Der mit dem Gesetz zum Pfändungsschutz der privaten Altersvorsorge eingeführte Schutz bestimmter privater, zur Altersvorsorge abgeschlossener Versicherungen erstreckt sich nur auf das vom Versicherungsnehmer aufgebaute Deckungskapital und die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erbringenden Leistungen, nicht jedoch auf die für die Einzahlung erforderlichen Mittel des Schuldners.

§ 851c Abs. 2 ZPO schützt in dem dort genannten Umfang nur das für eine private Altersvorsorge im Sinne des § 851c Abs. 1 ZPO angesparte Deckungskapital und die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlenden Rentenbeträge vor einer Pfändung. Ein Pfändungsschutz der zum Aufbau des Deckungskapitals erforderlichen Beträge ist mit der Vorschrift nicht verbunden. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO.
Pfändungsfreier Altersrentenvertrag
Nach § 851c Abs. 2 Satz 1 ZPO kann der Schuldner nach seinem Lebensalter gestaffelt jährlich einen bestimmten Betrag auf der Grundlage eines nach § 851c Abs. 1 ZPO abgeschlossenen privaten Altersrentenvertrags pfändungsfrei ansammeln. Gemäß § 851c Abs. 2 Satz 2 ZPO beträgt der pfändungsfreie Jahresbetrag vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 8.000 €. Vom Schutz dieser Vorschriften umfasst wird nur der jährlich angesparte Betrag. Ein weitergehender Schutz, der auch das Einkommen des Schuldners erfasst, das zum Aufbau der privaten Altersversorgung eingesetzt wird, ist der Regelung nicht zu entnehmen1.
Zwar könnte der Wortlaut des § 851c Abs. 2 ZPO, nach dem der Schuldner abhängig von seinem Lebensalter einen bestimmten Betrag pro Jahr „unpfändbar ansammeln“ kann, dafür sprechen, dass auch die Einkünfte des Schuldners, die dieser einsetzt, um eine geschützte Altersvorsorge im Sinne des § 851c Abs. 1 ZPO aufzubauen, pfändungsfrei bleiben müssen. Nach der Entstehungsgeschichte des § 851c ZPO kommt jedoch eine entsprechende Auslegung der Vorschrift nicht in Betracht. In der Begründung zu der Regelung führt der Gesetzgeber an mehreren Stellen aus, mit der Vorschrift solle ein „zweistufiger Pfändungsschutz“ geschaffen werden2. Von einem dreistufigen Pfändungsschutz, der auch die zum Aufbau der Altersvorsorge erforderlichen Beträge erfasst, ist dort keine Rede. Geschützt werden sollen nur das angesammelte Deckungskapital und die laufenden Bezüge aus der privaten Altersvorsorge. Ein weitergehender Pfändungsschutz wäre systematisch auch nicht in § 851c Abs. 2 ZPO anzusiedeln gewesen. Er gehörte vielmehr in eine der Regelungen der §§ 850 ff. ZPO, etwa in § 850f Abs. 1 ZPO. Hätte der Gesetzgeber einen entsprechenden Schutz gewollt, hätte es nahe gelegen, eine solche Ergänzung vorzunehmen oder auf einen der Tatbestände des § 850f Abs. 1 ZPO zu verweisen. Tatsächlich wird in § 851c Abs. 3 ZPO aber nur auf § 850e Nr. 2 und Nr. 2a ZPO Bezug genommen. Dies hat zur Folge, dass bei Leistungen aus mehreren Lebensversicherungsverträgen oder einer privaten Lebensversicherung und gesetzlichen Rentenanwartschaften gegebenenfalls mehrere unpfändbare Beträge zusammengerechnet werden können3. Für einen Schutz der zum Aufbau des Kapitalstocks erforderlichen Mittel folgt hieraus nichts.
Sinn und Zweck der Vorschrift, bestehende Regelungslücken bei dem Vollstreckungszugriff gegen selbständige Personen zu schließen und diesen einen ähnlichen Pfändungsschutz ihrer Altersvorsorge zu verschaffen, wie sie abhängig Beschäftigte im Hinblick auf ihre Sozialversicherungsbezüge genießen4, gebieten einen entsprechenden Schutz ohne eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung nicht. Der Aufbau des für eine Altersvorsorge erforderlichen Kapitalstocks kann bei Selbständigen auf ganz unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Er muss nicht notwendig – anders als bei Arbeitnehmern in der gesetzlichen Rentenversicherung – durch Abführung bestimmter Beträge aus dem Einkommen gebildet werden. Denkbar sind auch Zahlungen aus dem Vermögen, aus Kapitaleinkünften, Mieteinkünften, anderen laufenden Einnahmen. Eine vollständige Anpassung der Voraussetzungen für die Bildung einer Altersvorsorge bei Arbeitnehmern und selbständig Tätigen konnte deshalb auch mit dem Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge nicht erfolgen. Dass der Gesetzgeber ungeachtet der unterschiedlichen Herkunft der Mittel, die zum Aufbau einer gesetzlichen Rentenversicherung und zur Bildung einer privaten Altersvorsorge eingesetzt werden, die Einkünfte eines (ehemals) Selbständigen jedenfalls dann pfändungsfrei stellen wollte, wenn diese zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge eingesetzt werden, ist weder dem Gesetz noch der Begründung des Gesetzgebers zu entnehmen.
