Neuerungen in der Zwangsvollstreckung

Der Deut­sche Bun­des­tag hat soeben zwei Ge­setz­ent­wür­fe zur Mo­der­ni­sie­rung des Zwangs­voll­stre­ckungs­rechts be­schlos­sen. Die Änderungen betreffen zum einen die Sachaufklärung durch Gerichtsvollzieher im Rahmen der Zwangsvollstreckung, hier können Ge­richts­voll­zie­her künf­tig auch von drit­ter Seite In­for­ma­tio­nen über die Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se von Schuld­nern er­hal­ten, damit sie ti­tu­lier­te For­de­run­gen er­folg­reich bei­trei­ben kön­nen. Zum anderen beschloss der Deutsche Bundestag einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem zukünftig die In­ter­net­ver­stei­ge­rung von Ge­gen­stän­den, die vom Ge­richts­voll­zie­her in der Zwangs­voll­stre­ckung ge­pfän­det wur­den, als Re­gel­fall der Ver­wer­tung neben der bis­her üb­li­chen Ver­stei­ge­rung vor Ort eta­bliert wird.

Neuerungen in der Zwangsvollstreckung

Mit den ver­bes­ser­ten In­for­ma­ti­ons­mög­lich­kei­ten für Gläu­bi­ger sollen zukünftig voll­streck­ba­re Zah­lungs­an­sprü­che ef­fek­ti­ver durch­ge­setzt wer­den können, wenn der Schuld­ner – ent­ge­gen sei­ner ge­setz­li­chen Pflicht – fal­sche oder gar keine An­ga­ben zu sei­nem Ver­mö­gen macht. Ge­richts­voll­zie­her kön­nen im Auf­trag des Gläu­bi­gers künf­tig zum Bei­spiel her­aus­fin­den, wo der Schuld­ner Kon­ten oder De­pots führt. Durch eine An­fra­ge beim Ren­ten­ver­si­che­rungs­trä­ger kann der Ge­richts­voll­zie­her er­fah­ren, ob und wo ein Ar­beits­ver­hält­nis be­steht. Mit die­sen In­for­ma­tio­nen kann der Gläu­bi­ger die ent­spre­chen­den For­de­run­gen durch das Voll­stre­ckungs­ge­richt pfän­den las­sen.

Zu den beiden heute beschlossenen Ge­set­zen im Ein­zel­nen:

1. Sach­auf­klä­rung in der Zwangs­voll­stre­ckung

Die Mög­lich­kei­ten der In­for­ma­ti­ons­ge­win­nung für den Gläu­bi­ger wer­den an den Be­ginn des Voll­stre­ckungs­ver­fah­rens ge­stellt. Künf­tig kann der Ge­richts­voll­zie­her vom Schuld­ner eine Ver­mö­gens­aus­kunft ver­lan­gen, ohne dass ein er­folg­lo­ser Ver­such einer Sach­pfän­dung, d.h. der Pfän­dung von be­weg­li­chen Ge­gen­stän­den im Ei­gen­tum des Schuld­ners vor­an­ge­gan­gen ist. Gibt der Schuld­ner die Ver­mö­gens­aus­kunft nicht ab oder ist nach dem In­halt der Aus­kunft eine Be­frie­di­gung des Gläu­bi­gers nicht zu er­war­ten, ist der Ge­richts­voll­zie­her künf­tig be­fugt, Fremd­aus­künf­te bei den Trä­gern der Ren­ten­ver­si­che­rung, beim Bun­des­zen­tral­amt für Steu­ern und beim Kraft­fahrt-?Bun­des­amt über ein Ar­beits­ver­hält­nis, Kon­ten, De­pots oder Kraft­fahr­zeu­ge des Schuld­ners ein­zu­ho­len. Auf der Grund­la­ge die­ser In­for­ma­tio­nen kann der Gläu­bi­ger dann öfter er­folg­reich voll­stre­cken, zum Bei­spiel durch eine Pfän­dung von Lohn oder Kon­to­gut­ha­ben des Schuld­ners durch das Voll­stre­ckungs­ge­richt oder durch Pfän­dung eines auf den Schuld­ner zu­ge­las­se­nen Kraft­fahr­zeu­ges durch den Ge­richts­voll­zie­her.

