Produkthaftungsklagen – und die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Bei Produkthaftungsklagen gegen in anderen EU-Mitgliedsstaaten ansässige Hersteller besteht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, wenn der Schaden in Deutschland eingetreten ist.

Produkthaftungsklagen – und die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich entweder aus Art. der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) oder – in Altfällen – aus Art. Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-VO). Nach Art. 66 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Brüssel Ia-VO) ist die Brüssel Ia-VO nur auf Verfahren anzuwenden, die am 10.01.2015 oder danach eingeleitet worden sind1.

Nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Zuständig ist dann das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Nach Art. 60 Abs. 1 Brüssel I-VO haben Gesellschaften und juristische Personen für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet.

Der Begriff der unerlaubten Handlung in Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO ist autonom auszulegen und zwar in der Hinsicht, dass er sich auf jede Klage bezieht, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a Brüssel I-VO anknüpft2. Hierunter fallen auch Ansprüche gegen den Hersteller eines Produkts aus Produkthaftung3.

Der Ausdruck „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ in Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO ist nach ständiger Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs so zu verstehen, dass er sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des diesem Schaden zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens meint. Der Hersteller kann vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden4. Da der Schaden der Klägerin in Deutschland eingetreten ist, kann sie vor einem deutschen Gericht klagen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. August 2023 – VI ZR 82/22

  1. vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2016 – I ZR 60/14, NJW-RR 2016, 498 Rn. 15[]
  2. vgl. EuGH, NJW 2015, 1581 Rn. 44[]
  3. vgl. EuGH, RIW 2014, 139 Rn. 18 ff.; Wagner in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., Art. 7 EuGVVO Rn. 124[]
  4. vgl. EuGH, RIW 2014, 139 Rn. 23 mwN; BGH, Urteil vom 17.03.2015 – VI ZR 11/14, NJW-RR 2015, 941 Rn. 14[]