Durch die Verkündung eines Beschlusses (hier: in einem Verfahren über die elterliche Sorge) wird der Beginn der Beschwerdefrist nach fünf Monaten grundsätzlich dann nicht ausgelöst, wenn der beschwerte Beteiligte zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden ist1. Eine darüber hinausgehende Informationspflicht des beschwerten Beteiligten, der von dem Verfahren Kenntnis erlangt hat, scheidet jedenfalls dann aus, wenn ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist und er sich auch nicht auf das Verfahren eingelassen hat.

Da der angefochtene Beschluss verkündet worden ist, gilt nach § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO a.F. die Vorschrift des § 517 2. Halbs. ZPO entsprechend. Danach beginnt mangels wirksamer Zustellung des Beschlusses die einmonatige Beschwerdefrist fünf Monate nach dessen Verkündung zu laufen. Die Verkündung des Beschlusses war zulässig. Nach § 621 a Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. gelten für die Bekanntgabe des amtsgerichtlichen Beschlusses die Vorschriften der Zivilprozessordnung, mithin auch § 329 ZPO. Für die in § 329 ZPO vorgesehene Verkündung genügt es in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass eine fakultative mündliche Verhandlung stattgefunden hat2. Danach war die Verkündung des Beschlusses zulässig, nachdem das Familiengericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und durchgeführt hatte3.
Jedoch unterliegt die Anwendung des § 517 ZPO Einschränkungen, die sich aus dem Grundgedanken der Regelung ergeben.
Der Vorschrift des § 517 ZPO (vormals § 516 ZPO) liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Partei, die vor Gericht streitig verhandelt hat, mit dem Erlass einer Entscheidung rechnen muss und dass es ihr deshalb zugemutet werden kann, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine Entscheidung ergangen ist4. Eine Erkundigungspflicht scheidet demnach aus, wenn die beschwerte Partei im anberaumten Termin nicht vertreten und auch nicht ordnungsgemäß geladen worden war4.
Ob darüber hinausgehend die beschwerte Partei bereits dann eine Erkundigungspflicht trifft, wenn sie nur von der Existenz des Verfahrens Kenntnis erhalten hat, hat der Bundesgerichtshof5 offen gelassen und sich im Übrigen für die weitere Voraussetzung der Unkenntnis vom Rechtsstreit auf Rimmelspacher6 bezogen. Dieser befürwortet indessen eine auch bei fehlender Ladung eingreifende Informationslast eines Beklagten nur dann, wenn diesem die Klageschrift zugestellt wurde oder er sich auf das Verfahren eingelassen hat.
Auch nach dieser Auffassung würde demnach § 517 2. Halbs. ZPO im vorliegenden Fall nicht eingreifen, weil es an einer wirksamen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks fehlt. Dem Vater als Verfahrensbeteiligten ist das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt worden. Mangels einer ordnungsgemäßen Zustellung musste der Vater sich aber auf das Verfahren nicht einlassen. Das entspricht der Rechtslage bei der Anerkennung ausländischer Titel gemäß § 16 a Nr. 2 FGG a.F.7, welche ausscheidet, wenn einem Beteiligten das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist und er sich zur Hauptsache nicht geäußert hat.
Der weitergehenden Auffassung, dass auch die ohne Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks erlangte Kenntnis eine Informationslast begründe, kann daher nicht gefolgt werden. Denn diese würde die oben genannte Befugnis des Beteiligten, sich auf das Verfahren nicht einzulassen, in ihr Gegenteil verkehren.
Dass der Vater sich mit seinem Rechtsmittel nunmehr auf das Verfahren eingelassen hat, hat schließlich ebenfalls keine Auswirkungen, weil die Beschwerde jedenfalls rechtzeitig eingelegt und begründet worden ist. Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es demnach nicht.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. Juli 2010 – XII ZB 135/0
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 29.09.1998 – KZB 11/98, NJW 1999, 143, 144; und vom 07.07.2004 – XII ZB 12/03, NJW-RR 2004, 1651, 1652[↩]
- vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 329 Rdn. 12[↩]
- vgl. Keidel/Schmidt Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 16 Rdn. 75 f.[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 29.09.1998 – KZB 11/98, NJW 1999, 143, 144 m.w.N.; und vom 07.07.2004 – XII ZB 12/03, NJW-RR 2004, 1651, 1652[↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 01.03.1994 – XI ZB 23/93, NJW-RR 1994, 1022[↩]
- in: MünchKomm ZPO 3. Aufl. § 517 Rdn. 1, 18[↩]
- ebenso § 328 Nr. 2 ZPO und § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG[↩]
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