Haftet ein Schwimmbadangestellter dafür, dass er einer Thekenbekanntschaft nächtens im alkoholisierten Zustand ein Bad im örtlichen Schwimmbad ermöglicht – und der in dem dunklen Schwimmbad per Kopfsprung ins Nichtschwimmerbecken springt und sich dabei eine Querschnittlähmung zuzieht? Oder handelt es sich nicht doch um einen typischen Fall von „selber schuld“?

Das Oberlandesgericht Stuttgart jedenfalls sah – wie bereits in erster Instanz das Landgericht Heilbronn – keine Haftung aufgrund des schweren Badeunfalls aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB) auf Ersatz des durch den Unfall verursachten materiellen und immateriellen Schadens. Eine andere Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere aus Vertrag, scheidet nach Ansicht des Oberlandesgerichts von vorne herein aus.
Das Oberlandesgericht unterstellt bei seiner Entscheidung den Sachvortrag des klagenden Unfallopfers als wahr, insbesondere dass der Beklagte den Anwesenden gestattet habe, im Hallenbad zu baden, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von ca. 1,2 – 1,4 ‰ hatte (bei der Blutentnahme um 7.10 Uhr, also 5 Stunden nach dem Unfall, wurde ein Blutalkoholgehalt von 0,2 ‰ festgestellt) und dass andere Mitglieder der Gruppe angetrunken waren. Das OLG Stuttgart ging bei seiner Entscheidung auch von der Unfallschilderung des Klägers aus. Hiernach zog sich der Kläger in der durch die Straßenbeleuchtung nur wenig beleuchteten Badehalle (bei seiner Anhörung durch den Senat hat der Kläger angegeben, es sei im Schwimmbad „stockdunkel“ gewesen) bis auf die Unterhose aus; er rannte dann los und sprang mit einem Kopfsprung in das dort nur 80 cm tiefe Wasser. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich andere Gruppenmitglieder bereits im Wasser, und zwar teilweise nach einem Sprung in das Becken. Der Beklagte war am anderen Ende des Beckens beim Sprungturm, als der Kläger in das Wasser sprang, um einen anderen Mitbadenden von einem Springen vom Sprungbrett abzuhalten.
Der Beklagte verletzte seine gegenüber dem Dienstherrn aus dem Anstellungsvertrag sich ergebenden Pflichten, als er in Anwesenheit der Gruppe, von der er wusste, dass eine Mehrheit in dem Hallenbad baden wollte, die Eingangstüre öffnete und so den Anwesenden den Eintritt in das Hallenbad ermöglichte. Aufgrund des Anstellungsverhältnisses war er dem Dienstherrn gegenüber auch verpflichtet, ein Baden im Schwimmbecken zu verhindern, und zwar erforderlichenfalls durch einen Anruf bei der Polizei.
Den badewilligen Mitgliedern der Gruppe gegenüber war der Beklagte jedoch nicht, auch nicht aufgrund des Anstellungsvertrags mit der Stadt, verpflichtet, sie von einem Betreten des Hallenbades, von einem Baden im Schwimmbecken sowie von einem selbstgefährdenden Sprung in das Wasserbecken abzuhalten. Dies gilt auch dann, wenn er mit dem Baden im Hallenbad einverstanden war.
Bei der Beurteilung, ob den Beklagten eine seine Haftung begründende Pflichtverletzung gegenüber dem Kläger, der aus eigenem Entschluss das Hallenbad betrat und dann in der unbeleuchteten Schwimmhalle mit einem Kopfsprung in das ihm nicht bekannte Wasserbecken sprang, vorliegt, ist der Grundsatz zu berücksichtigen, dass weder ein allgemeines Gebot besteht, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, noch ein Verbot, sie zur Selbstgefährdung psychisch zu veranlassen, sofern nicht – was hier jedoch ausscheidet – das selbstgefährdende Verhalten durch Hervorrufen einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation „herausgefordert“ worden ist1. Auch ist in Fällen, in denen die Gefahr mit Händen zu greifen und ihr ohne weiteres auszuweichen ist, nicht einmal eine Warnung erforderlich; es darf darauf vertraut werden, dass der Betroffene die Gefahr erkennt und sich selbst schützt oder sich der Gefahr nicht aussetzt2. Ausgehend hiervon kann im vorliegenden Fall eine Pflichtverletzung nicht angenommen werden.
