Die vom Reisebüro veruntreute Reisepreiszahlung – und die Stornierung der Reise

Der Reiseveranstalter haftet bei Stornierung der Reise seinem Kunden im Wege des Schadenersatzes auf Rückerstattung des Reisepreises, den der Kunde an vom Reiseveranstalter gemäß § 651k Abs. 4 Satz 2 BGB mit der Vermittlung der Reise eingebundenen Reisevermittler gezahlt und den dieser veruntreut hat.

Die vom Reisebüro veruntreute Reisepreiszahlung – und die Stornierung der Reise

Den Kunden steht wegen der Stornierung der Reise durch die Reiseveranstalterin gegen diese ein Schadensersatzanspruch aus § 281 Abs. 1 und Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1 BGB auf Rückerstattung der an das Reisebüro geleisteten Reisekosten zu.

Gemäß § 651k Abs. 4 Satz 2 BGB gilt ein Reisevermittler als vom Reiseveranstalter zur Annahme von Zahlungen auf den Reisepreis ermächtigt, wenn er einen Sicherungsschein übergibt oder sonstige dem Reiseveranstalter zurechenbare Umstände gegeben sind, dass er von diesem betraut ist, Reiseverträge für ihn zu vermitteln. Dies gilt nach § 651k Abs. 4 Satz 3 BGB nicht, wenn die Annahme von Zahlungen durch den Reisevermittler in hervorgehobener Form gegenüber dem Reisenden ausgeschlossen ist. Durch § 651k Abs. 4 Satz 2 BGB wird die Vermutung für eine Anschein-Inkassovollmacht fingiert, vgl. BT-Drs. 14/5944, S. 121. Der Veranstalter muss sich die Zahlung aber nur dann zurechnen lassen, wenn er zurechenbar den Rechtschein einer Inkassovollmacht verursacht hat, wie durch Übergabe des Sicherungsscheins oder wenn der Vermittler konkludent von diesem mit der Vermittlung von Reisen betraut worden war2. Diese gesetzliche Fiktion gilt weiterhin dann nicht, wenn der Veranstalter in hervorgehobener Form die Annahme von Zahlungen durch den Vermittler ausgeschlossen hat. Hierzu reicht eine AGB-Klausel nicht aus, es bedarf vielmehr eines klaren Hinweises auf der Reisebestätigung bzw. dem Sicherungsschein, vgl. BT-Drs. 14/5944, S. 133.

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Liegen die Voraussetzungen des § 651k Abs. 4 Satz 2 BGB vor, kann der Reiseveranstalter vom Reisenden nicht noch einmal Zahlung verlangen, selbst wenn im Innenverhältnis eine Inkasso-Vollmacht tatsächlich nicht bestand und der Reisevermittler den Reisepreis nicht abführte. Der Reiseveranstalter muss trotzdem die Gegenleistung erbringen, da durch die Zahlung an den Reisevermittler Erfüllungswirkung gemäß § 362 BGB eingetreten ist4.

Gemessen an diesen Grundsätzen gilt Folgendes:

Es spricht bereits vieles dafür, dass, obwohl den Kunden zum Zeitpunkt der Zahlung nur eine Kopie des Sicherungsscheins vorlag, die Voraussetzungen des § 651k Abs. 4 Satz 2 1. Alt. BGB gegeben sind. Insofern dürfte die Reiseveranstalterin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn sie einerseits entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung Zahlungen von ihren Kunden verlangt, ohne den Originalsicherungsschein vorzulegen, andererseits sich darauf beruft, der Sicherungsschein habe nicht im Original vorgelegen. Letztlich bedarf dies im vorliegenden Fall jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

Es liegen jedenfalls die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 651k Abs. 4 Satz 2 BGB vor. Zwar kann allein aus einer bloßen Vermittlungstätigkeit noch nicht auf eine Inkassolegitimation geschlossen werden5. Zu berücksichtigen ist aber, dass vorliegend das Reisebüro – der Reisevermittler – Zugriff auf die Software der Reiseveranstalterin hatte und so die Reisebestätigung und den Sicherungsschein in Kopie ausdrucken konnte. Damit hat die Reiseveranstalterin im Interesse der Vereinfachung der Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung einen Dritten – hier das Reisebüro – mit Aufgaben betraut, die in ihrem Verantwortungsbereich liegen, so dass hier eine Vermittlung im Sinne des § 651k Abs. 4 Satz 2 BGB zu bejahen ist6.

