Revisionszulassung – und ihre Beschränkung in den Entscheidungsgründen

Eine Beschränkung der Revisionszulassung durch das Berufungsgericht muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern kann sich auch mit der hierfür erforderlichen Klarheit aus den Urteilsgründen ergeben. Das ist regelmäßig etwa dann anzunehmen, wenn die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant bezeichnete Frage lediglich einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs betrifft1.

Revisionszulassung – und ihre Beschränkung in den Entscheidungsgründen

Aus den Entscheidungsgründen eines Berufungsurteils kann sich auch mit der gebotenen Deutlichkeit ergeben, dass die Revision nur bezüglich der Partei zugelassen worden ist, zu deren Nachteil das Berufungsgericht die von ihm als klärungsbedürftig empfundene Rechtsfrage entschieden hat. Die Zulassung der Revision wirkt in diesem Fall nicht zugunsten der Partei, zu deren Gunsten die Rechtsfrage entschieden worden ist und die das Urteil aus gänzlich anderen Gründen angreift2.

Ist nach Vorstehendem die Revision nur bezüglich einer abgrenzbaren Frage und nur zugunsten der insoweit unterlegenen Partei zugelassen, kann aus dem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (hier: Nichtanwendung von § 713 ZPO) regelmäßig nicht gefolgert werden, das Berufungsgericht habe die Revision auch zu Gunsten der anderen Prozesspartei und damit vorliegend unbeschränkt zulassen wollen.

So sah der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall in dem Berufungsurteil des Landgerichts Cottbus3 nur eine beschränkte Revisionszulassung (§ 546a Abs. 1 BGB) bezüglich des abgewiesenen Anspruchs auf Zahlung einer künftigen Nutzungsentschädigung durch das Berufungsgericht:

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Der Tenor des Berufungsurteils enthält insoweit zwar keine Beschränkung der Zulassung. Allerdings kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung, die nicht schon in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthalten ist, auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Entscheidungsformel im Lichte der Urteilsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen des Urteils klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann4.

Weiter ist anerkannt, dass sich aus den Entscheidungsgründen eines Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit ergeben kann, dass die Revision nur bezüglich der Partei zugelassen worden ist, zu deren Nachteil das Berufungsgericht die von ihm als klärungsbedürftig empfundene Rechtsfrage entschieden hat. Die Zulassung der Revision wirkt in diesem Fall nicht zugunsten der Partei, zu deren Gunsten die Rechtsfrage entschieden worden ist und die das Urteil aus gänzlich anderen Gründen angreift5.

Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen hat das Berufungsgericht mit der gebotenen Eindeutigkeit die Revision nur zugunsten der Klägerin zu 1 und nur bezüglich der dieser nicht zuerkannten Nutzungsentschädigung (§ 546a Abs. 1 BGB) zugelassen.

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Es hat die Zulassung der Revision mit der aus seiner Sicht bestehenden Klärungsbedürftigkeit der Frage begründet, ob ein Anspruch auf künftige Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB von einer Gegenleistung abhänge und dies bejahend damit nicht im Wege einer Klage nach § 258 ZPO, wonach bei wiederkehrenden Leistungen auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden kann, durchgesetzt werden könne. Hierzu hat es verschiedene Stimmen aus der Literatur zitiert. Diese Frage stellt sich offensichtlich nur bei der Prüfung jenes Entschädigungsanspruchs und nicht bei dem hiervon eindeutig abgrenzbaren Streitstoff des durch die Beklagten mit ihrer Revision angegriffenen Räumungsund Herausgabeanspruchs (§ 546 Abs. 1, 2 BGB).

Entgegen der Ansicht der Revision wird diese Eindeutigkeit der Beschränkung nicht durch den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Berufungsurteil in Frage gestellt.

Das Berufungsgericht hat den Beklagten bezüglich des Räumungsanspruchs eine Abwendungsbefugnis (§ 708 Nr. 10, § 711 ZPO) eingeräumt und nicht § 713 ZPO angewandt. Aus Sicht der Revision folge hieraus, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, dass (auch) den Beklagten ein statthaftes Rechtsmittel zustehe. Da eine Nichtzulassungsbeschwerde unstatthaft sei, könne dies somit nur die auch zugunsten der Beklagten zugelassene Revision sein; denn bei einer Zulassung der Revision allein für die Klägerin zu 1 hätte nach § 713 ZPO eine Vollstreckungsabwehrmöglichkeit nicht gewährt werden dürfen.