Nach den §§ 850 ff. ZPO sind Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ohnehin nur in ganz beschränktem Umfang den Unpfändbarkeitsregeln unterworfen (vgl. § 850 Abs. 2, § 850i ZPO). Dass der Gesetzgeber über diese Tatbestände hinaus Beträge, die zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge eingesetzt werden, pfändungsfrei stellen wollte, ist nicht erkennbar. Eine solche zusätzliche Freistellung wäre auch im Hinblick auf die Interessen der Gläubiger nicht angemessen. Das vorgebliche Ziel, eine private Alterversorgung aufzubauen, könnte missbraucht werden, um sich weitgehend unpfändbar zu machen. Das hat der Gesetzgeber ausdrücklich ausschließen wollen5.
Insoweit zeigt etwa der vorliegende Fall, dass bei ehemals Selbständigen, die inzwischen abhängig beschäftigt sind, eine entsprechende Unpfändbarerklärung dazu führen könnte, dass einerseits bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens gemäß § 850e Abs. 1 Nr. 1 ZPO die vom Schuldner aufgrund sozialrechtlicher Vorschriften abzuführenden Versicherungsbeiträge einschließlich der Rentenversicherungsbeiträge nicht mitzurechnen sind, andererseits dem Schuldner zu Lasten der Gläubiger ein weiterer erheblicher Betrag pfändungsfrei belassen werden müsste, mit dem er zusätzlich eine private Altersvorsorge aufbauen kann. Die Folge wäre eine deutliche Verringerung des pfändbaren monatlichen Betrages um 600 €. Für die Gläubiger stünde trotz eines hohen laufenden Einkommens nur noch ein geringer Betrag von wenigen Euro zur Verfügung.
Eine entsprechende Anwendung des § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO kommt nicht in Betracht6. Nach den vorstehenden Ausführungen hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, einen besonderen Schutz der zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge einzusetzenden Mittel einzuführen. Eine Regelungslücke besteht nicht. Damit scheidet eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift, die im Übrigen auf Beitragszahlungen zu einer Lebensversicherung auch nicht anzuwenden ist7, aus. Aus der auf § 850e Nr. 2 und 2a ZPO beschränkten Verweisung in § 851c Abs. 3 ZPO folgt, dass die weiteren Bestimmungen der §§ 850a ff. ZPO – insbesondere §§ 850d, 850f, 850g ZPO – nicht herangezogen werden können8.
Dreistufiger Pfändungsschutz
Die Annahme eines dreistufigen Pfändungsschutzes ist – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde – auch von Verfassungs wegen nicht geboten. Art. 3 GG verlangt keine Gleichstellung der Voraussetzungen für die Bildung einer Altersvorsorge für Arbeitnehmer und für selbständig Tätige. Schon die unterschiedliche Herkunft der Mittel, die für den Aufbau der Altersvorsorge eingesetzt werden können, rechtfertigt eine differenzierte Behandlung. Während ein selbständig Tätiger – wie bereits ausgeführt – ganz unterschiedliche Quellen haben kann, aus denen er die Einzahlungen in eine private Altersvorsorge speist, stehen dem Arbeitnehmer regelmäßig nur die Arbeitsbezüge, die er zwingend auch für den Aufbau seiner Altersvorsorge einsetzen muss, zur Verfügung. Das Schutzbedürfnis des abhängig beschäftigten Arbeitnehmers ist größer, als das des selbständig Tätigen, dessen Möglichkeiten zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge wesentlich vielfältiger sind. Soweit in der Vergangenheit bei dem Schutz der Altersvorsorge Selbständiger im Vergleich zur Altersvorsorge abhängig Beschäftigter eine Gesetzeslücke gesehen worden ist9, hat der Gesetzgeber diese Lücke im Hinblick auf den Schutz des aufgebauten Kapitals und der auszuzahlenden Versicherungsleistungen durch das „Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge“10 geschlossen. Ein weitergehender Schutz ist von Verfassungs wegen nicht geboten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Mai 2011 – IX ZB 181/10
- vgl. auch LG Bonn ZVI 2009, 214, 215; LG Bonn, Beschluss vom 4.03.2009 – 6 T 221/08; LAG Niedersachsen, Urteil vom 19.08.2010 – 4 Sa 970/09; Tavakoli, NJW 2008, 3259 ff.[↩]
- BT-Drucks. 16/886, S. 7, 10; vgl. auch Tavakoli, aaO S. 3262; Flitsch, ZVI 2007, 161, 163[↩]
- vgl. Flitsch, aaO S. 163; Schwarz/Facius, ZVI 2009, 188, 189; KessalWulf in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz 4. Aufl. § 851c Rn. 5[↩]
- vgl. Holzer, ZVI 2007, 113 f; Wimmer, ZInsO 2007, 281; Pape/ Uhlenbruck/VoigtSalus, Insolvenzrecht, 2. Aufl., Kap. 8 Rn. 21[↩]
- vgl. BT-Drucks. aaO S. 7 ff.[↩]
- anders wohl Zimmermann, Informationsdienst Schuldnerberatung 1/2008, 8, 13; unentschieden Schwarz/Facius, ZVI 2009, 188, 192[↩]
- vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. § 850f Rn. 4[↩]
- KessalWulf in Schuschke/Walker, aaO[↩]
- vgl. Pape/Uhlenbruck/VoigtSalus, aaO[↩]
- von 26.03.2007, BGBl. I S. 368[↩]