Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (hier: für das Berufungsverfahren) ist unzulässig, wenn nicht angenommen werden kann, dass die antragstellende Partei über die für die Antragstellung erforderliche Prozessfähigkeit verfügt. Verbleiben nach Ausschöpfung sämtlicher erschließbarer Erkenntnisquellen und der (erfolglosen) Anregung, einen Betreuer zu bestellen, Zweifel an der Prozessfähigkeit, so gehen sie zu Lasten der betroffenen Partei.

In dem hier vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall streiten die Parteien über die Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG sowie klagerweiternd über diverse Feststellungs- und Zwischenfeststellungsanträge. Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren.
Bei der Prozessfähigkeit gem. § 51 Abs. 1, § 52 ZPO handelt es sich um eine zwingende Prozessvoraussetzung. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sie fehlt, hat das jeweils mit der Sache befasste Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist das Gericht nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, sondern hat den Grundsatz des Freibeweises zu beachten. Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei, hier die Klägerin, in jedem Fall als prozessfähig zu betrachten [1].
Um bei bestehenden Zweifeln die Prozessfähigkeit eines Verfahrensbeteiligten beurteilen zu können, muss ein Fachgericht sämtliche Beweismittel ausschöpfen [2]. Verbleiben nach Ausschöpfung sämtlicher erschließbaren Erkenntnisquellen, einschließlich der Erstellung eines Gutachtens, der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Anregung, einen Betreuer zu bestellen, Zweifel, so gehen sie zulasten der betroffenen Partei [3].
Eine Partei ist insoweit prozessfähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann (§ 52 ZPO). Nach § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Maßgeblich ist, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist, oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa, weil in Folge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen [4]. Die Geschäftsfähigkeit wegen einer geistigen Störung muss sich nicht auf sämtliche Geschäfte erstrecken, sondern kann auch nur für einen beschränkten Kreis von Angelegenheiten, etwa die mit einem bestimmten Streitkomplex zusammenhängenden Verfahren, ausgeschlossen sein [5].
Von Querulantenwahn kann ausgegangen werden, wenn die Vorstellung einer Partei von einer eindeutigen Beeinträchtigung eigener Rechte sich weiter intensivieren und Zweifel an der Rechtmäßigkeit der eigenen Position nicht mehr zugelassen werden, absolute Uneinsichtigkeit und Selbstgerechtigkeit sich mit einer Ausweitung des Kampfes vom ursprünglichen Gegner auf andere Menschen und Instanzen verbindet und die Partei nicht in der Lage ist, die verfahrensmäßige Behandlung ihrer Ansprüche durch die Gerichte nachzuvollziehen [6].
Dafür, dass die Klägerin im hier entschiedenen Fall unter einem solchen Wahn leidet, der ihre freie Willenserklärung ausschließt, sprechen die vom Arbeitsgericht in seinem Urteil auf den Seiten 24 bis 27 geschilderten Umstände. Auf die Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Sie verdeutlichen, dass die Klägerin offenbar nicht in der Lage ist, gerichtliche Entscheidungen, die ihren Anträgen ganz oder auch nur teilweise nicht entsprechen, hinzunehmen. Sie legt postwendend Rechtsmittel ein. Gegen nicht rechtsmittelfähige Entscheidungen wendet sie sich mit Anhörungsrügen oder Gegenvorstellungen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs besteht aus ihrer Sicht schon dann, wenn ihre Argumente keinen Erfolg hatten. Hinzukommt, dass sie Richterinnen und Richter, die ihren Anträgen nicht folgen, allein deshalb nahezu ausnahmslos wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Werden ihre Befangenheitsanträge dann zurückgewiesen, führt dies regelmäßig zu Anhörungsrügen und weiteren Befangenheitsanträgen gegen die Richterinnen und Richter, die über die Befangenheitsanträge zu entscheiden hatten. In diesem Verfahren hat die Klägerin die mit der Sache befassten Vorsitzenden jeweils mindestens dreimal abgelehnt. Das begründet die Überzeugung, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, zu akzeptieren, dass ihr Rechtsbegehren erfolglos sein könnte. Diese fehlende Reflektion führt dazu, dass sie immer weitere Anträge stellt. Den Richterinnen und Richtern, die nicht in ihrem Sinne entscheiden, unterstellt die Klägerin regelmäßig, dass sie rechtswidrig oder willkürlich handelten und dass sie lügen.
