Negative Feststellungsklage und die Verjährung

Auch nach der Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz genügt weder die Erhebung einer negativen Feststellungsklage durch den Schuldner noch die Verteidigung des Gläubigers hiergegen, um eine Hemmung der Verjährung zu bewirken1.

Negative Feststellungsklage und die Verjährung

Die Verjährung (hier: des Kautionsrückzahlungsanspruchs) wird nicht durch die Schuldner erhobene negative Feststellungsklage oder die hiergegen gerichtete Verteidigung des Gläubigers gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Schon vor der Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz entsprach es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass weder die Erhebung einer (negativen) Feststellungsklage des Schuldners, die darauf gerichtet ist, gerichtlich feststellen zu lassen, dass eine Forderung, derer sich der Gläubiger berühmt, nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist, noch die Verteidigung des Gläubigers gegen eine solche Klage zu einer Unterbrechung der Verjährung dieser Forderung führt2.

Zur Begründung wurde entscheidend darauf abgestellt, dass den in § 209 BGB aF aufgezählten Unterbrechungstatbeständen das gemeinsame Prinzip innewohne, dass der Berechtigte die Feststellung oder Durchsetzung seines Anspruchs aktiv betreiben müsse, um den Verjährungseintritt zu verhindern. Die bloße Verteidigung gegen eine negative Feststellungsklage des Schuldners könne dem nicht gleichgestellt werden, weil sich der Gläubiger dann auf die Abwehr der gegen ihn gerichteten Klage beschränke und gerade nicht seinen Anspruch durchzusetzen versuche3.

Weiterlesen:
Zulassung des Nebenintervenienten in der Berufungsinstanz

Die Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat dieses Prinzip beibehalten. Denn auch die in den §§ 203, 204 Abs. 1 BGB enthaltenen Hemmungstatbestände verlangen, dass der Gläubiger aktiv seinen Anspruch verfolgt, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern. Deshalb genügt auch nach neuem Recht weder die Erhebung einer negativen Feststellungsklage durch den Schuldner noch die Verteidigung des Gläubigers hiergegen, um eine Hemmung der Verjährung zu bewirken4.

Allerdings ist ein Neubeginn der Verjährung anzunehmen, wenn der Schuldner (hier: Vermieter) durch die von ihm erklärte Aufrechnung den Anspruch (hier: Kautionsrückzahlungsanspruch) im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anerkannt hat.

Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Für ein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis genügt ein tatsächliches Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein von dem Bestehen der Forderung unzweideutig entnehmen lässt und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird5.

Ein Anerkenntnis des Schuldners im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in der Aufrechnung mit einer bestrittenen Forderung gegen eine unbestrittene Forderung liegen. Maßgeblich ist dabei das vom Tatrichter zu beurteilende Verhalten des Schuldners, für dessen Auslegung und Bewertung es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls ankommt6.

Weiterlesen:
Pfändung eines Pkw bei Gehbehinderten

Der Beklagte hat im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Rückzahlung der Kaution zunächst mit der Begründung verweigert, er habe seinerseits Ansprüche gegen den Kläger auf Nachzahlung von Nebenkosten sowie auf Erstattung der Prozesskosten des laufenden Verfahrens. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Beklagte sodann vorbehaltlos mit dem zwischen den Parteien streitigen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers die Aufrechnung erklärt.

Soweit das Berufungsgericht aufgrund dieses Prozessverhaltens des Beklagten die Aufrechnung als Anerkenntnis im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gewertet hat, das zu einem Neubeginn der Verjährung führte, ist dies als tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus der unbedingt erklärten Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch durfte das Berufungsgericht den Schluss ziehen, dass sich der Beklagte selbst des Bestehens des Anspruchs des Klägers bewusst war und er durch die Aufrechnungserklärung gegenüber dem Kläger klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass der Kautionsrückzahlungsanspruch in voller Höhe besteht und der Beklagte sich nicht auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen wird.

Beginnt nach einem Anerkenntnis im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung erneut, wird die Verjährungsfrist am darauf folgenden Tag in Lauf gesetzt. Denn die ultimo-Regel des § 199 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB gilt im Anwendungsbereich des § 212 Abs. 1 BGB nicht. Die Verjährung beginnt vielmehr an dem Tag, der dem Anerkenntnis folgt7.

