Schriftform – und die Unterschrift nur auf der Anlage zum Vertrag

Für die Einhaltung der Schriftform ist es nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden1. Dabei kann es im Einzelfall auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird, sofern hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht.

Schriftform – und die Unterschrift nur auf der Anlage zum Vertrag

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand, die Miete, die Vertragsdauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Da auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, reicht es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar ist2. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss3.

Weiterlesen:
Die nicht unterschriebene Berufungsbegründung

Zur Schriftform gehört zudem, dass die Urkunde gemäß § 126 Abs. 1 und 2 BGB von den Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet wird und die beiderseitigen Unterschriften den gesamten Vertragsinhalt decken und den Vertragstext räumlich abschließen, also unterhalb des Textes stehen und damit äußerlich die urkundliche Erklärung vollenden4.

Allerdings ist es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden. Dabei kann es nach den Umständen des jeweiligen Falles auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird, vorausgesetzt, dass hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht. Eine körperliche Verbindung der Anlage mit dem in Bezug genommenen Vertrag ist dabei nicht erforderlich. Wie bei einer Nachtragsvereinbarung genügt es zur Einhaltung der Schriftform, dass zwischen der Anlage und dem Mietvertrag eine gedankliche Verbindung besteht, die erkennen lässt, dass die beiden Schriftstücke in ihrer Gesamtheit den Vertrag bilden. Ausreichend ist daher, dass die Anlage die Mietvertragsparteien bezeichnet, hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und ersichtlich ist, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags verbleiben soll5.

Auf dieser rechtlichen Grundlage wahrt der Vertrag im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB iVm § 578 Abs. 2 BGB:

Weiterlesen:
Befristetes Arbeitsverhältnis - und die Schriftform

Zutreffend nimmt das in der Vorinstanz tätige Oberlandesgericht Koblenz in seinem Berufungsurteil6 allerdings an, dass die eigentliche Vertragsurkunde dem Schriftformerfordernis nicht genügt. Diese ist von den Mietvertragsparteien lediglich auf der Vorderseite unterzeichnet worden. Diese Unterschriften schließen damit nicht den vollständigen Vertragsinhalt ab, der auch die auf der Rückseite des Formulars abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten umfasst. Die unterschriebene Vorderseite des Vertrags enthält auch keinen ausreichenden Verweis auf die auf der Rückseite des Formulars abgedruckten Vertragsbedingungen, aus dem sich schließen lassen könnte, die geleisteten Unterschriften deckten auch diese Vertragsbestandteile. Zwar wird auf der Vorderseite des Vertrags unter der Überschrift „Mietzins (§ 3)“ die entsprechende Bestimmung der auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen erwähnt. Dies genügt jedoch nicht, um annehmen zu können, die Unterschriften der Mietvertragsparteien deckten auch die auf der Rückseite des Formulars abgedruckten weiteren Vertragsbedingungen.

Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz, die nach § 550 Satz 1 BGB iVm § 578 Abs. 2 BGB für die Wirksamkeit der vereinbarten Festlaufzeit erforderliche Schriftform des Mietvertrags werde auch nicht durch die später von beiden Vertragspartnern unterzeichnete Anlage 1 gewahrt. Diese Anlage nimmt ausdrücklich Bezug auf den schriftlichen Vertrag, indem in der Überschrift der Anlage 1 der streitgegenständliche Vertrag, die Mietvertragsparteien und der Mietgegenstand benannt werden. Zudem wird in § 1 Ziffer 1 Satz 1 der auf der Rückseite des Vertrags abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten zur Bestimmung des Mietobjekts auf die Anlage 1 verwiesen. Aus dieser Bezugnahme werden die gesamte Vertragsurkunde und die Anlage 1 zu einer gedanklichen Einheit verbunden, aus der sich der Inhalt des Vertrags ergibt. Deshalb ist es für die Erfüllung der Schriftform unschädlich, dass in der Anlage 1 die weiteren Vertragsbedingungen nicht mehr ausdrücklich aufgeführt sind und dort auch kein klarstellender Hinweis auf die Fortgeltung der in der Vertragsurkunde abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten enthalten ist. Bilden somit die Anlage 1 und die gesamte ursprüngliche Vertragsurkunde den Mietvertrag, decken die Unterschriften der beiden Mietvertragsparteien auf der Anlage 1 den gesamten Vertragsinhalt und schließen den Vertragstext räumlich ab, so dass die Schriftform nach § 126 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB gewahrt ist7.