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Gleich­zei­tig wird das Ver­fah­ren zur Ab­ga­be der Ver­mö­gens­er­klä­rung (bis­her: „ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung“) und die Ver­wal­tung der In­for­ma­tio­nen mo­der­ni­siert. Die Auf­stel­lung der Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de des Schuld­ners (Ver­mö­gens­ver­zeich­nis) soll zu­künf­tig in jedem Bun­des­land von einem zen­tra­len Voll­stre­ckungs­ge­richt lan­des­weit elek­tro­nisch ver­wal­tet wer­den. Bis­lang ge­schah dies in der Regel bei den je­wei­li­gen ört­li­chen Amts­ge­rich­ten. Künf­tig be­steht damit in jedem Bun­des­land eine zen­tra­le Aus­kunfts­stel­le. Zu­griff auf die Da­ten­bank haben Ge­richts­voll­zie­her, Voll­stre­ckungs­be­hör­den und wei­te­re staat­li­che Stel­len wie die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den.

Auch das Schuld­ner­ver­zeich­nis bei den Amts­ge­rich­ten, in dem zah­lungs­un­wil­li­ge bzw. zah­lungs­un­fä­hi­ge Schuld­ner do­ku­men­tiert wer­den, soll künf­tig durch ein zen­tra­les Voll­stre­ckungs­ge­richt als lan­des­wei­tes In­ter­net-?Re­gis­ter ge­führt wer­den. Die Ein­sicht ist nach wie vor jedem ge­stat­tet, der ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­legt, z.B. für Zwe­cke der Zwangs­voll­stre­ckung oder um wirt­schaft­li­che Nach­tei­le ab­zu­wen­den, die dar­aus ent­ste­hen kön­nen, dass Schuld­ner ihren Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen nicht nach­kom­men. Ver­mie­ter und Hand­wer­ker kön­nen sich also künf­tig zen­tral In­for­ma­tio­nen über die Kre­dit­wür­dig­keit ihrer po­ten­ti­el­len Ver­trags­part­ner ver­schaf­fen.

2. In­ter­net­ver­stei­ge­rung in der Zwangs­voll­stre­ckung

Bis­lang ist die Ver­stei­ge­rung von sog. be­weg­li­chen Sa­chen – zum Bei­spiel von Mö­beln und elek­tro­ni­schen Ge­rä­ten – in der Zi­vil­pro­zess­ord­nung als Prä­senz­ver­stei­ge­rung vor Ort durch den Ge­richts­voll­zie­her vor­ge­se­hen. Die dafür not­wen­di­ge An­we­sen­heit von Ver­stei­ge­rer und Bie­ter ist um­ständ­lich und ver­ur­sacht nicht zu­letzt wegen der An­rei­se teil­wei­se hohe Kos­ten. Der Ge­richts­voll­zie­her kann die ge­pfän­de­ten Sa­chen auf an­de­re Art – etwa über das In­ter­net – nur ver­stei­gern, wenn der Gläu­bi­ger oder der Schuld­ner dies be­an­tra­gen. Das ist auf­wän­dig und un­prak­ti­ka­bel. Künf­tig soll die Ver­stei­ge­rung be­weg­li­cher Sa­chen ohne Wei­te­res im In­ter­net er­fol­gen kön­nen und als ge­setz­li­cher Re­gel­fall neben der Prä­senz­ver­stei­ge­rung eta­bliert wer­den. „Da­durch er­mög­li­chen wir ein an­wen­der­freund­li­ches und un­bü­ro­kra­ti­sches Ver­fah­ren“, be­ton­te Zy­pries.

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Der Ge­setz­ent­wurf er­gänzt die be­ste­hen­den Vor­schrif­ten der Zi­vil­pro­zess­ord­nung, damit die In­ter­net­ver­stei­ge­rung auch in der Zwangs­voll­stre­ckung selbst­ver­ständ­lich wird. Die Bun­des­län­der wer­den er­mäch­tigt, Ein­zel­hei­ten wie etwa die Ver­stei­ge­rungs­platt­form, Be­ginn, Ende und Ab­lauf der Auk­ti­on oder die Vor­aus­set­zun­gen für die Teil­nah­me an der Ver­stei­ge­rung durch Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Die In­ter­net­ver­stei­ge­rung be­weg­li­cher Sa­chen wird auch in der Ab­ga­ben­ord­nung als ge­setz­li­cher Re­gel­fall neben der Prä­senz­ver­stei­ge­rung eta­bliert. Zudem ent­hält der Ge­setz­ent­wurf Än­de­run­gen des Bür­ger­li­chen Ge­setz­buchs, die auch die Ver­wer­tung von Fund­sa­chen im In­ter­net er­mög­li­chen.

Die heute vom Bun­des­tag be­schlos­se­nen Ge­set­ze be­dür­fen noch der Zu­stim­mung des Bun­des­rats. Der Bun­des­rat wird sich vor­aus­sicht­lich am 10. Juli 2009 mit den Ge­set­zen be­fas­sen.