Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe von den Erfolgsaussichten und der persönlichen Bedürftigkeit des Antragstellers abhängig zu machen.
Das Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art.20 Abs. 3 GG nicht, dass diejenigen, die über keine materiellen Mittel verfügen, um Prozesskosten zu tragen, mit denjenigen, denen solche Mittel zur Verfügung stehen, völlig gleichgestellt werden, sondern verlangt eine weitgehende Angleichung mit denen, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägen und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigen1. Es ist deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint2. Die entsprechende Prüfung darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu verlagern. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen3. Das gilt für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ebenso wie für die Feststellung der Bedürftigkeit derjenigen, die Prozesskostenhilfe beantragen, was in § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO als weitere Voraussetzung für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe genannt ist4.
Diesen grundrechtlichen Anforderungen wurden in dem hier vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamburg5 über die Prozesskostenhilfe für den Beschwerdeführer nicht gerecht:
Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit überspannt und damit den Zugang zu den Gerichten übermäßig erschwert. Aus der Prozesskostenhilfeakte ergibt sich, dass jede Angabe des Beschwerdeführers über seine persönlichen Verhältnisse in der korrekten Höhe der zu berücksichtigenden Zahlungen und Kosten zweifelsfrei belegt ist. Diese Angaben waren in die Prüfung einzubeziehen.
Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Partei trotz Lücken im Formular darauf vertrauen darf, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichend dargetan zu haben, insbesondere wenn die Lücken durch beigefügte Unterlagen geschlossen oder Zweifel beseitigt werden können6.
Desgleichen genügt die Bezugnahme auf Bescheinigungen und eine im früheren Rechtszug abgegebene Erklärung den Darlegungsanforderungen, wenn die Verhältnisse seitdem unverändert geblieben sind und dies bei der Bezugnahme deutlich gemacht wird7.
Danach waren hier jedenfalls mit dem im November 2016 eingereichten Formular die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausreichend dargelegt. Der beanstandete Betrag zum Krankengeld war dem eingereichten Krankengeldbescheid zu entnehmen, was das Landesarbeitsgericht selbst auch tatsächlich getan hat, denn nur so konnte es feststellen, dass die Zahl im Formular und der Beleg nicht übereinstimmten. Hätte das Gericht zu diesem Zeitpunkt jedoch weiteren Aufklärungsbedarf zu den wirtschaftlichen Verhältnissen gesehen, wie etwa zu der Angabe „3, 4“ bei der Belegnummer zu den Wohnkosten, hätte es darauf hinweisen und nachfragen müssen. Dies gilt auch für den Bezug des Kindergelds, denn dieser ließ sich im weiteren Verlauf des Verfahrens ohne weiteres dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers und den beigefügten Kontoauszügen entnehmen. Desgleichen ließ sich dem eingereichten Bescheid des Jobcenters entnehmen, welche Leistungen der Kläger im Rahmen des Arbeitslosengeldes II bezog. Mit der Weigerung, all dies zu berücksichtigen, hat das Gericht den Zugang zu Rechtsschutz in unvertretbarer Weise erschwert.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 1 BvR 1975 – /18
- vgl. BVerfGE 78, 194, 117 f.; 81, 347, 357; 117, 163, 187; stRspr[↩]
- dazu BVerfGK 19, 384, 386[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 347, , 357[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.12 2007 – 1 BvR 2007/0719; Beschluss vom 03.03.2014 – 1 BvR 1671/13, Rn. 15[↩]
- LAG Hamburg, Beschlüsse vom 06.10.2017 – 8 Sa 14/16; und vom 31.07.2018 – 8 Sa 121/17[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2005 – IV ZB 21/05 8 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 16.03.1983 – IV b ZB 73/82; siehe auch Wache, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 5. Aufl.2016, § 117 Rn.19[↩]