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Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob das Reisebüro berechtigt war, den Kunden einen Nachlass auf den Reisepreis zu gewähren. Dies führt allenfalls dazu, dass die insoweit getroffene Vereinbarung nicht gegen die Reiseveranstalterin wirkt; an der Vermutung der Anscheins-Inkassovollmacht ändert dies nichts.

Der Reiseveranstalterin kommt nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 651k Abs. 4 Satz 3 BGB zugute.

Dahinstehen kann, ob der drucktechnisch nicht hervorgehobene Zusatz, dass Zahlungen nur an den Reiseveranstalter zu erfolgen haben, die Voraussetzungen, die § 651k Abs. 4 Satz 3 BGB an eine solche Erklärung stellt, erfüllt. Denn die vorgelegte Reisebestätigung, die den Kunden so zugegangen ist, beinhaltet diesen Zusatz nicht. Maßgebend ist der Empfängerhorizont. Etwaige Manipulationen des Reisebüros muss sich die Reiseveranstalterin, die sich des Reisebüros als Erfüllungsgehilfin gemäß § 278 BGB bediente, zurechnen lassen.

Da somit in Höhe der Zahlung Erfüllungswirkung nach § 362 BGB eingetreten ist, war die Reiseveranstalterin nicht berechtigt, den Reisevertrag zu stornieren. Durch die Stornierung des Reisevertrages hat sich die Reiseveranstalterin gemäß § 281 Abs. 1 und Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Den Kunden steht deswegen dem Grundsatz nach ein Anspruch auf Rückerstattung des geleisteten Reisepreises zu.

In Bezug auf die Höhe des Rückforderungsanspruches müssen sich die Kunden auch kein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten lassen.

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Zwar spricht – wie gesagt – nach dem äußeren Erscheinungsbild vieles dafür, dass die Reisebestätigung von dem Reisebüro derart manipuliert wurde, dass der Zusatz vor Anfertigung der Kopie mit einem weißen Papier abgedeckt wurde. Hierfür spricht die erkennbare schwarze Linie. Zu berücksichtigen ist aber, dass – wie sich aus der gesetzlichen Vorschrift des § 651k Abs. 4 Satz 2 BGB ergibt – es durchaus üblicher Praxis entspricht, dass Zahlungen auf den Reisepreis an Reisebüros als Vermittler geleistet werden. Zudem buchten im vorliegenden Fall die Kunden seit Jahren ihre Reisen bei diesem Reisebüro, ohne dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. Unter diesen Umständen musste sich auch nach dem äußeren Erscheinungsbild der Reisebestätigung den Kunden nicht ohne Weiteres aufdrängen, dass hier eine Manipulation durch das Reisebüro vorlag. Sie durften darauf vertrauen, dass sich das Reisebüro – wie bisher – redlich im Geschäftsverkehr verhielt. Letztlich fallen derartige Manipulationen durch den Reisevermittler in den Risikobereich des Reiseveranstalters, wenn dieser sich zur Vermittlung von Reisen Reisevermittler zum Zwecke der Ersparnis von Kosten und Arbeitsaufwand bewusst bedient und ihnen die Möglichkeit zum Zugang zu seiner Software und damit auch die Möglichkeit zu Manipulationen verschafft.

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 24. Juli 2014 – 8 U 1974 – /13

  1. LG Gera, Urteil vom 23.03.2005 – I S 427/04, RRa 2005, 171, 172; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., Rn. 592; Tonner, Der Reisevertrag, 5. Aufl., § 651k Rn. 29; Erman/Schmid, BGB, 13. Aufl., § 651k Rn. 31; MünchKomm-BGB/Tonner, 6. Aufl., § 651k Rn. 33; Staudinger/Staudinger (2011), § 651k Rn. 27; Tamm, VuR 2006, 329, 335[]
  2. Führich, a.a.O.[]
  3. Tamm, a.a.O.; Führich, a.a.O.; MünchKomm-BGB/Tonner, a.a.O.; Staudinger/Staudinger (2007), § 651k Rn. 29; a.A. Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 651k Rn. 7a[]
  4. BGH, Urteil vom 10.12.2002 – X ZR 193/99, MDR 2003, 559, 560; Tonner, a.a.O.; Tamm, a.a.O.[]
  5. Erman/Schmid, a.a.O.[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2011 – VIII ZR 279/10, ZGS 2011, 413, 414, Tz.19 zum Leasingvertrag[]
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