Für die Frage, ob das Fernbleiben einer Partei, deren persönliches Erscheinen im Termin nach § 141 ZPO angeordnet ist, genügend entschuldigt ist, kommt es nicht auf ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an; die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO findet insoweit keine Anwendung.

Da ein Ordnungsgeld nur festgesetzt werden kann, wenn das unentschuldigte Ausbleiben einer Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert, scheidet die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 141 Abs. 3 Satz 1, § 381 ZPO aus, falls eine gütliche Beilegung der Auseinandersetzung scheitert und die Erledigung des Rechtsstreits eine Beweisaufnahme in einem gesonderten Termin erfordert.
Die Vorschrift des § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO gestattet die Festsetzung eines Ordnungsgelds, wenn eine nach § 141 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß geladene Partei im Termin trotz richterlicher Anordnung nicht erscheint. Zweck der Vorschrift ist nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern1. Ein Ordnungsgeld kann daher nur festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert2.
Die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei und die Verhängung eines Ordnungsgeldes stehen im Ermessen des Gerichts. Sie sind daher nur nach Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zulässig. Die Androhung und Verhängung eines Ordnungsgelds darf zudem nicht dazu verwendet werden, einen Vergleichsabschluss zu erzwingen3.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat das Landgericht bei der Festsetzung der Ordnungsgelder nicht berücksichtigt, dass das Nichterscheinen der Parteien im Verhandlungstermin am 19.01.2009 nicht zu einer Erschwerung oder Verzögerung der Sachverhaltsaufklärung und auch nicht zu einer späteren umfassenden Erledigung des Rechtsstreits geführt hat. Der Rechtsstreit ist erst nach Vernehmung von zwei Zeugen im Verhandlungstermin am 8.06.2009 entscheidungsreif gewesen. Beide vernommenen Zeugen waren im Termin am 19.01.2009 nicht anwesend. Eine Erledigung des Rechtsstreits ohne Beweisaufnahme hätte nur durch Abschluss eines Vergleichs erreicht werden können. Hierzu waren beide Parteien indes nicht bereit. Die mangelnde Vergleichsbereitschaft konnte dem Gericht zwar erst nach einer telefonischen Rückfrage der im Termin anwesenden Parteivertreter mitgeteilt werden. Die Rechtsbeschwerden weisen jedoch unwiderlegbar darauf hin, dass das Ergebnis auch bei einer persönlichen Anwesenheit der Parteien im Termin nicht anders ausgefallen wäre. Eine gütliche Beilegung der Auseinandersetzung kam nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien aufgrund der vorgerichtlichen Korrespondenz von vornherein nicht in Betracht. Unter diesen Umständen war die Anberaumung eines weiteren Termins zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme – wie nachfolgend auch geschehen – für die Erledigung des Rechtsstreits in erster Instanz unerlässlich. Zu den im Termin am 19.01.2009 offengebliebenen Fragen des Gerichts haben die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.02.2009 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.02.2009 rechtzeitig vor dem Termin am 8.06.2009 Stellung genommen. Der ergänzende Vortrag der Parteien hat dem Landgericht ersichtlich auch ausgereicht, da eine weitere Erörterung des Sach- und Streitstands vor Durchführung der Beweisaufnahme nicht mehr stattgefunden hat.
