Ordnungsgeld – und seine Bemessung

Bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 890 Abs. 1 ZPO sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zuwiderhandelnden zu berücksichtigen.

Ordnungsgeld – und seine Bemessung

Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen, so ist er nach § 890 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen.

Bei der Wahl und Bemessung der Ordnungsmittel steht dem Tatrichter ein Ermessen zu. Die getroffene Entscheidung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob alle wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt worden sind und von dem Ermessen gemäß dem Gesetzeszweck unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht worden ist1. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer solchen Überprüfung stand.

Ordnungsmittel sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen2. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie – präventiv – der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie – repressiv – eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots dar3. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung der Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie im Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten4.

Weiterlesen:
Sitzenbleiben - und die Würde des Gerichts

Da die Festsetzung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO für den Betroffenen strafähnliche Wirkung hat, muss seine Verhängung grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien genügen. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes setzt daher ein Verschulden des Schuldners voraus5. Nach dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die Strafe oder die strafähnliche Sanktion und dementsprechend auch das Ordnungsgeld ferner in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung und dem Verschulden des Zuwiderhandelnden stehen6.

Darüber hinaus sind nach dem Grundsatz der Opfergleichheit bei der Verhängung einer Geldstrafe und dementsprechend bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters oder des Zuwiderhandelnden zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Sanktion bei vergleichbaren Straftaten oder Zuwiderhandlungen unterschiedlich bemittelte Täter oder Zuwiderhandelnde gleich schwer trifft7.

Die Verhängung der Geldstrafe in Tagessätzen nach § 40 StGB dient der Verwirklichung dieser Grundsätze. Daher kann diese Vorschrift bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes entsprechend angewandt werden.

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 StGB wird die Geldstrafe in Tagessätzen verhängt. Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 StGB unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters; dabei geht es gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 StGB in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte.

Weiterlesen:
Vereinbarte Umbaumaßnahmen am Mietobjekt - und die Schriftform

Bei der Verhängung einer Geldstrafe ist danach zunächst anhand der allgemeinen Strafzumessungsregeln die Tagessatzanzahl zu bestimmen. Dieser erste Schritt zielt auf gerechten Schuldausgleich. Folglich ist hier die Tatschuld von Bedeutung. Die sich daran anschließende Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes ist von der Bestimmung der Tagessatzanzahl zu trennen und richtet sich gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 StGB nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Damit soll eine Opfergleichheit bei denjenigen hergestellt werden, deren Taten im Unrechts- und Schuldgehalt vergleichbar sind8.

Die Höhe des Ordnungsgeldes kann in entsprechender Anwendung dieser Regelung im Ausgangspunkt grundsätzlich gleichfalls anhand von Tagessätzen bestimmt werden. Dabei ist die Anzahl der Tagessätze insbesondere nach Art, Umfang und Dauer des Verstoßes sowie dem Grad des Verschuldens des Verletzers zu bestimmen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes richtet sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners.

Insoweit lässt der Bundesgerichtshof auch nicht das Argument gelten, da § 890 Abs. 1 ZPO nicht nur eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstelle, sondern als zivilrechtliche Beugemaßnahme auch der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen diene, könne für die Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes anders als bei der Verhängung einer Geldstrafe nicht die wirtschaftliche Situation des Schuldners allein ausschlaggebend sein.

Es kommt auch bei der Verhängung einer Geldstrafe nach Tagessätzen nicht allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters an. Diese Verhältnisse sind zwar für die Bestimmung der Höhe eines Tagessatzes maßgeblich. Für die Bemessung der Zahl der Tagessätze kommt es jedoch auf das Ausmaß des Unrechts und den Grad des Verschuldens an. Das Beschwerdegericht hat bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes dementsprechend auch nicht allein auf die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin abgestellt. Es hat zwar die Höhe des Tagessatzes unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin bestimmt. Zur Bestimmung der Zahl der Tagessätze hat es jedoch auf Art, Umfang und Dauer des Verstoßes sowie den Grad des Verschuldens der Schuldnerin abgestellt. Dabei hat es insbesondere berücksichtigt, dass die Schuldnerin vorsätzlich gehandelt und für den Gläubiger durch ihr Verhalten die Gefahr begründet hat, verbal oder sogar körperlich angegangen zu werden.

Weiterlesen:
Reichweite eines Unterlassungsgebots

Es ist vorliegend weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass das Beschwerdegericht für die Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes bedeutsame Umstände übergangen hat. Insbesondere hat das Beschwerdegericht bei der Bemessung des Ordnungsgeldes berücksichtigt, dass die Höhe des Ordnungsgeldes so zu bemessen ist, dass sich eine Titelverletzung für die Schuldnerin nicht lohnt9. Es ist nicht ersichtlich, dass die Höhe des vom Beschwerdegericht festgesetzten Ordnungsgeldes ungeeignet ist, die Schuldnerin von künftigen Zuwiderhandlungen abzuhalten und damit die präventive Funktion des Ordnungsgeldes zu wahren. Im Übrigen gilt das aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgende; und vom Beschwerdegericht berücksichtigte Übermaßverbot auch insoweit, als die Verhängung eines Ordnungsgeldes als zivilrechtliche Beugemaßnahme der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen dient.

Für die Bemessung der Ersatzordnungshaft gibt es keine starren Vorgaben; sie muss aber in einem angemessenen Verhältnis zum uneinbringlichen Ordnungsgeld stehen10. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn bei einem nach Tagessätzen bemessenen Ordnungsgeld die Zahl der Tage der Ersatzordnungshaft der Zahl der Tagessätze entspricht.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – I ZB 118/15

  1. BGH, Beschluss vom 23.10.2003 – I ZB 45/02, BGHZ 156, 335, 349 – Euro-Einführungsrabatt, mwN[]
  2. BGHZ 156, 335, 349 – Euro-Einführungsrabatt, mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 12.01.2012 – I ZB 43/11, GRUR 2012, 541 Rn. 8; Beschluss vom 03.04.2014 – I ZB 3/12, GRUR 2014, 909 Rn. 11 = WRP 2014, 861; vgl. BVerfGE 58, 159, 162 f.[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1993 – I ZR 54/91, GRUR 1994, 146, 147 = WRP 1994, 37 – Vertragsstrafenbemessung; BGHZ 156, 335, 349 – Euro-Einführungsrabatt, jeweils mwN[]
  5. BVerfGE 58, 159, 162 f.; 84, 82, 87; BVerfG, NJW-RR 2007, 860 Rn. 11[]
  6. zu disziplinarischen Maßnahmen vgl. BVerfG, NVwZ 2008, 669 mwN[]
  7. zur Geldstrafe vgl. BVerfG, NStZ-RR 2015, 335 mwN[]
  8. vgl. BVerfG, NStZ-RR 2015, 335 mwN; MünchKomm-.StGB/Radtke, 2. Aufl., § 40 Rn. 1; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 40 Rn. 1; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 31. Edition, Stand 1.06.2016, § 40 StGB Rn. 4 und 6[]
  9. vgl. BGH, GRUR 1994, 146, 147 Vertragsstrafenbemessung; BGHZ 156, 335, 349 – Euro-Einführungsrabatt[]
  10. Hilbig-Lugani in Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl., § 890 Rn. 21[]
Weiterlesen:
Zu hohe Abschleppkosten für Falschparker