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Mit dieser Argumentation vermag die Revision nicht durchzudringen. Zwar verweist sie insoweit zutreffend darauf, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde für die Beklagten bezüglich der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe mangels Erreichens des Beschwerdewertes, welcher sich gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem 3 1/2fachen Jahresbetrag der Nettomiete bemisst, da es sich vorliegend um ein unbefristetes Mietverhältnis handelt6, unstatthaft wäre (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Somit bestünde bei Nichtzulassung der Revision (auch) zugunsten der Beklagten für diese eine Rechtsmittelmöglichkeit nicht, mit der Folge dass gemäß § 713 ZPO das Unterbleiben der Anordnung einer Abwendungsbefugnis (§ 711 ZPO) in Betracht gekommen wäre. Hierzu hat sich das Berufungsgericht jedoch nicht erklärt und die Anordnung der Abwendungsbefugnis lediglich mit der Nennung von § 708 Nr. 10, § 711 ZPO begründet.

Aus dieser nicht begründeten Nichtanwendung von § 713 ZPO im Rahmen des Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich vorliegend keine Zweifel an der Eindeutigkeit der beschränkten Revisionszulassung zur Hauptsache. Die Ausführungen in den Urteilsgründen sind wie dargestellt hinreichend klar. Demgegenüber fehlt wie üblich eine nähere Begründung zum Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Deshalb können hieraus vorliegend Rückschlüsse auf den Umfang der Revisionszulassung nicht gezogen werden.

Die danach im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam.

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Dem Berufungsgericht ist anerkanntermaßen die Möglichkeit eröffnet, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte7. Voraussetzung hierfür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann8.

Diese Voraussetzungen liegen vor, da es sich bei dem Anspruch auf (künftige) Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB was auch die Revision nicht in Abrede stellt im Vergleich zum Räumungsund Herausgabeanspruch (§ 546 Abs. 1, 2 BGB) um einen nach Vorstehendem rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs handelt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Mai 2020 – VIII ZR 222/18

  1. im Anschluss an BGH, Urteile vom 24.10.2017 – II ZR 16/16, NJW-RR 2018, 39 Rn. 9; vom 05.12.2018 – VIII ZR 67/18 17; vom 16.01.2019 – VIII ZR 173/17, NJW-RR 2019, 787 Rn. 11; vom 11.12.2019 – VIII ZR 361/18, WM 2020, 469 Rn. 24; vom 29.04.2020 – VIII ZR 355/18, unter B – I 2 a, zur Veröffentlichung bestimmt; jeweils mwN[]
  2. im Anschluss an BGH, Urteil vom 05.11.2003 – VIII ZR 320/02, NJW-RR 2004, 426 unter II; Beschlüsse vom 08.05.2012 – XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 6; vom 27.03.2014 – III ZR 387/13 5; vom 13.05.2014 – VIII ZR 264/13 8 f.; vom 10.04.2018 – VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 11; jeweils mwN[]
  3. LG Cottbus, Urteil vom 13.06.2018 5 S 45/17[]
  4. vgl. BGH, Urteile vom 24.10.2017 – II ZR 16/16, NJW-RR 2018, 39 Rn. 9; vom 05.12.2018 – VIII ZR 67/18 17; vom 11.12.2019 – VIII ZR 361/18, WM 2020, 469 Rn. 24; vom 29.04.2020 – VIII ZR 355/18, unter B – I 2 a, zur Veröffentlichung bestimmt; jeweils mwN[]
  5. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 05.11.2003 – VIII ZR 320/02, NJW-RR 2004, 426 unter II; Beschlüsse vom 08.05.2012 – XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 6; vom 27.03.2014 – III ZR 387/13 5; vom 13.05.2014 – VIII ZR 264/13 8 f.; vom 10.04.2018 – VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 11; jeweils mwN[]
  6. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17.01.2017 – VIII ZR 178/16, WuM 2017, 162 Rn. 3 mwN[]
  7. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 295/15, NJW 2017, 2679 Rn. 13; BGH, Beschluss vom 10.04.2018 – VIII ZR 247/17, aaO Rn.20; jeweils mwN[]
  8. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 15.03.2017 – VIII ZR 295/15, aaO Rn. 14; vom 19.09.2018 – VIII ZR 261/17, WuM 2018, 758 Rn. 17; BGH, Beschluss vom 10.04.2018 – VIII ZR 247/17, aaO Rn. 21; jeweils mwN[]
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