Schadenspauschalierung im Freizeitbad

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage der Unwirksamkeit einer in allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreibers eines Freizeitbades enthaltenen Schadenspauschalierung für den Fall zu befassen, dass ein dem Kunden zum erleichterten Bezug von Leistungen übergebenes Armband mit Chip verloren geht:

Schadenspauschalierung im Freizeitbad

Dabei ging es um ein überregional bekanntes Freizeitbad. Der Eintritt für das Bad ist beim Betreten zu zahlen. Für weitere Leistungen stellt die Freizeitbadbetreiberin den Kunden ein Armband mit einem Chip zur Verfügung, der auch zum Öffnen und Verschließen eines Garderobenschranks dient. Kunden, die eine Leistung (Getränke, Essen, Sonderleistungen) in Anspruch nehmen, müssen den Chip scannen lassen, was im zentralen Computer der Betreiberin des Freizeitbades erfasst und auf einem entsprechend eingerichteten Kundenkonto verbucht wird. Bis zur Grenze von 150 € für Erwachsene und 35 € für Kinder können die Kunden Leistungen in Anspruch nehmen, die unter Vorlage des Chips erst beim Verlassen des Bades zu bezahlen sind. Die Kunden können die Kreditlinie erhöhen oder ermäßigen lassen. Die Einzelheiten der vertraglichen Nutzung sind durch von der Betreiberin des Freizeitbades verwendete allgemeine Geschäftsbedingungen (im Folgenden: AGB) bestimmt. Der Kläger beanstandet die darin enthaltene Regelung für einen Verlust des Armbands. Die betreffende Klausel hat folgenden Wortlaut:

„3.08. Bei Verlust des […] Armbandes mit Chip hat der Besucher den jeweils […] eingeräumten Kredit zu entrichten. Dem Besucher bleibt der Nachweis eines niedrigeren, [der Betreiberin des Freizeitbades] der Nachweis eines höheren Schadens vorbehalten. Der Besucher kann den Nachweis insbesondere dadurch führen, dass er die ihm zugewiesene Nummer des Garderobenschranks glaubhaft macht, mit der der Stand des Kontos […] ermittelt werden kann.“

Das Brandenburgische Oberlandesgericht1 sah diese Klausel als unwirksam an, da sie gegen § 309 Nr. 5 lit. a BGB verstoße. Dadurch, dass die Freizeitbadbetreiberin bei Verlust des Chips 150 € bzw. (bei Kindern) 35 € fordere, beanspruche sie einen pauschalierten Schadensersatz, der den gewöhnlichen Schaden übersteige. Der Bundesgerichtshof bestätigte nun diese Entscheidung und beurteilte die Klausel als sowohl nach § 309 Nr. 5 lit. a BGB wie auch nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

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Die Klausel ist nach § 309 Nr. 5 lit. a BGB unwirksam, weil der auf die Höhe des vollen Kreditbetrages (150 € bzw. 35 €) pauschalierte Schadensersatz nach den vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die in Nr. 3.8 AGB geregelte Zahlungspflicht des Kunden gegenüber der Betreiberin des Freizeitbades als Schadensersatzpflicht einzuordnen ist.

Entgegen ihrer allerdings schon nicht eindeutigen Eingangsformulierung begründet die Klausel weder einen Anspruch auf Rückzahlung („Entrichtung“) eines Kredits noch eine pauschalierte Entgeltforderung. Denn durch die Aushändigung des Armbands räumt die Freizeitbadbetreiberin dem Kunden noch keinen Kredit ein. Vielmehr bietet die Freizeitbadbetreiberin nur die Möglichkeit einer Kreditierung an. Ob der Kunde von dem Angebot Gebrauch macht, hängt davon ab, ob er mit Hilfe des betreffenden Chips auch Leistungen (oder Waren) von der Betreiberin des Freizeitbades bezieht. Eine Kreditierung findet somit erst bei Inanspruchnahme von Leistungen statt und besteht darin, dass die Freizeitbadbetreiberin dem Kunden das für die erbrachten Leistungen geschuldete Entgelt bis zum Verlassen des Bades stundet. Dass es sich bei dem Anspruch nach Nr. 3.8 AGB um einen Schadensersatzanspruch handelt, wird dadurch bestätigt, dass die Klausel in Satz 2 ausdrücklich den Nachweis eines abweichenden Schadens vorsieht. Der Schadensersatzanspruch ergibt sich aus einer Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht zur Rückgabe des Armbands mit Chip und beruht mithin auf § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB.

