Die beabsichtigte Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter ist nicht bereits als solche, sondern nur dann mutwillig im Sinne von § 116 Satz 2, § 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO, wenn der Insolvenzverwalter keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichtet.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall reichte der mit der beabsichtigten Klage geltend gemachte Teilbetrag nicht aus, um die vorrangig zu befriedigenden Verfahrenskosten einschließlich der Verwaltervergütung und die Masseverbindlichkeiten zu decken. Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen dem Insolvenzverwalter für eine Teilklage, die vornehmlich zur Deckung der eigenen Vergütungsansprüche dient und die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger nicht verbessert, Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, wird nicht einheitlich beantwortet.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, eine solche Rechtsverfolgung sei wegen „Umgehung“ der Anforderungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich unzulässig [1] oder mutwillig im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO [2]. Nur im Ausnahmefall, wenn der Insolvenzverwalter triftige Gründe für ein solches prozessuales Vorgehen darlege, könne Prozesskostenhilfe gewährt werden [3]. Ein anderer Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur vertritt den Standpunkt, dass allein die Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter als solche ohne Vorliegen zusätzlicher Gesichtspunkte nicht als mutwillig im Sinne des § 114 ZPO [4] oder als in der unlauteren Absicht erhoben angesehen werden könne, die Voraussetzungen des § 116 ZPO zu umgehen [5]. Aber auch diese Auffassung lässt im Einzelfall nicht unberücksichtigt, ob der Insolvenzverwalter vernünftige oder triftige Grün-de darlegt, die für die Erhebung einer Teilklage sprechen [6].
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die letztgenannte Meinung. Notwendig ist aber eine jeweils an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientierte Prüfung, ob sich die Erhebung der Teilklage durch den Insolvenzverwalter als mutwillig im Sinne von § 116 Satz 2, § 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO darstellt. Der die Darlegungslast für sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen tragende Insolvenzverwalter [7] hat nachvollziehbare Sachgründe dafür vorzubringen, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichtet.
Ein Zwang zur Geltendmachung der Gesamtforderung findet im Gesetz keine Stütze. Dem Insolvenzverwalter muss die Erhebung einer Teilklage schon deshalb möglich sein, weil die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den Kostenerstattungsanspruch des Gegners keinen Einfluss hat (§ 123 ZPO) und als Folge der Prozessführung die Masse daher mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko belastet wird [8].
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den antragstellenden Insolvenzverwalter scheitert hier indes an der Mutwilligkeit der beabsichtigten Teilklage.
Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage von ihr Abstand nehmen würde [9]. Beurteilungsmaßstab für die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung durch den Insolvenzverwalter ist das fiktive Vorgehen eines nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesenen, verständigen, sich an den wohlverstandenen Interessen der Gläubigergemeinschaft orientierenden Verwalters. Hätte ein solcher Verwalter lediglich eine Teilklage erhoben, weil die Geltendmachung der Gesamtforderung aus bestimmten Gründen nicht sachgerecht erscheint, stellt sich die Teilklage nicht als mutwillig dar. Dies gilt unabhängig davon, ob bei einer auf Zahlung der Gesamtforderung gerichteten Klage die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen der in diesem Fall bestehenden Vorschusspflicht wirtschaftlich beteiligter Gläubiger nach § 116 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO entfiele.
Ein verständiger, nach den Interessen der Gläubigergesamtheit handelnder Verwalter wird regelmäßig schon deshalb bestrebt sein, die gesamte Forderung mit einer Klage geltend zu machen, weil die Erhebung mehrerer Teilklagen die Kosten der Rechtsverfolgung erhöht und die Dauer des Insolvenzverfahrens verlängert. Eine Teilklage wird er nur erheben, wenn hierfür ein sachlich begründeter Anlass besteht. Dies gilt umso mehr, wenn die beabsichtigte Teilklage im Erfolgsfall nur dazu führt, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, ohne die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger zu verbessern.
Nachvollziehbare Sachgründe können begründete Zweifel sein, ob der erstrebte Titel in vollem Umfang durchgesetzt werden kann [10]. Im Hinblick auf das Prozessrisiko können etwa Beweisschwierigkeiten hinsichtlich eines Teils des Anspruchs eine Rolle spielen; ebenso kann ein materiell-rechtlich uneinheitlich zu beurteilender Anspruch ein Grund für die Verfolgung nur eines Teilbetrags sein, wenn etwa eine nur teilweise durchgreifende Einwendung oder Einrede zu erwarten ist. Weiter kann im Einzelfall die begründete Erwartung bestehen, dass der Prozessgegner nach Verurteilung zur Leistung eines Teilbetrags den ganzen Anspruch begleichen werde [2].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. Dezember 2010 – II ZB 13/09
- OLG Hamm, OLGR 2001, 374; OLG Köln, InVo 2006, 356, 357[↩]
- OLG Celle, OLGR 2007, 202[↩][↩]
- OLG Celle, OLGR 2007, 202; ZInsO 2007, 331; vgl. auch OLG Hamm, OLGR 2001, 374[↩]
- OLG Hamm, ZIP 2003, 42, 43 mit zustimmender Anm. Pape, EWiR § 116 ZPO 1/03, 139, 140; OLG Celle, ZIP 2008, 433 mit zustimmender Anm. Baumert, Fachdienst Insolvenzrecht 2008, 255780; ebenso Werres, KTS 61 (2000), 251, 256; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NJW 2003, 2412, 2416 Fn. 46; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 114 Rn. 42; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 8; Hk-ZPO/Pukall, 2. Aufl., § 116 Rn. 11; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 80 Rn. 120; Huber in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 51 Rn. 37[↩]
- OLG Celle, ZIP 2008, 433; OLG Hamburg, ZIP 2009, 1636[↩]
- OLG Celle, ZIP 2008, 433, 434; OLG Hamburg, ZIP 2009, 1636, 1637; Pluta/Heidrich, jurisPR-InsR 12/2008 Anm. 5 unter D.; sehr weitgehend OLG Hamm, ZIP 2003, 42, 43[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 05.05.1977 – VII ZR 181/76, WM 1977, 639[↩]
- vgl. OLG Celle, ZIP 2008, 433, 434; OLG Hamburg, ZIP 2009, 1636[↩]
- vgl. nur BGH, Beschluss vom 29.01.2009 – VII ZR 187/08, BGHZ 179, 315 Rn. 12; Beschluss vom 06.07.2010 – VI ZB 31/08, NJW 2010, 3522 Rn. 6 mwN[↩]
- OLG Hamm, ZIP 2003, 42, 43; OLG Celle, ZIP 2008, 433, 434; OLG Hamburg, ZIP 2009, 1636[↩]