Parken auf dem Parkplatz – ohne Parkschein

Bei einem Vertrag über die kurzzeitige Nutzung eines jedermann zugänglichen privaten Parkplatzes ist eine unbedingte Besitzverschaffung durch den Parkplatzbetreiber nicht geschuldet. Macht er das Parken von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig, begeht derjenige verbotene Eigenmacht, der sein Fahrzeug abstellt, ohne sich daran zu halten.

Parken auf dem Parkplatz – ohne Parkschein

Das Abstellen des Fahrzeugs auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz der Parkplatzbetreiberin ohne Auslegung des Parkscheins stellt eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB dar.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass derjenige, der sein Fahrzeug unbefugt auf ein Privatgrundstück abstellt, verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB begeht1. Das gilt nicht nur dann, wenn das Parken überhaupt nicht erlaubt ist, sondern auch dann, wenn das Parken an bestimmte Bedingungen geknüpft ist (etwa beim Parken auf einem Kundenparkplatz2).

So ist es hier. Der Fahrzeugführer war nicht befugt, das Fahrzeug auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz ohne Entrichtung des vereinbarten Entgelts und ohne Auslegen des Parkscheins abzustellen.

Dem steht nicht entgegen, dass zwischen der Parkplatzbetreiberin und dem Fahrzeugführer ein Mietvertrag über einen Fahrzeugabstellplatz zustande gekommen ist, nämlich dadurch, dass dieser das als Realofferte in der Bereitstellung des Parkplatzes liegende Angebot der Parkplatzbetreiberin durch das Abstellen des Fahrzeugs angenommen hat (§ 145, § 151 BGB). Damit bestand zum Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeugs ein Mietvertrag, ohne dass es hierzu weiterer Willenserklärungen bedurfte.

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Allerdings stellt innerhalb eines Vertragsverhältnisses nicht jedes vertragswidrige Verhalten gegenüber dem anderen Vertragspartner eine verbotene Eigenmacht dar. Es gelten vielmehr in aller Regel vorrangig die vertraglichen Ansprüche. So verhält sich der Mieter, der den vereinbarten Mietzins nicht zahlt, zwar vertragswidrig; er begeht aber keine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB. Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass dem Vermieter gegen den Mieter, der die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, keine Besitzschutzansprüche aus § 859 Abs. 1 BGB zustehen3. Bei einem klassischen Mietverhältnis ist die Besitzeinräumung durch den Vermieter unbedingt geschuldet. Sie kann nicht unter den Vorbehalt vertragsgemäßen Verhaltens des Mieters gestellt werden.

Bei einem Vertrag über die kurzzeitige Nutzung eines jedermann zugänglichen privaten Parkplatzes gilt dies jedoch nicht in gleicher Weise. Eine unbedingte Besitzverschaffung durch den Parkplatzbetreiber ist nicht geschuldet. Macht er das Parken von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig, begeht derjenige verbotene Eigenmacht, der sein Fahrzeug abstellt, ohne sich daran zu halten.

Bei dem Parken auf einem Parkplatz handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft. Der Betreiber bietet den Parkplatz keinem bestimmten Vertragspartner, sondern der Allgemeinheit für ein kurzzeitiges Parken an. Der Vertrag kommt in der Weise zustande, dass ein Fahrzeugführer das Fahrzeug abstellt und damit das Angebot annimmt (§ 151 Satz 1 BGB). Indem der Parkplatzbetreiber das Parken zulässt, erfüllt er die ihm obliegende vertragliche Hauptpflicht zur Besitzverschaffung (§ 535 Satz 1 BGB) und erteilt gleichzeitig die Zustimmung zur (dinglichen) Besitzausübung (§ 854 Abs. 1 BGB). Nur auf diese Weise ist die Abwicklung des Mietvertrags über einen Parkplatz einfach und praktikabel zu handhaben. Deshalb ist auf Seiten des Parkplatzbetreibers ein gewichtiges Interesse gegeben, bereits bei der Besitzübergabe die Zustimmung zur Besitzausübung von der Zahlung eines Mietpreises abhängig zu machen. Das ist für den Nutzer klar erkennbar. Ähnlich wie bei einem nachträglichen Eigentumsvorbehalt ist die Erklärung eines Vorbehalts bei der dinglichen Besitzübergabe zulässig4. Ob es sich dabei um eine Bedingung handelt, auf die die Vorschriften über Rechtsgeschäfte (§§ 158 ff. BGB) analog anzuwenden sind5 oder um eine bloße tatsächliche Voraussetzung, von der die Zustimmung abhängig gemacht wird6, ist für die rechtliche Beurteilung ohne Belang.

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Von einem solchen Vorbehalt bei der Übergabe des Besitzes an dem Parkplatz ist hier auszugehen. Die Parkplatzbetreiberin hat keine generelle Zustimmung dazu erteilt, dass Fahrzeuge geparkt werden. Sie hat die Besitzüberlassung in ihren Vertrags- und Einstellbedingungen von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig gemacht. Nutzt der Fahrzeugführer den Parkplatz, ohne sich an diese Vertrags- und Einstellbedingungen zu halten, fehlt die Zustimmung der Parkplatzbetreiberin, und die Besitzausübung stellt sich als verbotene Eigenmacht dar (§ 858 Abs. 1 BGB).

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Dezember 2015 – V ZR 160/14

  1. BGH, Urteil vom 04.07.2014 – V ZR 229/13, NJW 2014, 3727 Rn. 13; Urteil vom 21.09.2012 – V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 Rn. 5; Urteil vom 06.07.2012 – V ZR 268/11, NJW 2012, 3373 Rn. 6; Urteil vom 02.12 2011 – V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 6; Urteil vom 05.06.2009 – V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 Rn. 13[]
  2. BGH, Urteil vom 04.07.2014 – V ZR 229/13, NJW 3727; Urteil vom 05.06.2009 – V ZR 144/08, BGHZ 181, 233[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2010 – VIII ZR 45/09, NJW 2010, 3434 Rn. 10; Urteil vom 06.07.1977 – VIII ZR 277/75, NJW 1977, 1818, Rn. 24; Urteil vom 01.10.2003 – VIII ZR 326/02, NJW-RR 2004, 493 Rn. 8; vgl. auch Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rn. XIII 25[]
  4. zum nachträglichen Eigentumsvorbehalt vgl. BGH, Urteil vom 09.07.1975 – VIII ZR 89/74, BGHZ 64, 395, 397; Urteil vom 13.09.2006 – VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488 Rn. 11[]
  5. Staudinger/Gutzeit, BGB [2012], § 858 Rn.20[]
  6. so MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 858 Rn. 7[]
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