Auch wenn über ein Ablehnungsgesuch das Gericht selbst entschieden hat, rechtfertigt die Zugrundelegung einer der Partei ungünstigen Rechtsauffassung nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO).

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat der Kläger, nachdem ihm keine Prozesskostenhilfe genehmigt worden war, Anhörungsrüge nach § 321a ZPO erhoben und geltend gemacht, es bestehe Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Gerichts. Mit Beschlüssen vom 28. April 2011 hat das Gericht in der gleichen Besetzung das Ablehnungsgesuch als unzulässig und die Anhörungsrüge teils als unzulässig, teils als unbegründet zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung der Anhörungsrüge hat der Kläger Gegenvorstellung erhoben und erneut erklärt, die namentlich genannten Richter würden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit der abgelehnten Richter aufkommen lassen1. Solche Gründe liegen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht vor.
Dass gilt zunächst im Hinblick darauf, dass die abgelehnten Richter über das erste Ablehnungsgesuch selbst befunden haben.
Die Zugrundelegung einer der Partei ungünstigen Rechtsauffassung rechtfertigt nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit. Auch auf die Rechtmäßigkeit der Rechtsanwendung kommt es regelmäßig nicht an2. Das gilt auch dann, wenn ein Gericht rechtsfehlerhaft über ein Ablehnungsgesuch selbst entschieden hat3. Allerdings gilt es zu bedenken, dass Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur den gesetzlichen Richter garantiert, sondern auch einen Richter, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet4, und dass dieser Aspekt in besonderer Weise betroffen ist, wenn über die Ablehnung von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit zu befinden ist. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund kommt die Annahme einer solchen Besorgnis in Betracht, wenn die Auslegung des Gesetzes oder dessen Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite dieser Verfassungsgarantie in grundlegender Weise verkennt5.
Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Dem das erste Ablehnungsgesuch als unzulässig zurückweisenden BGH-Beschluss liegt die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde, dass die abgelehnten Richter auch im Zivilprozess in bestimmten Fallgruppen ausnahmsweise über unzulässige Ablehnungsgesuche selbst entscheiden dürfen, dass hierzu nicht nur rechtsmissbräuchliche Gesuche zählen, sondern auch solche, mit denen ein Spruchkörper als solcher abgelehnt wird6, und dass bei der Frage, ob Letzteres der Fall ist, das Gesuch vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen ist7. Darüber hinaus wird in der Entscheidung in den Blick genommen, dass ein Ablehnungsgesuch auch dann hinreichend individualisiert sein kann, wenn es sich unterschiedslos gegen alle Angehörigen eines Spruchkörpers richtet, und dass dies in Betracht kommt, wenn die Befangenheit aus konkreten in einer Kollegialentscheidung enthaltenen Anhaltspunkten hergeleitet wird8. Die auf diesen Grundsätzen aufbauende Würdigung, das Ablehnungsgesuch sei bei der gebotenen wohlwol-lenden Auslegung gegen den Bundesgerichtshof als Spruchkörper gerichtet, ist zumindest gut vertretbar.
Die im Übrigen geltend gemachten Ablehnungsgründe greifen ebenfalls nicht durch. Ebenso wie bei der Zugrundelegung einer unzutreffenden Rechtsauffassung ist auch bei fehlerhaften verfahrensleitenden Maßnahmen nicht ohne weiteres die Annahme gerechtfertigt, der Richter stehe der Sache nicht mehr mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit gegenüber9. Besondere Umstände, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, zeigt der Kläger schon nicht auf. Das gilt insbesondere für das im Zusammenhang mit dem Antrag auf Bestellung eines Notanwalts gerügte Verhalten. Sich mit diesem Antrag zu befassen, bestand im Übrigen bislang keine Veranlassung, nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Januar 2011 ausdrücklich beantragt hat, ihm (erst) „nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch“ einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Prozessbevollmächtigten als Notanwalt beizuordnen.
Ohne Erfolg rügt der Kläger schließlich, die nach § 44 Abs. 3 ZPO eingeholten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter seien ungenügend. Soweit der Kläger die Ablehnung darauf stützt, mit der Verwerfung des ersten Ablehnungsgesuchs hätten die beteiligten Richter die Grenze zur Befangenheit überschritten, kommt es allein darauf an, ob aus der Entscheidung über das erste Ablehnungsgesuch selbst die Besorgnis der Befangenheit folgt. Die dienstliche Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO dient der Tatsachenfeststellung. Da die in Rede stehende Entscheidung vorliegt, scheidet eine weitergehende Tatsachenfeststellung aus. Von einer Würdigung des Ablehnungsgesuchs hat der abgelehnte Richter zumindest grundsätzlich Abstand zu nehmen10.
Mit Blick auf die oben erörterten Ablehnungsgründe waren dienstliche Erklärungen schon deshalb nicht notwendig, weil das von dem Kläger monierte Verhalten schon nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen11.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Oktober 2011 – V ZR 8/10
- vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rn. 8 f. mwN[↩]
- vgl. nur Zöller/Vollkommer, aaO, Rn. 28 mwN[↩]
- BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411[↩]
- BVerfG 2007, 3771, 3772 mwN[↩]
- vgl. auch BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411aaO; NJW-RR 2008, 72, 74; jeweils mwN[↩]
- BVerfG, NJW 2007, 3771, 3772[↩]
- BVerfG, aaO, S. 3773; vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2008, 72, 74[↩]
- vgl. auch BVerwGE 50, 36, 37 f. mwN[↩]
- vgl. nur MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 42 Rn. 28 ff. mwN[↩]
- vgl. BFH, NV 2000, 480 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO, § 44 Rn. 9 mwN[↩]
- zur Entbehrlichkeit dienstlicher Äußerungen bei unschlüssigen Gesuchen vgl. MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO, mwN; enger wohl Zöller/Voll-kommer, aaO, § 44 Rn. 4[↩]