Den Beklagten traf nicht deshalb eine Verkehrssicherungspflicht, weil er den Zutritt zum Hallenbad und die Nutzung des Schwimmbades zuließ. Der Kläger betrat das Hallenbad aus eigenem Entschluss. Alle Anwesenden wussten oder hätten ohne weiteres wissen müssen, dass der Beklagte, auch wenn er Haustechniker für das Hallenbad war und berechtigt einen Türschlüssel zum Hallenbad besaß, nicht befugt war, sie in das Hallenbad einzulassen, und sie sich deshalb im Hallenbad unberechtigt aufhielten. Sie nahmen hin, dass wegen der Gefahr ihrer Entdeckung in dem Hallenbad das Licht nicht angeschaltet wurde. Dass der Aufenthalt in dem unbeleuchteten Hallenbad – nach den Angaben des Beklagten bei seiner Anhörung durch den Senat soll freilich eine Mindestbeleuchtung durch Fluchtwegeleuchten bestanden haben – schon wegen der schlechten Sicht mit Risiken (etwa durch Stolpern) verbunden war, war den Anwesenden ohne weiteres erkennbar. Der Beklagte konnte daher darauf vertrauen, dass die Anwesenden sich in ihrem Verhalten auf die schlechten Sichtverhältnisse einstellen. Keiner der Beteiligten konnte davon ausgehen, dass der Beklagte für die ohne weiteres erkennbaren, weil typischen Risiken ihres „nächtlichen Unternehmens“ eine Schutzpflicht für sie übernehmen will. Dies gilt auch für das Baden in dem Wasserbecken.
Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil Mitglieder der Gruppe, auch der Kläger, alkoholisiert und – nach den Angaben der Parteien bei ihrer Anhörung durch den Senat – ausgelassen waren und Alkoholeinfluss, gerade in einer Gruppe, zu einem leichtfertigen Verhalten führen kann. Die Anwesenden waren Erwachsene. Aus dem Parteivortrag und den Angaben der von der Polizei vernommenen Zeugen kann nicht entnommen werden, dass die Teilnehmer des Hallenbadbesuchs infolge des Alkoholgenusses nicht mehr oder nur erheblich eingeschränkt eigenverantwortlich handeln konnten oder ein Verhalten zeigten, das darauf hindeutet, dass sie dazu nicht mehr in der Lage sein könnten. Dies gilt auch für den damals 24-jährigen Kläger bei der hier als wahr unterstellten Blutalkoholkonzentration von ca. 1,2 ‰ bis 1,4 ‰. Aus dem Parteivortrag ergeben sich keine für den Beklagten erkennbare Umstände, die darauf hindeuten, dass der Kläger wegen seines alkoholisierten Zustandes die Gefahren bei dem nächtlichen Hallenbad nicht hat erkennen und ihnen mit seinem Verhalten nicht angemessen hat begegnen können.
Vergebens macht der Kläger geltend, dass der Beklagte vor dem Springen in das unbeleuchtete Wasserbecken hätte warnen müssen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger und andere Mitglieder der Gruppe nicht unerheblich alkoholisiert waren, musste sich jedem der Anwesenden aufdrängen, dass das Wasserbecken einen Schwimmer- und Nichtschwimmerbereich aufweisen kann und ein Kopfsprung in einem Bereich, dessen Wassertiefe man nicht kennt, die Gefahr einer schweren Körperverletzung birgt, jedenfalls dann, wenn der Kopfsprung nicht „flach“, sondern mit einem tiefen Eintauchen in das Wasser ausgeführt wird. Dies gilt auch für den Kläger, und zwar auch unter Berücksichtigung seiner Angaben bei seiner Parteianhörung durch den Senat, wonach er vor dem Unfall lediglich während der Grundschule in einem Hallenbad war und dessen Becken gleichmäßig tief war. Es handelte sich deshalb um ein für den Kläger ohne weiteres als waghalsig erkennbares Fehlverhalten, als er in der nach seiner Darstellung dunklen Badehalle gleichsam blindlings nach einem Anlauf mit Kopfsprung in das Wasserbecken sprang, dessen Tiefe er an der Sprungstelle nicht kannte. Vor einem derart unvernünftigen Verhalten musste der Beklagte nicht vorsorglich warnen, und zwar auch dann nicht, als er bemerken konnte und musste, dass in das Wasserbecken gesprungen wird. Der Beklagte befand sich beim Sprungturm als der Kläger in das Wasserbecken sprang. Dass der Beklagte von seinem Standpunkt aus hat erkennen können und müssen, dass in völlig unvernünftiger Weise mit Kopfsprung im Nichtschwimmerbereich in das Wasserbecken gesprungen wird, kann nicht festgestellt werden.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 9. Februar 2010 – 12 U 214/08