In ihrer Antragsschrift vom 06.03.2020 setzt sich dieses vom Arbeitsgericht ausführlich geschilderte Verhalten fort. Die Klägerin behauptet, das Urteil des Arbeitsgerichts beruhe auf Lügen, Grundrechtsverletzungen und Gesetzesverletzungen. Die Urteile des Landesarbeitsgerichts Hamburg werden als gesetzwidrig und diskriminierend bezeichnet. Darin würde die Klägerin, für ihre Grundrechtsausübungen und Meinungsäußerungen beschuldigt. Die Einholung des Gutachtens durch das Arbeitsgericht sei gesetzwidrig ohne Gründe erfolgt. Die Klägerin mutmaßt, dass der Gutachter Herr Prof. Dr. W. ihre Prozessfähigkeit einzig deswegen angegriffen habe, weil sie seine Kollegin Frau Dr. L. fachlich medizinisch scharf kritisiert habe. In dem Urteil werde über „Ausmaß“ und „Absolutheit“ ihrer Handlungen gelogen, weil zahlreiche Feststellungen der anderen Gerichte andere Umstände bestätigten. Auch auf den Seiten 24 und 34 des Urteils werde gelogen über ihre Äußerungen. Ferner werde gelogen, dass sie in der Verhandlung nicht verhandelt habe. Das Urteil verkenne das Recht und Gesetz in krasser Weise, indem es ihre Rügen des persönlichen Verhaltens des Richters für Vorwürfe ihrer Prozessfähigkeit verwende. Das Arbeitsgericht sei rechtswidrig und arglistig vorgegangen, indem es ihr Prozesskostenhilfe einzig mit den Vorwürfen zur Sache selbst versagt und die Entscheidung völlig losgelöst von dem Sachverhalt erfasst habe und die Verhandlung zur Sache im Termin am 04.02.2020 verboten habe.
Auch den Vorsitzenden der erkennenden Kammer hat die Klägerin in ihrer Antragsschrift (erneut) abgelehnt und geltend gemacht, er habe die tatsächliche Betätigung des gravierend gesetzwidrigen Vorgehens des Vorgerichts unterstützt. Mit seiner Unterstützung habe das Vorgericht Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug einzig mit den Vorwürfen ihrer Klage selbst versagt und das Verfahren über Vorwürfe ihrer Prozessfähigkeit ausdrücklich außer Betracht gelassen. Damit sei ihr die Verteidigung gegen falsche Beschuldigungen und Beleidigungen unzumutbar gemacht worden. Die Gesetzwidrigkeiten des Arbeitsgerichts habe der Vorsitzende unterstützt und damit ihre Verteidigung in der Vorinstanz behindert.
Im Ergebnis spricht das gesamte Handeln der Klägerin im ersten Rechtszug sowie im Antragsverfahren für das Bestehen eines Querulantenwahns.
Die bei der Akte befindlichen Gutachten der Sachverständigen Dr. L. und Prof. Dr. W. vermochten die festgestellten Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin nicht zu zerstreuen. Im Gegenteil: Die Gutachten verstärken die Zweifel sogar. Damit sind sämtliche erreichbaren Beweismittel zur Beurteilung der Prozessfähigkeit der Klägerin ausgeschöpft. Es liegen zwei Sachverständigengutachten vor, die die Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin verstärken, auch wenn die Gutachterin und der Gutachter die Klägerin nicht persönlich untersuchen konnten. Ihre Untersuchung durch den Gutachter Prof. Dr. W. hat die Klägerin in dem Parallelverfahren ausdrücklich abgelehnt („einmal und endgültig“). In diesem Zusammenhang hat sie ihr oben geschildertes Verhalten fortgesetzt und die Richterin, die den Gutachter bestellt hatte, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Klägerin hat ferner geschrieben, dass sie keine Untersuchung wünsche und keine benötige, man dürfe sie nicht damit belästigen.
Auf die Bestellung einer Betreuungsperson ist intensiv aber erfolglos hingewirkt worden. Bereits das Arbeitsgericht hatte die Klägerin zu Zweifeln an ihrer Prozessfähigkeit angehört und eine Betreuung angeregt. In der mündlichen Verhandlung ist nochmals eine Betreuung angeregt worden. Dazu hat die Klägerin erklärt, dass aufgrund der Diskussion über dieses Thema ganz offensichtlich werde, dass ein Betreuer nicht notwendig sei. Der Vorsitzende missachte ihren Vortrag, wonach das Betreuungsgericht bereits gesagt habe, dass sie keiner Betreuung bedürfe. Erkennbar rückt die Klägerin von dieser Position nicht ab.
Da die begründeten Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin nicht ausgeräumt sind, ist zu ihren Lasten von Prozessunfähigkeit auszugehen. Die Klägerin ist offenbar auch nicht Willens, die Hilfe einer Betreuung in Anspruch zu nehmen.
Landesarbeitsgericht Schleswig ‑Holstein, Beschluss vom 22. Oktober 2020 – 6 Sa 104/20
- BAG, 05.06.2014 – 6 AZN 267/14 – Rn 13[↩]
- BVerfG, 16.06.2016 – 1 BVR 2509/15 – Rn 14[↩]
- BGH, 04.11.1999 – III ZR 6/98 – Rn. 10[↩]
- BAG, 05.06.2014 – 6 AZN 267/14, Rn 15[↩]
- BGH, 04.11.1999 – III ZR 306/98, Rn 15; BAG, 20.01.2000 – 2 AZR 733/98[↩]
- LAG Hamburg, 18.04.2018 – 6 Sa 13/15; 09.08.2017 – 3 Sa 50/16; LAG München 23.05.2019 – 7 Sa 683/17[↩]
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