Rechtswahl in der Revisionsinstanz

Die Parteien können -ausnahmsweise- auch noch in der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts treffen.

Rechtswahl in der Revisionsinstanz

Nach Art. 42 Satz 1 EGBGB können die Parteien – ebenso gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Rom II-Verordnung – nach Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis entstanden ist, das Recht wählen, dem es unterliegen soll. Ein letztmöglicher Zeitpunkt der Rechtwahl ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Art. 42 EGBGB – auch nicht aus dem des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Rom II-Verordnung – noch aus Sinn und Zweck der Normen. Eine einvernehmliche Rechtswahl ist jedenfalls bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz möglich1.

Für diese Grenze spricht grundsätzlich, dass nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die tatsächliche Urteilsgrundlage wird durch das Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen. Neue Tatsachen dürfen im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden2.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO allerdings einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen3. Der Gedanke der Konzentration der Revisionsinstanz auf die rechtliche Bewertung eines festgestellten Sachverhalts verliert nämlich an Gewicht, wenn die Berücksichtigung von neuen tatsächlichen Umständen keine nennenswerte Mehrarbeit verursacht und die Belange des Prozessgegners gewahrt bleiben. In einem solchen Fall ist durch die Zulassung neuen Vorbringens im Revisionsverfahren eine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeizuführen4.

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So verhält es sich in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall: Da der gesamte Rechtstreit – einschließlich der Revisionsinstanz – von beiden Parteien auf der Grundlage deutschen Rechts geführt wurde, verursacht die Rechtswahl keine Mehrarbeit und es sind auch keine schützenswerten Belange der Parteien erkennbar, die gegen die Berücksichtigung dieser neuen, unstreitigen Tatsache im Revisionsverfahren sprächen. Da die Rechtswahl alle anderen Anknüpfungen des Art. 4 Rom II-Verordnung bzw. des Art. 40 Abs. 1 EGBGB verdrängt, kommt es auf diese Regelungen nicht an.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. August 2022 – VI ZR 1244/20

  1. vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1980 – VIII ZR 261/79, NJW 1981, 1156 f. 14[]
  2. BGH, Beschluss vom 28.05.2013 – II ZR 207/12 13 mwN; Urteil vom 14.10.2009 – XII ZR 146/08, NJW 2009, 3783 Rn. 26[]
  3. BGH, Urteil vom 23.09.2014 – VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 21; BGH, Urteil vom 14.10.2009 – XII ZR 146/08, NJW 2009, 3783 Rn. 27 mwN[]
  4. BGH, Urteile vom 14.10.2009 – XII ZR 146/08, NJW 2009, 3783 Rn. 27; vom 21.11.2001 – XII ZR 162/99, NJW 2002, 1130 13; jeweils mwN[]

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