Mit der Rechtskraftwirkung eines im Adhäsionsverfahren ergangenen rechtskräftigen Urteils über einen unbezifferten Schmerzensgeldantrag hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

In dem hier entschiedenen Fall ging es um weiteres Schmerzensgeld wegen einer tatsächlichen Auseinandersetzung. Der Geschädigte hatte im Ermittlungsverfahren mittels eines von der Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen herausgegebenen Vordrucks "2 in 1 – Schadensersatz im Strafprozess" unbezifferte Anträge auf Ersatz seines finanziellen Schadens und Zuerkennung eines angemessenen Schmerzensgeldes gestellt, außerdem beantragte er die Feststellung der Verpflichtung des Schädigers, ihm "weitere materielle und immaterielle Schäden" zu ersetzen.Auf Nachfrage hielt er im anschließenden Strafverfahren gegen den Schädiger diese Anträge in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht (Strafrichter) aufrecht. Daraufhin wurde der Schädiger vom Amtsgericht der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ferner wurde er verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 € zu zahlen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den aus der Tat vom 28.05.2011 entstandenen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Hinsichtlich des Antrags auf Ersatz des materiellen Schadens sah das Gericht von einer Entscheidung ab. Der Schädiger legte hiergegen Berufung ein, die er auf die Feststellungsentscheidung beschränkte. Das Landgericht sah durch Beschluss von einer Entscheidung über den Feststellungsantrag, im Übrigen wurde das Urteil im Strafverfahren rechtskräftig. Im vorliegenden Zivilrechtsstreit macht der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen geltend.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Mettmann hat die Klage abgewiesen, weil durch die rechtskräftige Entscheidung im Adhäsionsverfahren abschließend über den Schmerzensgeldanspruch des Klägers entschieden worden sei 1. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Wuppertal zurückgewiesen 2. Der Bundesgerichtshof bestätigte nun diese Rechtsansicht der Vorinstanzen und wies auch die Revision des Geschädigten zurück:
Aufgrund der im Adhäsionsverfahren ergangenen rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten, an den Kläger aufgrund des Schadensereignisses ein Schmerzensgeld von 1.500 € zu zahlen, ist eine erneute Klage zwischen denselben Parteien über denselben Streitgegenstand gemäß § 322 ZPO unzulässig.
Der Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer entsprechenden Klage im bürgerlichen Rechtsstreit (vgl. § 404 Abs. 2 Satz 1 StPO). Die in einem Strafverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung über den Antrag, durch den der Verletzte den ihm aus einer Straftat des Beschuldigten erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch (§§ 403 f. StPO) geltend macht, steht gemäß § 406 Abs. 3 Satz 1 StPO einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen rechtskräftigen Urteil gleich 3. Nur soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er nach § 406 Abs. 3 Satz 3 StPO anderweit geltend gemacht werden. Eine solche Ausnahme liegt im Streitfall nicht vor.
Streitgegenstand des Adhäsionsverfahrens war hier ein (einheitlicher) Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger auf Schmerzensgeld aus dem konkreten Schadensereignis. Dabei gebietet es der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen 4.
Verlangt ein Kläger für erlittene Körperverletzungen – wie im Streitfall – uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden durch den zuerkannten Betrag alle diejenigen Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte 5. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet es, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Anspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen 6. Lediglich solche Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen, werden von der vom Gericht ausgesprochenen Folge nicht umfasst und können deshalb die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld sein 6.
Solche Spätfolgen macht der Kläger im Streitfall jedoch nicht geltend. Er ist vielmehr lediglich der Auffassung, dass ihm das Amtsgericht (Strafrichter) im Adhäsionsverfahren ein zu geringes Schmerzensgeld zuerkannt hat. Damit kann er jedoch im vorliegenden Rechtsstreit kein Gehör finden. Denn an einer erneuten Beurteilung dieser Frage ist das Zivilgericht aufgrund der Rechtskraft des im Adhäsionsverfahren ergangenen Urteils gehindert 7. Der Kläger hat ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts im Adhäsionsverfahren einen unbestimmten Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gestellt. Hierüber hat der Strafrichter uneingeschränkt entschieden.
Wie bereits ausgeführt kann nach § 406 Abs. 3 Satz 3 StPO ein Anspruch nur anderweit geltend gemacht werden, soweit er im Adhäsionsverfahren nicht zuerkannt worden ist. In diesem Fall muss das Strafgericht von einer Entscheidung absehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3). Dies ist im Streitfall hinsichtlich des Antrags auf Verurteilung zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nicht erfolgt. Da der Kläger im Strafverfahren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich einen unbezifferten Antrag auf Zuerkennung eines angemessenen Schmerzensgeldes gestellt, also weder einen die zuerkannten 1.500 € übersteigenden Mindestbetrag noch eine den zuerkannten Betrag übersteigende Größenordnung angegeben hatte, bestand für den Strafrichter keine Veranlassung, von einer diesbezüglichen Entscheidung teilweise abzusehen (vgl. § 406 Abs. 1 Sätze 3 und 6 StPO) und dem Kläger damit die Möglichkeit zu eröffnen, den nicht entschiedenen Teil gemäß § 406 Abs. 3 Satz 3 StPO weiter zu verfolgen 8.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Strafkammer des Landgerichts aufgrund eines vermeintlichen "Deals" von einer Entscheidung über den Feststellungsantrag des Geschädigten hinsichtlich des weiteren immateriellen Schadens abgesehen hat. Offengeblieben ist dadurch lediglich eine Entscheidung über Spätfolgen, die im Adhäsionsverfahren noch nicht voraussehbar waren. Solche Spätfolgen macht der Geschädigte im Streitfall aber gar nicht geltend.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Januar 2015 – VI ZR 27/14
- AG Mettmann, Urteil vom 09.07.2013 – 25 C 140/12[↩]
- LG Wuppertal, Urteil vom 18.12.2013 – 8 S 43/13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.12 2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013, 1163 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 06.07.1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151 ff.; BGH, Urteile vom 06.12 1960 – VI ZR 73/60, VersR 1961, 164 f.; und vom 20.03.2001 – VI ZR 325/99, VersR 2001, 876[↩]
- st. Rspr.: vgl. BGH, Urteile vom 11.06.1963 – VI ZR 135/62, VersR 1963, 1048, 1049; vom 08.07.1980 – VI ZR 72/79, VersR 1980, 975 f.; vom 24.05.1988 – VI ZR 326/87, VersR 1988, 929 f.; vom 07.02.1995 – VI ZR 201/94, VersR 1995, 471, 472; vom 20.03.2001 – VI ZR 325/99, aaO; vom 20.01.2004 – VI ZR 70/03, VersR 2004, 1334; und vom 14.02.2006 – VI ZR 322/04, VersR 2006, 1090 Rn. 7, jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 322/04, aaO mwN[↩][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.05.1988 – VI ZR 326/87, aaO, 930 mwN; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. vor § 322 Rn. 49 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2003 – 1 StR 529/02, NStZ 2003, 565, 566[↩]