Die Festsetzung der Ordnungsgelder kann im Streitfall auch nicht darauf gestützt werden, dass das Landgericht gemäß § 278 Abs. 3 Satz 1 ZPO das persönliche Erscheinen der Parteien auch zu einer Güteverhandlung angeordnet hatte mit dem Ziel, den Rechtsstreit durch den Abschluss eines Vergleichs zu beenden. Die Partei braucht zu diesem Termin nicht persönlich zu erscheinen. Nach § 278 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsenden, der zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Nach dem Vortrag der Klägerin war dem für sie im Termin am 19.01.2009 auftretenden Rechtsanwalt eine schriftliche Vollmacht gemäß § 141 Abs. 3 ZPO übersandt worden, die der Terminsvertreter dem Gericht aus der Klägerin nicht bekannten Gründen allerdings nicht vorgelegt hat. Das braucht sich die Klägerin jedoch nicht als etwaiges Verschulden zurechnen zu lassen, da die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO im Rahmen von § 141 Abs. 3 ZPO nicht zur Anwendung kommt4. Nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann gegen eine Partei, deren persönliches Erscheinen angeordnet ist, im Fall ihres Ausbleibens ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Die Verhängung von Ordnungsmitteln gegen einen nicht erschienenen Zeugen setzt dessen ungenügende oder nicht rechtzeitige Entschuldigung voraus und erfordert in diesem Zusammenhang ein eigenes Verschulden des Zeugen (§ 381 ZPO). Die Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO oder die Zurechnung des Verschuldens Dritter aufgrund anderer Bestimmungen sehen die Vorschriften über die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen einen Zeugen nicht vor. Entsprechendes hat deshalb auch für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 141 Abs. 3 Satz 1, § 381 ZPO gegen die nicht erschienene Partei zu gelten. Die Klägerin konnte berechtigterweise davon ausgehen, im Güteund Verhandlungstermin am 19.01.2009 ordnungsgemäß vertreten zu sein. Gleiches gilt für die Beklagte, da deren Terminsvertreterin wie im Sitzungsprotokoll ausdrücklich vermerkt ist eine Vollmacht gemäß § 141 ZPO vorweisen konnte.
Da somit das Ausbleiben der Parteien im Termin am 19.01.2009 weder zu einer Erschwerung und erheblichen Verzögerung der Sachverhaltsaufklärung noch zu einer späteren umfassenden Erledigung des Rechtsstreits geführt hat und davon auszugehen ist, dass die Parteien zu diesem Termin Vertreter im Sinne von § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsandt haben, können die Ordnungsgeldbeschlüsse des Landgerichts keinen Bestand haben.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Juni 2011 – I ZB 77/10
- vgl. BVerfG, NJW 1998, 892, 893; BGH, NJW-RR 2007, 1364 Rn. 16, mwN; BAG, Beschluss vom 20.08.2007 – 3 AZB 50/05, NJW 2008, 252 Rn. 6; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 141 Rn. 12; MünchKomm-.ZPO/Wagner, 3. Aufl., § 141 Rn. 28; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 141 Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Smid, ZPO, 3. Aufl., § 141 Rn. 68; aA OLG München, MDR 1992, 513[↩]
- BGH, NJW-RR 2007, 1364 Rn. 16, mwN; BAG, NJW 2008, 252 Rn. 6; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., § 141 Rn. 13; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 141 Rn. 55; HkZPO/Wöstmann, 4. Aufl., § 141 Rn. 6; aA Zöller/Greger aaO § 141 Rn. 12[↩]
- BGH, NJW-RR 2007, 1364 Rn. 17 f.; OLG Brandenburg, NJW-RR 2001, 1649, 1650; Musielak/Stadler aaO § 141 Rn. 16; Zöller/Greger aaO § 141 Rn. 3, 19[↩]
- vgl. OLG Bamberg, MDR 1982, 585, 586; OLG Celle, NdsRpfl.1988, 164, 165; OLG Schleswig, OLGRep.2003, 259; Musielak/Stadler aaO § 141 Rn. 12; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 141 Rn. 52; Wieczorek/Schütze/Smid aaO § 141 Rn. 67; Reichold in Thomas/Putzo aaO § 141 Rn. 6; HkZPO/Wöstmann aaO § 141 Rn. 6; aA OLG Köln, NJW 1978, 2515, 2516; OLG Stuttgart, JZ 1978, 689, 690; Baumbach/Hartmann, ZPO, 69. Aufl, § 141 Rn. 40[↩]
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