Eine prozessuale Kostenerstattung von zuvor auf materiell-rechtlicher Grundlage erfolglos eingeklagten Kosten eines Privatgutachters scheidet aus, wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch mit der Begründung abgewiesen worden ist, mit der der Anspruch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird (hier: Erforderlichkeit eines Privatgutachtens).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum wird verbreitet die Auffassung vertreten, die rechtskräftige Abweisung eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs stehe einer prozessualen Kostenerstattung nicht entgegen1. Begründet wird diese Ansicht insbesondere damit, dass die Voraussetzungen von materiellrechtlichen und prozessualen Kostenerstattungsansprüchen nicht identisch seien2, weswegen der Abweisung des materiellrechtlichen Anspruchs keine präjudizielle Wirkung für die prozessuale Kostenerstattung zukomme.
Der Bundesgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung für den umgekehrten Fall des Verhältnisses der prozessualen zur materiellrechtlichen Kostenerstattung die Ansicht, dass eine prozessuale Kostenentscheidung grundsätzlich nicht erschöpfend ist, sondern Raum für die Durchsetzung materiellrechtlicher Ansprüche auf Kostenerstattung – etwa aus Vertrag, Verzug oder unerlaubter Handlung – lasse3. Ein materiellrechtlicher Anspruch kann danach je nach Sachlage neben die prozessuale Kostenregelung treten, er kann ihr sogar entgegengerichtet sein, sofern zusätzliche Umstände hinzukommen, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden konnten. Bleibt hingegen der Sachverhalt, der zu einer abschließenden prozessualen Kostenentscheidung geführt hat, unverändert, geht es nicht an, nunmehr den gleichen Sachverhalt erneut zur Nachprüfung zu stellen und in seinen kostenrechtlichen Auswirkungen materiellrechtlich entgegengesetzt zu beurteilen. Dies dient dazu, Unterschiede zwischen auf gleichem Sachverhalt beruhenden Entscheidungen über den materiellrechtlichen Anspruch einerseits und den prozessualen Kostenerstattungsanspruch andererseits zu vermeiden4. Der mit der Entscheidung über den Kostenerstattungsanspruch eingetretene Rechtsfriede kann nicht nachträglich wieder mit der Begründung beseitigt werden, die Kostenentscheidung sei nach sachlichem Recht eigentlich ungerechtfertigt, sofern nicht die gesetzliche Regelung ihrerseits Korrekturmöglichkeiten vorsieht5.
Von diesen Grundsätzen ist auch für den Fall auszugehen, dass im Anschluss an die Abweisung einer auf materiellrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützten Kostenerstattungsklage eine prozessuale Kostenerstattung geltend gemacht wird.
Der Bundesgerichtshof muss nicht entscheiden, ob – wofür viel spricht – ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch dann begründet sein kann, wenn er auf Gründe gestützt wird, die für die Abweisung des materiellrechtlichen Anspruchs nicht tragend waren6.
Waren die vorgebrachten Gründe nicht ausreichend, den materiellrechtlichen Anspruch zu stützen und sind die Anspruchsvoraussetzungen im Kostenfestsetzungsverfahren keine für den Anspruchsteller günstigeren, so ist eine erneute Entscheidung über den Kostenerstattungsanspruch nicht möglich. Dem steht die insoweit bindende Entscheidung des Gerichts über den materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch entgegen, ohne dass es darauf ankäme, ob dies bereits aus der Rechtskraft dieser Entscheidung herzuleiten wäre.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte das Landgericht die auf Erstattung der Privatgutachterkosten gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, für den Kläger habe keine hinreichende Veranlassung für das Einholen eines weiteren, dritten Gutachtens bestanden. Wenn der Kläger neben dem laufenden selbständigen Beweisverfahren und nach Einholung eines ersten Privatgutachtens der Auffassung sei, ein drittes Gutachten zu benötigen, beruhe dies allein auf seiner freien Willensentschließung und sei nicht mehr adäquat kausal auf die Mängel des Werkes zurückzuführen. Bei verständiger Auslegung dieser Begründung hat das Landgericht den ausschlaggebenden Grund für die Abweisung der Privatgutachterkosten darin gesehen, dass diese nicht erforderlich bzw. notwendig waren. Beruht eine Klageabweisung auf der mangelnden Erforderlichkeit von Privatgutachterkosten, besteht kein Anlass, die Frage ihrer Notwendigkeit erneut unter dem Maßstab prozessualer Kostenerstattung zu prüfen7. Die Frage der Notwendigkeit der Kosten ist daher im Verhältnis der Parteien als endgültig entschieden anzusehen. Ob die Gutachterkosten zu Recht abgewiesen worden sind, entzieht sich damit einer Überprüfung durch den Bundesgerichtshof.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2012 – VII ZB 95/09
- vgl. OLG Koblenz, MDR 2009, 471 f.; JurBüro 1992, 475 f.; LAG Berlin, MDR 2002, 238 f.; OLG München, NJW-RR 1997, 1294; MDR 1976, 846; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 88 f.; Musielak/Wolst, ZPO, 8. Aufl., vor § 91 Rn. 17 a.E.; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., vor § 91 Rn. 11; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., vor § 91 Rn. 13; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., Vorbem. § 91 Rn. 16; BeckerEberhard, JZ 1995, 814, 816; Mümmler, JurBüro 1983, 284; a.A. wohl OLG Nürnberg, MDR 1977, 936 f., und OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 283 f.[↩]
- vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 24.04.1990 VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 170 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 18.05.1966 Ib ZR 73/64, BGHZ 45, 251, 257; vom 19.10.1994 I ZR 187/92, NJW-RR 1995, 495; vom 22.11.2001 VII ZR 405/00, BauR 2002, 519 = ZfBR 2002, 250; vom 16.02.2011 VIII ZR 80/10, NJW 2011, 2368, 2369[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.10.1994 I ZR 187/92, aaO; Urteil vom 22.11.2001 VII ZR 405/00, BauR 2002, 519 = ZfBR 2002, 250[↩]
- BGH, Urteil vom 18.05.1966 – Ib ZR 73/64, aaO[↩]
- vgl. dazu MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 91 ff. Rn. 22 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., Übers § 91 Rn. 51; Schneider, MDR 1981, 353, 357 f.; Loritz, Die Konkurrenz materiellrechtlicher und prozessualer Kostenerstattung, S. 79[↩]
- ebenso MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 91 ff. Rn. 23[↩]