Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht zwar, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, gewährt jedoch keinen Schutz dagegen, dass der Sachvortrag der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das ihm unterbreitete Vorbringen der Parteien auch zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Parteien in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das Bundesverfassungsgericht kann nur dann feststellen, dass ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt1.

In einer jetzt vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfassungsbeschwerde ging es um ein Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen, in dem der Amtsrichter in einem Zivilprozess, in dem es um die Wandelung eines per Internet geschlossenen Kaufvertrages wegen eines – strittigen – Sachmangels ging, den vorsorglich nach den Regeln über den Fernabsatzvertrag erklärten Widerruf nicht zur Kenntnis nehmen wollte:
Mit dem angegriffenen Urteil hat das Amtsgericht das rechtliche Gehör verletzt, indem es den bereits mit dem Schriftsatz vom 27. Oktober 2008 durch den Beschwerdeführer ausdrücklich erklärten Widerruf des Kaufvertrages nicht berücksichtigt hat. In dem genannten Schriftsatz hat der Beschwerdeführer nicht nur den Widerruf erklärt, sondern darüber hinaus Umstände vorgetragen, nach denen ein wirksamer Widerruf nach den für Fernabsatzverträge geltenden Bestimmungen der §§ 312b ff., § 355 BGB sowie ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB in Betracht gekommen ist. Dementsprechend hätte das Amtsgericht unter Berücksichtigung dieses Vorbringens des Beschwerdeführers der Klage stattgeben, jedenfalls aber nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den Gesichtspunkt des Widerrufs nach den für Fernabsatzverträge geltenden Bestimmungen hinweisen sowie nach § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 2 ZPO eventuell auf die Vervollständigung und Konkretisierung des das Widerrufsrecht betreffenden Vorbringens hinwirken müssen. In den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ist das Amtsgericht auf den Gesichtspunkt eines Widerrufs nach den für Fernabsatzverträge geltenden Bestimmungen dennoch nicht eingegangen, sondern hat sich nur mit Ansprüchen wegen Sachmängelgewährleistung und ungerechtfertigter Bereicherung auseinandergesetzt. Auch auf Ausführungen eines für den Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aufgetretenen Unterbevollmächtigten zu den §§ 355, 357 BGB ist das Amtsgericht nicht eingegangen.
Dieses Vorgehen des Amtsgerichts findet weder im materiellen Recht noch im Prozessrecht eine Stütze. Insbesondere kann sich das Amtsgericht nicht auf die objektiven Grenzen des Streitgegenstandes berufen. Denn maßgebend sind insofern der Sachantrag des Klägers und der von diesem zur Begründung desselben vorgetragene Sachverhalt2. Hier hatte der Beschwerdeführer – der Rechtsfolge des § 346 Abs. 1 BGB entsprechend – Rückzahlung des der Beklagten überwiesenen Kaufpreises begehrt und sich zur Begründung nicht nur auf Sachmängelgewährleistung und ungerechtfertigte Bereicherung berufen, sondern außerdem höchstvorsorglich den Widerruf erklärt und Umstände vorgetragen, nach denen ein Fernabsatzvertrag vorlag, jedenfalls aber in Betracht kam. Das Amtsgericht hat das Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht ohne weiteres so auslegen dürfen, dass in der Erklärung, der Kaufvertrag werde höchstvorsorglich widerrufen, kein Widerruf zu sehen ist. Zum einen steht dem der Wortlaut der Erklärung entgegen. Zum anderen entspricht eine Lösung vom Vertrag im Wege eines Widerrufs dem erklärten Interesse des Beschwerdeführers ebenso wie der vom Amtsgericht allein erwogene Rücktritt nach den Bestimmungen über die Sachmängelgewährleistung. Mit Rücksicht hierauf hätte das Amtsgericht die Erklärung des Beschwerdeführers entweder dem Wortlaut und dem dahinter stehenden Interesse folgend als Widerruf auslegen oder hinsichtlich der Bedeutung der Erklärung von seinem Fragerecht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 ZPO Gebrauch machen müssen.
Im Hinblick auf diese besonderen Umstände ist hier davon auszugehen, dass das Amtsgericht bei der Abweisung der Klage mit dem angegriffenen Urteil nicht nur auf eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zum Widerruf des Kaufvertrages in den Entscheidungsgründen verzichtet hat, sondern das betreffende Vorbringen nicht in Erwägung gezogen hat.
Und wie dieser Fall zeigt, schafft es ein Zivilrichter auch, selbst bei Zurückweisung einer Anhörungsrüge noch eine weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs zu fabrizieren:
Mit dem die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss hat das Amtsgericht ebenfalls gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Das Amtsgericht hat den Inhalt der Rügeschrift des Beschwerdeführers insofern nicht berücksichtigt, als es die Anhörungsrüge ungeachtet des zutreffenden Hinweises auf die hinsichtlich der Widerrufserklärung maßgebende Textstelle in dem Schriftsatz vom 27. Oktober 2008 mit der offensichtlich falschen Begründung zurückgewiesen hat, der Beschwerdeführer habe den Widerruf des Vertrages erstmals im Verfahren der Anhörungsrüge behauptet. In der Rügeschrift hatte der Beschwerdeführer zutreffend das Gegenteil dargetan. Dies hat das Amtsgericht unberücksichtigt gelassen. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge beruht auf dem festgestellten Gehörsverstoß. Denn unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers in der Rügeschrift hätte das Gericht das Ausgangsverfahren fortsetzen müssen.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. Mai 2009 –