Reisekosten sind notwendige Kosten iSv. § 91 Abs. 1 ZPO, wenn eine Partei in der konkreten Lage die die Kosten verursachende Reise vernünftigerweise als sachdienlich ansehen darf1. Dabei ist jede Prozesspartei verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle eines Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Diese Verpflichtung beherrscht als Ausdruck von Treu und Glauben das gesamte Kostenrecht2.

Erscheint die Partei nicht selbst, sondern entsendet sie einen Prozessbevollmächtigten, sind die durch diesen entstehenden Kosten im Rahmen hypothetisch berechneter Reisekosten, die der Partei sonst entstanden wären, grundsätzlich erstattungsfähig3. Zwar sind nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG die Kosten für die Beiziehung eines Prozessbevollmächtigten erstinstanzlich nicht erstattungsfähig. Durch diese Regelung soll das Kostenrisiko der Partei begrenzt werden. Sie soll aber nicht dadurch begünstigt werden, dass die erstattungsberechtigte Gegenpartei nicht selbst erscheint, sondern einen Prozessbevollmächtigten entsendet. Das folgt aus dem vom Gesetz verfolgten Zweck, die durch einen Prozessbevollmächtigten eintretende Verteuerung des Prozesses zu verhindern, nicht jedoch Kostenerstattungsansprüche schlechthin auszuschließen4. Alle außergerichtlichen Kosten der Partei, die nicht in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG genannt sind, bleiben erstattungsfähig5.
(Hypothetische) Reisekosten der Partei vom Sitz des Unternehmens zum Gerichtsort können auch dann notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO sein, wenn der Rechtsstreit am Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses geführt wird.
Die prozessuale Möglichkeit, Klagen gemäß § 29 Abs. 1 ZPO am Erfüllungsort oder in arbeitsrechtlichen Verfahren am gewöhnlichen Arbeitsort gemäß § 48 Abs. 1a ArbGG erheben zu können, besagt noch nichts über den Umfang der Kostentragungspflicht nach § 91 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Gerichtsstandsregelungen haben keinen kostenrechtlichen Bezug. Auch aus § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der diesen kostenrechtlichen Bezug hat, folgt für die vorliegende Konstellation keine Besonderheit. Diese Norm schließt im ersten Rechtszug nur einen Entschädigungsanspruch der obsiegenden Partei wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten aus. (Hypothetische) Reisekosten der obsiegenden Partei werden von dieser Regelung nicht berührt. Insoweit bleibt es bei dem oben geschilderten Grundsatz eines Kostenerstattungsanspruchs der obsiegenden Partei in Verbindung mit dem Erfordernis eines möglichst kostenschonenden Vorgehens.
Danach wird die Notwendigkeit von Reisekosten der Partei zum Gerichtsstand des Erfüllungsorts häufig ausgeschlossen sein. Dies ist aber nicht zwingend der Fall. Für die Frage der Notwendigkeit der Reisekosten im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO kommt es darauf an, ob eine ordnungsgemäße Prozessführung durch Mitarbeiter der Partei am Ort des Prozessgerichts möglich wäre6. Dabei ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen1.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. August 2015 – 10 AZB 27/15
- vgl. BAG 21.01.2004 – 5 AZB 43/03, zu II 1 der Gründe[↩][↩]
- vgl. BAG 14.11.2007 – 3 AZB 36/07, Rn. 11; BGH 2.05.2007 – XII ZB 156/06, Rn. 12 f.[↩]
- vgl. GMP/Germelmann 8. Aufl. § 12a Rn. 22; GK-ArbGG/Schleusener Stand Juni 2015 2013 § 12a Rn. 46; Schwab/Weth/Vollstädt ArbGG 4. Aufl. § 12a Rn. 25[↩]
- vgl. Schaub Arbeitsgerichtsverfahren 7. Aufl. § 49 Rn. 12[↩]
- vgl. Schwab/Weth/Vollstädt ArbGG § 12a Rn.19[↩]
- vgl. Zöller/Herget ZPO 30. Aufl. § 91 Rn. 13 Arbeitsgerichtsverfahren; ErfK/Koch 15. Aufl. § 12a ArbGG Rn. 4[↩]