Pflichtverletzung – und die Entlastung aufgrund eines Rechtsirrtums

Eine Entlastung aufgrund eines Rechtsirrtums verlangt nicht, dass ein Prüfauftrag ausdrücklich für eine bestimmte Rechtsfrage erteilt wird, sondern nur, dass die Prüfung aus der Sicht des nicht fachkundigen Organs die zweifelhafte Frage umfasst.

Pflichtverletzung – und die Entlastung aufgrund eines Rechtsirrtums

Von einem Verschulden ist bei Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung grundsätzlich auszugehen. Mangelnde Fähigkeiten und Kenntnisse, die dem verlangten Standard nicht genügen, stellen keinen Entschuldigungsgrund dar. Das gilt erst recht für einen Rechtsirrtum. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft kann sich nur ausnahmsweise wegen eines Rechtsirrtums entlasten, wenn es sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht1.

Eine Entlastung aufgrund eines Rechtsirrtums verlangt nicht, dass ein Prüfauftrag ausdrücklich für eine bestimmte Rechtsfrage erteilt wird, sondern nur, dass die Prüfung aus der Sicht des nicht fachkundigen Organs die zweifelhafte Frage umfasst. Selbst wenn sich der dem sachkundigen Dritten erteilte Auftrag auf eine anderweitige Aufgabenstellung richtet, kann es das Organ entlasten, wenn es sich nach den Umständen der Auftragserteilung darauf verlassen durfte, die Fachperson habe im Rahmen der anderweitigen Aufgabenstellung auch die zweifelhafte Frage geprüft2.

Unabhängig vom Inhalt des Prüfauftrags kann es auch entlasten, wenn die fachkundige Person nach dem Inhalt der Auskunft die Rechtsfrage tatsächlich geprüft und beantwortet hat. Dass der Prüfauftrag nicht auf die ausdrückliche Klärung einer bestimmten rechtlichen Frage zielt, hindert eine Entlastung ebenfalls nicht. Von einem nicht selbst rechtskundigen Auftraggeber kann grundsätzlich nicht erwartet werden, dass er bestimmte Rechtsfragen formuliert.

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Die erforderliche Plausibilitätsprüfung besteht nicht in einer rechtlichen Überprüfung der erhaltenen Rechtsauskunft. Sie beinhaltet vielmehr eine Überprüfung, ob dem Berater nach dem Inhalt der Auskunft alle erforderlichen Informationen zur Verfügung standen, er die Informationen verarbeitet hat und alle sich in der Sache für einen Rechtsunkundigen aufdrängenden Fragen widerspruchsfrei beantwortet hat oder sich aufgrund der Auskunft weitere Fragen aufdrängen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. April 2015 – II ZR 63/14

  1. BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 Rn. 18[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 22[]