Notwegerecht für die Hintertür

Grenzt ein Gebäude an den öffentlichen Straßenraum an, befindet sich die Hauseingangstür jedoch nicht an dieser Seite des Gebäudes, sondern an einer anderen, zum Grundstück eines Nachbarn hin weisenden Seite, steht dem Eigentümer ein Notwegrecht über dessen Grundstück nur zu, wenn die Verlegung der Tür technisch unmöglich oder aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Die Grenze der Zumutbarkeit ist dabei nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des Nachbarn und den Kosten für den erforderlichen Umbau zu bestimmen, maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis dieser Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks.

Notwegerecht für die Hintertür

Zwar fehlt einem Grundstück der erforderliche Zugang nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn nur ein Teil des Grundstücks keinen zur ordnungsgemäßen Nutzung hinreichenden Zugang hat und dem Grundstückseigentümer nicht zugemutet werden kann, dem zuwegungslosen Teil seines Grundstücks über die übrigen, mit dem öffentlichen Weg verbundenen Teile des Grundstücks einen Zugang zu dem öffentlichen Weg zu verschaffen1. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass ein Notwegrecht der Klägerin in Betracht käme, wenn ihr nicht zugemutet werden könnte, die Hauseingangstür an die Seite des Hauses zu verlegen, die an die öffentliche Straße angrenzt. Mit Rücksicht auf das Eigentumsrecht des Nachbarn gilt dabei, dass es dem Grundstückseigentümer grundsätzlich zuzumuten ist, den Zugang auf dem eigenen Grundstück zu schaffen. Dies gilt auch dann, wenn es für ihn umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist, als die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks. Der Eigentümer muss daher grundsätzlich Umbaumaßnahmen vornehmen, um eine vorhandene Verbindung seines Grundstücks zu einem öffentlichen Weg nutzen zu können. Nur wenn dies nicht möglich ist oder wenn die mit der Schaffung eines solchen Zugangs verbundenen Erschwernisse so groß sind, dass die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksnutzung aufgehoben oder in unzumutbarer Weise geschmälert wird, ist der Nachbar zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks als Zugang verpflichtet. Die Grenze der Zumutbarkeit ist nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des auf Duldung eines Notwegs in Anspruch genommenen Nachbarn und den Kosten zu bestimmen, die durch die erforderlichen Umbaumaßnahmen entstehen, maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis dieser Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks2. Die Beweislast für eine Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück liegt bei demjenigen, der ein Notwegrecht begehrt.

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Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 28. Juli 2010 – 6 U 105/08

  1. BGH NJW 2006, 3426[]
  2. BGH a.a.O.[]