Weiterlesen:
Der Streitwert einer Vollstreckungsgegenklage

Im vorliegenden Fall ist auch die vermietete Grundstücksfläche in § 1 des Mietvertrags in Verbindung mit der in Bezug genommenen und dem Mietvertrag beigefügten Anlage 1 hinreichend bestimmbar bezeichnet. Einem Erwerber, dessen Schutz die Schriftform in erster Linie bezweckt, wäre es möglich gewesen, anhand des Mietvertrags – auch bereits vor der Aufstellung des Geldautomaten – festzustellen, welche Teilfläche des Ladenlokals an die Beklagte vermietet worden ist.

Zur Einhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB muss der Mietgegenstand im Mietvertrag individuell bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Zwar weist die Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass die Anlage 1 als Fotomontage nur eine Ansicht der Hausfassade enthält, in die der Geldautomat eingefügt ist, und sich der Anlage daher zur Größenausdehnung des Geldautomaten innerhalb des Gebäudes und damit zu den räumlichen Grenzen des vermieteten Raumteils nichts entnehmen lässt. Für die Bestimmbarkeit des Mietgegenstands bedurfte es jedoch im vorliegenden Fall keiner weiteren Angabe zur Größe der Fläche im Innenraum des vom Vermieter betriebenen Ladenlokals. Aus der Fotomontage in Anlage 1 ergibt sich eindeutig, an welcher Stelle und mit welchen Abmessungen der Geldautomat in dem Ladenlokal des Vermieters platziert werden sollte. Zwar ist aus der Fotomontage nicht ersichtlich, welche Stellfläche im Inneren der Räumlichkeiten von dem Automaten in Anspruch genommen wird. Da diese Fläche jedoch eindeutig durch die Größe eines handelsüblichen Geldautomaten begrenzt wird, bedurfte es zur Einhaltung der Schriftform keiner weiteren grafischen Darstellung der Stellfläche. Ein potentieller Erwerber des Mietobjekts kann vielmehr bereits allein aufgrund der Anlage 1 hinreichend genau erkennen, welche Teilfläche des Ladenlokals Gegenstand des Mietvertrags ist8.

Weiterlesen:
Insichgeschäfte eines geschäftsführenden Alleingesellschafters - und ihre Formbedürftigkeit

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Februar 2021 – XII ZR 26/20

  1. im Anschluss an BGH, Urteil vom 04.11.2020 – XII ZR 104/19 – NZM 2020, 1111[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 17.06.2015 – XII ZR 98/13 , NJW 2015, 2648 Rn. 42 mwN[]
  3. BGH, Urteile BGHZ 224, 370 = NJW 2020, 1507 Rn.19 mwN und BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rn.20 f. mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 04.11.2020 – XII ZR 104/19 – NZM 2020, 1111 Rn.19 mwN[]
  5. BGH, Urteil vom 04.11.2020 – XII ZR 104/19 – NZM 2020, 1111 Rn.20 mwN[]
  6. OLG Koblenz, Urteil vom 05.03.2020 – 2 U 286/19[]
  7. vgl. auch BGH, Urteil vom 04.11.2020 – XII ZR 104/19 – NZM 2020, 1111 Rn. 23 mwN[]
  8. BGH, Urteil vom 04.11.2020 – XII ZR 104/19 – NZM 2020, 1111 Rn. 25[]