Zum Umfang der Haftung eines Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall – konkret: mit der Anrechnung von Nutzungsvorteilen – hat jetzt der Bundesgerichtshof Stellung genommen:

Im entschiedenen Fall nimmt der Käufer die beklagte Herstellerin des von ihm im Jahr 2012 erworbenen VW Caddy Maxi CL 2.0 TDI auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Es wurde behindertengerecht ausgerüstet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die in dem Fahrzeug installierte Motorsteuerungssoftware erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchläuft. In diesem Fall läuft die Software in einem Modus 1, in dem die Grenzwerte für die Stickoxid-Emission nach der Euro-5-Norm eingehalten werden. Im realen Fahrbetrieb arbeitet die Motorsteuerung im Modus 0 und es erfolgt eine Zurückleitung der ausgestoßenen Stickoxide in den Ansaugtrakt des Motors in geringerem Umfang ohne Einhaltung der Grenzwerte. Nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes handelt es sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007; das Kraftfahrt-Bundesamt verpflichtete die Autoherstellerin dazu, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge mit Dieselmotoren vom Typ EA189 sicherzustellen. Ein von der Autoherstellerin daraufhin angebotenes Software-Update wurde von dem Autokäufer nach Vertragsschluss installiert.
Mit seiner Klage begehrt der Autokäufer von der Autoherstellerin zuletzt Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises von 35.539, 40 € und der für den behindertengerechten Umbau des Fahrzeugs aufgewandten Kosten von 2.668,00 €, mithin Zahlung von 38.207,40 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Oldenburg hat die Autoherstellerin – wegen Berücksichtigung gezogener Nutzungen unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt, an den Autokäufer 27.191, 57 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen1.
Mit der Berufung hat sich der Autokäufer gegen die Anrechnung der Nutzungsvorteile gewandt. Die Autoherstellerin hat ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Berufungen des Autokäufers und der Autoherstellerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen2. Dem Autokäufer stehe gegen die Autoherstellerin ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Der Autokäufer müsse sich jedoch im Wege des Vorteilsausgleichs Nutzungen anrechnen lassen. Die erwartete Gesamtlaufleistung hat es – dem Landgericht folgend – auf 300.000 km geschätzt. Der Gebrauchsvorteil errechne sich aus dem Bruttokaufpreis, multipliziert mit den von dem Autokäufer zurückgelegten Kilometern, geteilt durch die erwartete Restlaufleistung zum Erwerbszeitpunkt. Dabei hat das Oberlandesgericht Oldenburg – jeweils dem Landgericht folgend – zum Bruttokaufpreis die Kosten des behindertengerechten Umbaus des Fahrzeugs hinzugerechnet und die bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgelegten Kilometer in Ansatz gebracht. Somit ergebe sich die bereits vom Landgericht errechnete Nutzungsentschädigung in einer Höhe von 11.015,83 €, die von den Anschaffungskosten (38.207,40 €) abzuziehen sei.
Die hiergegen gerichtete Revision des Autokäufers wurde vom Bundesgerichtshof als unbegründet zurückgewiesen:
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat frei von Rechtsfehlern angenommen, dass dem Autokäufer ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog auf Erstattung des Kaufpreises und der Umbaukosten Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs3 zusteht, im Wege der Vorteilsanrechnung aber der Kaufpreis um die von dem Autokäufer gezogenen Nutzungen zu reduzieren ist. Die insoweit von der Revision u.a. erhobenen Einwände, mit der Vorteilsanrechnung würden die Präventionswirkung des Deliktsrechts verfehlt, das Gebot unionsrechtskonformer Rechtsanwendung verletzt, die Autoherstellerin unangemessen entlastet und gesetzliche Wertungen missachtet, greifen nicht durch4.
Die vom Oberlandesgericht Oldenburg bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile zugrunde gelegte Berechnungsmethode greift die Revision nicht an. Sie ist auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Oberlandesgericht Oldenburg zugrunde gelegte Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 km wird von der Revision ebenfalls nicht angegriffen und ist schon deshalb revisionsrechtlich hinzunehmen.
Der Einwand der Revision, der errechnete Nutzungsvorteil sei zumindest erheblich herabzusetzen, weil die Fahrzeugnutzung rechtlich unzulässig (gewesen) sei, verfängt nicht, da es im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf die tatsächlich gezogenen Vorteile ankommt5.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. März 2021 – VI ZR 147/20
- LG Oldenburg, Urteil vom 31.05.2019 – 4 O 3508/18[↩]
- OLG Oldenburg, Urteil vom 13.12.2019 – 6 U 182/19, BeckRS 2019, 41968[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn.13 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff. mwN; und vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 78 ff.; vom 19.01.2021 – VI ZR 8/20 14 mwN[↩]
Bildnachweis:
- VW Caddy Maxi: Rudolf Stricker | CC BY-SA 3.0 Unported