Weiterlesen:
Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer

Da der Beklagte im hier entschiedenen Fall die Aufrechnung am 25.10.2007 erklärt hat, wäre die Verjährung des Kautionsrückzahlungsanspruchs des Klägers mit Ablauf des 25.10.2010 und damit schon vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 12.04.2011 eingetreten. Ob dem Kläger ein durchsetzbarer Anspruch auf Rückzahlung der Kaution zusteht, hängt daher entscheidend von der Frage ab, ob und in welchem Umfang die Verjährung in dem Zeitraum vom 26.10.2007 bis zum 25.10.2010 gehemmt worden ist.

Hierzu hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, die neu begonnene Verjährungsfrist sei durch Verhandlungen der Parteien gemäß § 203 BGB gehemmt worden, weil die Parteien während des Gerichtsverfahrens gerade über die Berechtigung der Aufrechnungsforderung gestritten hätten. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Allerdings ist der Begriff der „Verhandlungen“ im Sinne von § 203 Satz 1 BGB weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht8.

Weiterlesen:
Gutgläubiger Eigentumserwerb eines Leasinggebers

Selbst bei diesem weiten Begriffsverständnis hat das Berufungsgericht jedoch keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Parteien nach dem 25.10.2010 Verhandlungen über den Kautionsrückzahlungsanspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände geführt haben.

Allein durch die Tatsache, dass die Parteien auch nach dem Neubeginn der Verjährung den Rechtsstreit weitergeführt haben und damit auch der Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers streitbefangen war, wird der Begriff der „Verhandlungen“ im Sinne von § 203 BGB nicht erfüllt. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts in der angegriffenen Entscheidung ergibt sich, dass die Parteien in der Sache nur um die Verantwortlichkeit des Klägers für die Beschädigungen an der Mietsache gestritten haben. Dazu, ob und inwieweit der Beklagte auch nach der Aufrechnungserklärung vom 25.10.2010 noch bereit war, sich auf Erörterungen über den Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers einzulassen, verhält sich das Berufungsurteil nicht. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Parteien am 20.02.2008 einen widerruflichen Vergleich abgeschlossen haben, in dem sich der Beklagte zur Rückzahlung eines Teilbetrags aus der Kaution verpflichtet hat. Diesen Vergleich hat der Kläger jedoch am 5.03.2008 widerrufen. Ein weiteres Vergleichsangebot des Beklagten hat der Kläger am 19.03.2008 abgelehnt. Dadurch könnte es zu einer Beendigung von schwebenden Verhandlungen zwischen den Parteien und damit zum Wegfall der Hemmungswirkung des § 203 BGB gekommen sein9. Damit hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen.

Weiterlesen:
Das von der Ehefrau bewohnte Haus in der Zwangsverwaltung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. August 2012 – XII ZR 86/11

  1. Fortführung von BGHZ 72, 23 = NJW 1978, 1975[]
  2. BGHZ 122, 287 = NJW 1993, 1847, 1848; BGHZ 72, 23 = NJW 1978, 1975; BGH Urteil vom 07.07.1994 – I ZR 30/92, NJW 1994, 3107, 3108 jeweils zu § 209 BGB aF[]
  3. vgl. BGHZ 72, 23 = NJW 1978, 1975, 1976[]
  4. vgl. MünchKomm-BGB/Grothe 6. Aufl. § 204 Rn. 4 und 7; Palandt/Ellenberger BGB 71. Aufl. § 204 Rn. 3; Musielak/Foerste ZPO 7. Aufl., § 256 Rn. 17; Henrich in BeckOK-BGB [Stand: 1.05.2012] § 204 Rn. 3; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 256 Rn. 17; aA Lakkis in jurisPK-BGB 5. Aufl. § 204 Rn. 38; offen gelassen in BGH Urteil vom 15.12.2009 – XI ZR 110/09, NJW-RR 2010, 640 Rn. 13[]
  5. BGH Urteil vom 09.12.2011 – V ZR 131/11, NJW 2012, 1293 Rn. 10 mwN[]
  6. BGH, Urteil vom 08.06.1989 – X ZR 50/88, NJW 1989, 2469, 2470 zu § 208 BGB aF; anders noch BGHZ 58, 103 = NJW 1972, 525[]
  7. vgl. BGH Urteil vom 09.07.1998 – IX ZR 272/96, NJW 1998, 2972, 2973; Palandt/Ellenberger BGB 71. Aufl. § 212 Rn. 8[]
  8. st. Rspr., vgl. zuletzt BGHZ 182, 76 = NJW-RR 2010, 975 Rn. 16 mwN[]
  9. vgl. hierzu BGH Urteil vom 04.05.2005 – VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2006[]
Weiterlesen:
Absonderungsrechte und die Bemessung der Insolvenzverwaltervergütung