat das Amtsgericht Mühlheim an der Ruhr die Mieter antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und unter Abweisung des weitergehenden Feststellungsantrags festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis bis 30.04.2014 fortbesteht und insoweit nicht durch die Kündigung vom 27.03.2013 beendet worden ist1. Die hiergegen gerichtete Berufung der Vermieterin hat das Landgericht Duisburg zurückgewiesen2. Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Vermieterin den nicht zuerkannten Teil des Feststellungsbegehrens (Fortbestehen des Mietverhältnisses bis mindestens zum Ablauf der mietvertraglich vereinbarten 4-Jahres-Frist am 30.04.2015) weiter und hatte nun Erfolg:

Allerdings wäre der im Mietvertrag vereinbarte Kündigungsausschluss bereits wegen unangemessener Benachteiligung der Mieter insgesamt unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB), wenn es sich dabei um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelte. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, so dass für das Revisionsverfahren zugunsten der Vermieterin zu unterstellen ist, dass der Kündigungsausschluss individualvertraglich vereinbart oder jedenfalls im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB ausgehandelt wurde.

Im Übrigen hat da Berufungsgericht bei seiner Würdigung, die Vermieterin habe die Suche eines Nachmieters treuwidrig vereitelt, wesentliche Umstände außer Acht gelassen und verkannt, dass die Suche nach einem geeigneten Nachmieter allein dem Mieter obliegt, wenn er – wie hier die Mieter – wegen nicht vorhergesehener besonderer Umstände eine vorzeitige Entlassung aus einem längerfristigen Mietverhältnis begehrt.

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Im Ansatzpunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Kündigungsausschluss für die Dauer von längstens vier Jahren auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden kann. Nach der vom Berufungsgericht insoweit nicht ausreichend berücksichtigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Kündigung aber jedenfalls zum Ablauf von vier Jahren seit Abschluss des Mietvertrages möglich sein. Eine Formularklausel, die das nicht gewährleistet, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam3.

Die Regelung in § 2 des Mietvertrages geht zum Nachteil der Mieter über diese Grenze hinaus, indem sie eine Kündigung erstmals nach dem 30.04.2015 ermöglicht. Die Kündigung kann nach dieser Regelung frühestens zum Ablauf des 31.07.2015 erklärt werden, so dass die Bindung des Mieters mehr als vier Jahre seit Vertragsabschluss betragen würde. Sofern es sich bei § 2 des Mietvertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelte, wäre der Kündigungsausschluss deshalb – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – insgesamt unwirksam und hätte die ordentliche Kündigung vom 27.03.2013 mithin das Mietverhältnis bereits zum Ablauf des 30.06.2013 beendet.

Sollte es sich bei § 2 des Mietvertrages hingegen um eine Individualvereinbarung handeln, wäre zwar die angesichts der gleichzeitigen Staffelmietvereinbarung höchstens zulässige Dauer des Kündigungsausschlusses gleichfalls überschritten. Denn gemäß § 557a Abs. 3 BGB kann bei einer Staffelmiete ein Kündigungsausschluss längstens in der Weise vereinbart werden, dass die Kündigung erstmals auf den Zeitpunkt erfolgt, zu dem seit Vertragsschluss vier Jahre abgelaufen sind. Hiervon zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen sind unwirksam (§ 557a Abs. 4 BGB). Dies würde bei einer Individualvereinbarung aber lediglich zur Teilunwirksamkeit des Kündigungsausschlusses insoweit führen, als die Höchstfrist des § 557a Abs. 3 BGB überschritten ist4. Die Mieter hätten in diesem Fall das Mietverhältnis erstmals zum Ablauf des 30.04.2015 kündigen können.

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Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch im Falle eines individualvertraglich vereinbarten Kündigungsausschlusses nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Denn die Würdigung des Berufungsgerichts, die Vermieterin habe die Stellung eines Nachmieters vereitelt und müsse sich deshalb so behandeln lassen, als sei zum 30.04.2014 ein zumutbarer Nachmieter gefunden worden, ist ebenfalls von Rechtsfehlern beeinflusst.

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Mieter bei Stellung eines geeigneten und zumutbaren Nachmieters die vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis verlangen konnten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vermieterin sich im Anschluss an die Kündigung der Mieter hiermit ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Entgegen der Auffassung der Revision bedarf es deshalb keiner Entscheidung dazu, welche Anforderungen an das berechtigte Interesse des Mieters an einer vorzeitigen Entlassung aus einem längerfristigen Mietverhältnis zu stellen sind, wenn der Mieter einen Arbeitsplatzwechsel, der einen Umzug erforderlich macht, selbst herbeigeführt hat.

Einen geeigneten Nachmieter haben die Mieter aber nicht gestellt. Anders als das Berufungsgericht meint, fällt der Vermieterin insoweit auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten zur Last.

