Wird Prozesskostenhilfe nur für einen von mehreren vom selben Prozessbevollmächtigten vertretenen Streitgenossen bewilligt, ist die Bewilligung auf die Gebühr nach Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (sog. Mehrvertretungsgebühr) zu beschränken.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1 ist, wenn zwei Streitgenossen ein und denselben Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Rechtsstreit beauftragen, aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen, die Bewilligung bezüglich der Anwaltsgebühren auf die für diesen Fall im Gesetz (jetzt Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) vorgesehenen Erhöhungsbeträge zu beschränken.
Der Bundesgerichtshof hat die Beschränkung der Bewilligung auf die Erhöhungsbeträge bei Vorhandensein eines finanziell leistungsfähigen Streitgenossen damit begründet, dass nach dem Sinn der §§ 114 ff. ZPO die mittellose Partei für ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung staatliche Hilfe nur in Anspruch nehmen kann, soweit sie aus finanziellen Gründen zur Prozessführung außerstande ist. Der finanziell leistungsfähige Streitgenosse werde hierdurch nicht benachteiligt, weil er nicht mit mehr Kosten belastet wird, als er zu tragen hätte, wenn er den Prozessbevollmächtigten allein beauftragt hätte2.
Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum auf Zustimmung3, aber auch auf Ablehnung gestoßen4.
Der Bundesgerichtshof sieht keinen Anlass, seine Rechtsprechung zu ändern.
Prozesskostenhilfe bezweckt die weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes5. Diesem Zweck wird die Beschränkung auf die Erhöhungsbeträge ohne Weiteres gerecht. Der Prozessbevollmächtigte erhält aufgrund seines Anspruchs gegen den finanziell leistungsfähigen Streitgenossen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 RVG) seine ungeschmälerte Vergütung. Die anwaltliche Vertretung des bedürftigen Streitgenossen wird dadurch sichergestellt.
Weitergehende Angleichungszwecke erfüllt die Prozesskostenhilfe nicht.
Die Beschränkung der Bewilligung auf die Erhöhungsbeträge setzt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht voraus, dass lediglich diese Beiträge auch vergütungsrechtlich geschuldet seien. Da die Beschränkung wie gezeigt prozesskostenhilferechtlich begründet ist, bedarf es eines Gleichlaufs von Prozesskostenhilfebewilligung und Vergütungsanspruch nicht. Der Schutz des bedürftigen Streitgenossen wird schon dadurch bewirkt, dass der Prozessbevollmächtigte, wie generell hinsichtlich seines Anspruchs auf Zahlung der Wahlanwaltsgebühren, gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an der Geltendmachung seines Vergütungsanspruchs nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG gehindert ist, solange die Prozesskostenhilfebewilligung fortbesteht6.
Soweit ferner eingewendet wird, dass die auf beide Streitgenossen entfallende Gebührenlast aufgrund von § 7 RVG bereits mit der Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten verringert werde, beeinflusst dies die weitergehende Entlastung des finanziell leistungsfähigen Streitgenossen nicht, die bei unbeschränkter Bewilligung von Prozesskostenhilfe einträte. Diese würde auch durch einen möglichen Gesamtschuldnerausgleich zugunsten der Staatskasse7, auf den die Antragstellerin ergänzend verweist, nicht vollständig ausgeglichen. Ein etwaiger nachträglicher Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Streitgenossen, auch ein solcher zugunsten des finanziell leistungsfähigen Streitgenossen8, ändert im Übrigen nichts daran, dass die anwaltliche Vertretung des bedürftigen Streitgenossen und damit die Prozessführung bereits durch Zubilligung der Erhöhungsbeträge gewährleistet wird9. Das allgemeine Risiko, nachträglich mit Kosten einer erfolglosen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung belastet zu werden, kann der bedürftigen Partei, verfassungsrechtlich unbedenklich10, durch Prozesskostenhilfe nicht abgenommen werden (vgl. § 123 ZPO). Insoweit steht die bedürftige Partei nicht anders als eine nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesene Partei, die im Unterliegensfall ebenfalls in der Regel die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Schließlich führt die Beschränkung der Bewilligung auf die Erhöhungsbeträge auch nicht dazu, dass dem bedürftigen Streitgenossen, sofern er Monatsraten (§ 115 Abs. 2 ZPO) zu leisten hätte, Prozesskostenhilfe in Anwendung von § 115 Abs. 4 ZPO vielfach gänzlich zu versagen sei, wie die Antragstellerin unter Berufung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln11 meint. Diese Folge kann die Beschränkung der Bewilligung auf die Mehrvertretungsgebühr schon deshalb nicht nach sich ziehen, weil die Kosten der Prozessführung in § 115 Abs. 4 ZPO solche sind, die der Antragsteller ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraussichtlich noch aufzubringen hätte12.
