Schulverweigerung aus religiösen gründen

Lehnen die Eltern eines schulpflichtigen Kindes aus Glaubensgründen den Schullehrplan ab, rechtfertigt das keine generelle Verweigerung des Schulbesuchs.

Schulverweigerung aus religiösen gründen

Mit das Oberlandesgericht Köln in dem hier vorliegenden Fall eines Elternpaares, gegen das ein Bußgeld festgesetzt worden ist, da sie sich geweigert haben, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Die im Großraum Bonn wohnhaften Eltern wurden vom Kreisschulamt im Sommer 2010 mehrfach vergeblich aufgefordert, zwei ihrer Kinder zur Grundschule anzumelden. Schließlich meldete das Schulamt selbst den zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alten Sohn und die 8 Jahre alte Tochter zur nächst gelegenen städtischen Gemeinschaftsgrundschule an. Die Kinder erschienen nicht zum Unterricht. Nach mehrfacher Mahnung der Eltern und einem Gespräch mit dem Vater über das Schulkonzept, die jedoch nicht zur Aufnahme des Schulbesuchs führten, setzte der Kreis gegen die Eltern ein Bußgeld in Höhe von jeweils 150,00 Euro fest.

Hiergegen wandten sich die Betroffenen mit dem Argument, das Kreisschulamt habe mit dem Bußgeldbescheid gegen Menschenrechte und gegen die Grundrechte der Eltern aus Art. 6 und Art. 7 GG verstoßen. Die im nordrhein-westfälischen Schulgesetz normierte Schulpflicht verstoße gegen die Neutralitätspflicht des Staates. Die eingesetzten Schulmaterialien seien wissenschaftlich nicht korrekt. Vielmehr sei der Schulunterricht neomarxistisch angelegt und ziele darauf ab, die Eltern-Kind-Beziehung zu zerstören und christliche Werte aus der Gesellschaft zu entfernen. Die Schule betreibe die Erziehung der Kinder zur Schamlosigkeit, trainiere sie in der Gossensprache und wolle durch „Gender Mainstreaming“ die gottgegeben unterschiedlichen Wesensmerkmale von Mann und Frau verwischen.

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Das Amtsgericht reduzierte zwar das Bußgeld im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie auf 100,00 Euro hinsichtlich des Kindesvaters und wegen eines anzunehmenden nur fahrlässigen Verstoßes auf 50,00 Euro hinsichtlich der Mutter, wollte aber im übrigen keinen Rechtsverstoß des Kreisschulamtes erkennen. Die Ausübung des elterlichen Erziehungsrechts unterliege nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz der Überwachung durch die staatliche Gemeinschaft. Nach Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz unterstehe das Schulwesen der staatlichen Aufsicht. Damit dürfe der Staat unabhängig von den erzieherischen Vorstellungen der Eltern auch eigene Erziehungsziele verfolgen. Es bleibe den Eltern unbenommen, im außerschulischen Bereich durch eigene erzieherische Maßnahmen ihrer Meinung nach bestehende Mängel der schulischen Erziehung auszugleichen. Ob der Schulunterricht nach staatlichen Lehrplänen als neomarxistisch einzuordnen sei, hat das Amtsgericht unerörtert gelassen. Gegen das Urteil des Amtsgerichts haben die Eltern beim Oberlandesgericht Köln Antrag auf Rechtsbeschwerde gestellt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln könne ein Konflikt zwischen der Glaubensfreiheit und dem Erziehungsrecht der Eltern einerseits und dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag nur durch Befreiung von einzelnen schulischen Veranstaltungen nach § 43 Abs. 3 Satz 1SchulG NWR gelöst werden, nicht aber eine generelle Verweigerung des Schulbesuchs rechtfertigen. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist daher zurückgewiesen worden.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 27. November 2012 – 1 RBs 308/12

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