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Der Schadensersatzcharakter des mit der Klausel vereinbarten Anspruchs wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Dem auf den Verlustfall zugeschnittenen Anspruch kommt indessen insoweit entgegen dem Berufungsurteil – auch nicht teilweise Entgeltfunktion zu. Denn die vor dem Verlust noch vom Kunden selbst in Anspruch genommenen Leistungen lassen sich wegen des nicht vorliegenden Chips nicht ermitteln. Auch insoweit handelt es sich demnach um einen durch die Klausel pauschalierten Schadensersatz. Sind die in Anspruch genommenen Leistungen des Kunden hingegen auf andere Weise als durch Vorlage des Chips zu ermitteln, so mangelt es an einem Schaden der Betreiberin des Freizeitbades, weil diese insoweit ihren vertraglichen Entgeltanspruch geltend machen kann.

Aufgrund der Qualifikation von Nr. 3.8 Satz 1 AGB als Schadensersatzanspruch verbietet sich entgegen der Ansicht der Revision aber auch eine Gleichsetzung mit einem Kleinbetragsinstrument nach § 675 i BGB (etwa einer Geldkarte), bei dem das Verlustrisiko bis zu dem vom Zahlungsdienstleister eingeräumten Betrag (bis zu 200 €) dem Zahlungsdienstnutzer (Kunden) auferlegt werden kann (§ 675 i Abs. 2 Nr. 3 BGB; vgl. Staudinger/Omlor BGB [2012] § 675 i Rn. 8 f.). Dies ergibt sich abgesehen von der nicht vergleichbaren Vertragsgrundlage (vgl. § 675 c Abs. 1 BGB) bereits daraus, dass die streitgegenständliche Klausel das Risiko eines Verlusts gerade nicht vollständig auf den Kunden verlagert. Der Chip hat dementsprechend nicht die Funktion eines Bargeldersatzes, bei dem der Verlust des Chips dem Verlust einer entsprechenden Bargeldmenge gleichkäme. Durch den Chip wird vielmehr dem Kunden lediglich ermöglicht, auf bequeme Weise die Leistungen der Betreiberin des Freizeitbades in Anspruch zu nehmen. Der Chip dient sodann als Hilfsmittel zur Feststellung des angefallenen Entgelts. Nicht schon bei Übergabe des mit dem Chip versehenen Armbands, sondern erst mit der Inanspruchnahme von Leistungen (oder Bezug von Waren) erlangt der Kunde eine (entgeltliche) Leistung der Betreiberin des Freizeitbades. Da die beanstandete Klausel dementsprechend keine mit der Übergabe des Armbands verbundene vollständige Risikoverlagerung auf den Kunden, sondern (nur) dessen Schadensersatzpflicht für den Fall des Verlusts vorsieht, muss sie den Anforderungen des § 309 Nr. 5 BGB genügen.

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Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, dass der von der Klausel vorgesehene Schadensersatz den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Das hält den Angriffen der Revision stand.

Die Beweislast für einen dem pauschalierten Betrag nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden trägt der Klauselverwender2. Zwar ist die Regelung in § 309 Abs. 1 Nr. 5 lit. a BGB an § 252 Satz 2 BGB orientiert und eröffnet dem Klauselverwender eine entsprechende Beweiserleichterung dahingehend, dass der Schaden nicht in jedem konkreten Fall erreicht werden muss. Der Verwender muss aber nachweisen, dass der vereinbarte Betrag dem typischen Schadensumfang entspricht3. Auch gemessen an diesem erleichterten Maßstab hat das Brandenburgische Oberlandesgericht nicht feststellen können, dass der pauschalierte Schaden dem typischen Schadensumfang entspricht.

Das Freizeitbad rügte insoweit, das Brandenburgische Oberlandesgericht habe ihr Vorbringen übergangen, in der Saison Oktober 2010 bis März 2011 sei das pauschalierte Entgelt nur von vier der insgesamt 475.228 Besucher (rund 0, 001 %) erhoben worden. Dieses Vorbringen stellt die angefochtene Entscheidung aber nicht in Frage.

Ein der Betreiberin des Freizeitbads aus dem Verlust des Chips entstehender Schaden folgt daraus, dass sie die Entgeltforderungen für die von ihr erbrachten Leistungen nicht ermitteln und geltend machen kann. Ohne den Chip ist die Freizeitbadbetreiberin nicht ohne weiteres in der Lage, die unter Verwendung des Chips in Anspruch genommenen Leistungen festzustellen. Dabei kann es sich um Leistungen an den Kunden oder einen Dritten handeln, der von dem Chip befugt oder unbefugt Gebrauch gemacht hat.