Eine erneute Befassung des Bundesgerichtshofs ist weder unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die vom Oberlandesgericht Nürnberg13 angeführten „zahlreichen Abweichungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung“ bestehen nicht. Die vom OLG Nürnberg dafür zum Beleg benannten obergerichtlichen Entscheidungen14 begründen keinen Klärungsbedarf. Diese Entscheidungen betreffen Fälle, in denen der bedürftigen Partei Prozesskostenhilfe ohne Beschränkung auf die Mehrvertretungsgebühr bewilligt worden war und die Prozesskostenhilfe erst im anschließenden Festsetzungsverfahren (jetzt § 55 RVG) durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf die Erhöhungsbeträge beschränkt wurde. Zu einem solchen Fall verhält sich der BGH, Beschluss vom 01.03.1993 nicht15. Von der vom OLG Nürnberg zitierten Recht sprechung hat es lediglich das Oberlandesgericht Bamberg16 abgelehnt, die Prozesskostenhilfebewilligung auf die Mehrvertretungsgebühr zu beschränken. Die vom Oberlandesgericht Bamberg zum Beleg seiner Auffassung angeführte Rechtsprechung17 betrifft aber wiederum Fälle, in denen Prozesskostenhilfe unbeschränkt bewilligt worden war und erst im anschließenden Festsetzungsverfahren auf die Erhöhungsbeträge beschränkt wurde.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. Juni 2019 – II ZA 11/19
- BGH, Beschluss vom 01.03.1993 – II ZR 179/91, NJW 1993, 1715[↩]
- BGH, Beschluss vom 01.03.1993 – II ZR 179/91, NJW 1993, 1715; jetzt § 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 RVG[↩]
- OLG Koblenz, MDR 2001, 1261, 1262; MDR 2004, 1206; OLG Naumburg, OLGR 2004, 175; Bork in Stein/Jonas, 23. Aufl., § 114 Rn. 8; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 114 Rn. 7; Saenger/Kießling, ZPO, 7. Aufl., § 114 Rn. 11; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl., § 114 Rn. 11; MünchKomm-ZPO/Wache, 5. Aufl., § 114 Rn. 39; Wax, LM § 114 ZPO Nr. 37[↩]
- OLG Bamberg, OLGR 2001, 28; Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 114 Rn. 3; Fischer, JurBüro 1998, 4; Notthoff, AnwBl 1996, 611; Rönnebeck, NJW 1994, 2273[↩]
- BVerfGE 81, 347, 356 f.; NJW 2014, 1291 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 01.03.1993 – II ZR 179/91, NJW 1993, 1715, 1716; OLG Koblenz, MDR 2004, 1206; Wax, LM § 114 ZPO Nr. 37; NJW 1994, 2331, 2334; aA Notthoff, AnwBl 1996, 611, 613; Rönnebeck, NJW 1994, 2273, 2274[↩]
- vgl. OLG München, NJW-RR 1997, 191[↩]
- OLG Bamberg, OLGR 2001, 28[↩]
- OLG Koblenz, MDR 2001, 1261, 1262; OLG Naumburg, OLGR 2004, 175, 176[↩]
- vgl. BVerfG, NJW 1979, 2608, 2609[↩]
- Beschluss vom 09.06.2009 17 W 108/09, Rn. 10[↩]
- vgl. OLG Hamm, NJOZ 2014, 1098; BeckOK ZPO/Reichling, 31. Ed., § 115 Rn. 44; MünchKomm-ZPO/Wache, 5. Aufl., § 115 Rn. 51[↩]
- OLG Nürnberg, Beschluss vom 04.03.2019 2 U 853/16[↩]
- OLG Karlsruhe, JurBüro 2012, 593; OLG München, OLGR 1996, 207[↩]
- so zutreffend OLG Karlsruhe, JurBüro 2012, 593, 594; OLG Stuttgart, BeckRS 1996, 09240; MünchKomm-ZPO/Wache, 5. Aufl., § 114 Rn. 7; Notthoff, AnwBl 1996, 611, 612; Rönnebeck, NJW 1994, 2273[↩]
- OLG Bamburg, OLGR 2001, 28[↩]
- OLG Düsseldorf, MDR 1997, 1071; OLG Köln, NJW-RR 1999, 725; OLG München, OLGR 1996, 207[↩]