Zwar ist die tatrichterliche Würdigung, ob ein Verhalten als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist, revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter den Sachverhalt zutreffend festgestellt hat, ob er den unbestimmten Rechtsbegriff des Rechtsmissbrauchs richtig erfasst hat und ob seine Wertung gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt5. Einer Prüfung an diesem Maßstab hält das Berufungsurteil jedoch nicht stand.

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Das Berufungsgericht hat verkannt, dass es allein dem Mieter obliegt, einen geeigneten Nachfolger zu benennen, wenn er vom Vermieter mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis begehrt. Denn der Mieter trägt gemäß § 537 Abs. 1 BGB das Verwendungsrisiko der Mietsache. Es ist deshalb allein seine Sache, einen geeigneten Nachfolger zu suchen, den Vermieter über die Person des Nachfolgers aufzuklären und ihm sämtliche Informationen zu geben, die dieser benötigt, um sich ein hinreichendes Bild über die persönliche Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Nachmieters machen zu können. Der Vermieter ist demgegenüber nicht gehalten, aktiv an der Suche eines Nachmieters mitzuwirken.

Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, hatten sich deshalb allein die Mieter – gegebenenfalls unter Einschaltung eines Maklers oder eines anderen Dritten – um Mietinteressenten zu bemühen, erforderliche Besichtigungstermine durchzuführen sowie – in gleicher Weise wie von den Mieter bei ihrer Anmietung verlangt – Unterlagen über die Bonität und Zuverlässigkeit vorzuschlagender Nachmieter anzufordern und der Vermieterin zu übermitteln. Der Hinweis der Revisionserwiderung, dass der Vermieter einen Untermieter nicht wegen fehlender Bonität ablehnen dürfe, weil der Hauptmieter weiter für die Zahlungspflichten aus dem Mietvertrag hafte, ist unbehelflich, denn die Mieter haben von der Vermieterin nicht die Erlaubnis zu einer Untervermietung erbeten, sondern die Entlassung aus dem Mietverhältnis begehrt, so dass es wegen des damit verbundenen Wegfalls der Mithaftung der Mieter entscheidend auf die Bonität des neuen Mieters ankam.

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Vor dem Hintergrund der vorgenannten Aufgaben- und Risikoverteilung kann es der Vermieterin nicht als widersprüchliches oder sonst rechtsmissbräuchliches Verhalten angelastet werden, dass sie die Durchführung von Besichtigungsterminen, die für sie mit einer Anreise von 120 Kilometern verbunden gewesen wäre, von der Durchführung einer Vorauswahl möglicher Nachmieter abhängig gemacht hat. Das Berufungsgericht hat insoweit außer Acht gelassen, dass es den Mieter frei gestanden hat, vor der Räumung des Mietobjekts auch ohne Vorauswahl selbst Besichtigungstermine durchzuführen oder zu diesem Zweck die Schlüssel für das Anwesen zurückzuverlangen. Dass die Vermieterin entsprechende Bemühungen der Mieter behindert hätte, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

Entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts hat die Vermieterin die Suche der Mieter nach einem Nachmieter auch nicht dadurch vereitelt, dass sie ihnen untersagt hat, im Garten ein Hinweisschild eines Maklers aufzustellen und im Rahmen der Suche nach einem Nachmieter die von ihr gefertigten Fotos, Texte und Grundrisszeichnungen zu verwenden. Denn die Vermieterin war auch mit Rücksicht auf Treu und Glauben weder gehalten, den Mieter die Verwendung des vorhandenen Datenmaterials zu gestatten noch Werbemaßnahmen eines Maklers auf ihrem Grundstück zu dulden oder hinzunehmen, dass auf diese Weise die Aufmerksamkeit Dritter auf den Leerstand des Anwesens gelenkt würde. Im Übrigen ist bereits nicht ersichtlich, dass das Verhalten der Vermieterin die Nachmietersuche der Mieter nennenswert beeinträchtigt hätte. Diese hätten die Wohnung etwaigen Interessenten schon im Vorfeld selbst zeigen können. Die in der mündlichen Verhandlung von den Mieter – pauschal erhobene und nicht unter Beweis gestellte – Behauptung, die Vermieterin habe verboten, Mietinteressenten auch nur die Adresse des Anwesens zu nennen oder ihnen Fotos vorzulegen, ist schon nicht unstreitig gewesen. Denn die Vermieterin hat diese Behauptung vielmehr in derselben Verhandlung mit dem (zuvor erhobenen) Hinweis, sie habe lediglich vor der Anreise zum Mietobjekt wissen wollen, mit wem sie es zu tun habe, zumindest konkludent bestritten.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Oktober 2015 – VIII ZR 247/14

  1. AG Mülheim an der Ruhr, Urteil vom 12.03.2014 – 13 C 797/13[]
  2. LG Duisburg, Beschluss vom 25.07.2014 – 13 S 94/14[]
  3. BGH, Urteil vom 08.12 2010 – VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597 Rn. 14 ff.[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2006 – VIII ZR 257/04; NJW 2006, 2696 unter – II 1 b bb[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 154/14, NJW 2015, 1087 Rn. 16 mwN, BGHZ 204, 145[]

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