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Der von der Betreiberin des Freizeitbades geltend gemachte Betrag in Höhe der jeweiligen Kreditlinie entspricht hingegen dem maximal denkbaren Schaden und würde daher voraussetzen, dass im Fall des Verlusts regelmäßig Leistungen im Umfang des gesamten mit dem Chip eingeräumten Höchstbetrags in Anspruch genommen wurden. Das mag zwar im von der Betreiberin des Freizeitbades angeführten Einzelfall nahe liegen. In die Betrachtung sind aber nicht nur die Fälle einzubeziehen, in denen die Freizeitbadbetreiberin ihren Kunden den Höchstbetrag berechnet hat. Vielmehr sind entsprechend dem Geltungsbereich der Schadenspauschalierung sämtliche Verlustfälle in den Blick zu nehmen. Diese belaufen sich nach dem Vortrag der Badbetreiberin nicht nur auf vier Personen (rund 0,001 %), sondern auf 0, 1 % der Kunden, also jedenfalls über 400 Personen pro Saison. Die Revisionserwiderung macht zu Recht geltend, dass der diesbezügliche Vortrag der Betreiberin des Freizeitbades, die allermeisten Kunden hätten (über die zugewiesene Schranknummer) einen niedrigeren Schaden nachweisen können, demnach sogar das Gegenteil belegt, dass namentlich der Maximalschaden im Regelfall gerade nicht erreicht wird. Dass die Freizeitbadbetreiberin bemüht ist, die Anwendung der Klausel auf naheliegende Betrugsversuche zu beschränken4 und es redlichen Kunden in der Regel möglich ist, einen geringeren Schaden nachzuweisen, ändert indessen nichts an dem aufgrund der weiten Fassung der Klausel wesentlich weitergehenden Anwendungsbereich. Ob die vom Oberlandesgericht angeführten Möglichkeiten der Entstehung eines geringeren Schadens erschöpfend sind und jede für sich genommen die Entstehung des Maximalschadens überzeugend ausschließt, kann demnach offenbleiben. Denn die Klausel erfasst sämtliche Verlustfälle. Der vereinbarte Ersatz des Maximalschadens übersteigt auch nach dem Vorbringen der Betreiberin des Freizeitbades den nach dem gewöhn- lichen Lauf der Dinge entstehenden Schaden deutlich5.

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Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Annahme des Oberlandesgerichts, die Klausel begründe eine Haftung auch für einen unverschuldeten Verlust und sei damit auch wegen Verstoßes gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung der Klausel, dass der durch diese begründete Schadensersatzanspruch nicht verschuldensabhängig ist, wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es ein wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz regelmäßig nur bei schuldhaftem Verhalten besteht. Dieser allgemeine Grundsatz des Haftungsrechts gilt als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots gleichermaßen für vertragliche wie für gesetzliche Ansprüche6, mithin auch für den hier berührten Anspruch aus Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, vermag die Revision auch keinen vergleichbaren verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch aufzuzeigen, wobei insbesondere die angestellten Vergleiche mit einer Inhaberschuldverschreibung oder einem Kleinbetragsinstrument nicht tragfähig sind.

Ob der Betreiberin des Freizeitbades eine andere rechtliche Gestaltung möglich gewesen wäre, die eine Abwälzung des Verlustrisikos auf ihre Kunden erlauben würde, ist hier nicht zu entscheiden. Denn der in der beanstandeten Klausel vereinbarte Anspruch ist wie ausgeführt als Schadensersatzanspruch einzuordnen und muss sich demzufolge an den hierfür geltenden Regeln messen lassen.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Februar 2015 – XII ZR 199/13

  1. OLG Brandenburg, Urteil vom 06.02.2013 – 7 U 6/12[]
  2. BGHZ 67, 312, 319 = NJW 1977, 381, 382; Palandt/Grüneberg BGB 74. Aufl. § 309 Rn. 29 mwN; Erman/Roloff BGB 14. Aufl. § 309 Rn. 48; Staudinger/Coester-Waltjen BGB [2013] § 309 Nr. 5 Rn. 18 mwN auch zur aA[]
  3. Palandt/Grüneberg BGB 74. Aufl. § 309 Rn. 26, 29 mwN[]
  4. vgl. Palandt/Grüneberg BGB 74. Aufl. § 309 Rn. 27 mwN[]
  5. vgl. auch LG Mainz NJW-RR 2011, 1553 und LG Köln NJW-RR 2013, 250[]
  6. BGHZ 164, 196, 210 f. = NJW 2006, 47, 49 f. mwN; BGHZ 135, 116, 121 f. = NJW 1997, 1700, 1702; BGHZ 114, 238, 240 f. = NJW 1991, 1886, 1887; Palandt/Grüneberg BGB 74. Aufl. § 307 Rn. 32[]