Selbständiges Beweisverfahren und Insolvenzeröffnung

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei eines selbständigen Beweisverfahrens ist die Entscheidung über einen Antrag nach § 494a ZPO nicht möglich, weil das Verfahren gemäß § 240 ZPO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen ist1.

Selbständiges Beweisverfahren und Insolvenzeröffnung

Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, dass ein selbständiges Beweisverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Parteien trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 240 ZPO nicht unterbrochen wird2. Diese Entscheidung betraf jedoch ein selbständiges Beweisverfahren, dessen Beweisaufnahme noch nicht beendet war. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass das Ziel des Verfahrens, nämlich eine schnelle Beweissicherung oder eine rasche und kostensparende Einigung der Parteien nur erreicht werden könne, wenn das selbständige Beweisverfahren möglichst zügig und ohne die mit einer Unterbrechung nach § 240 ZPO verbundene zeitliche Verzögerung durchgeführt werde3. Außerdem sei die Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens in dieser Situation auch nicht deshalb geboten, weil den Beteiligten eine Überlegungsfrist hinsichtlich ihres weiteren Vorgehens eingeräumt werden müsse4.

Diese Erwägungen treffen jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn in einem selbständigen Beweisverfahren die Beweisaufnahme beendet und das Verfahren damit sachlich abgeschlossen ist5. Ab diesem Zeitpunkt besteht kein besonderes Beschleunigungsbedürfnis mehr. Andererseits setzt ein anschließend folgendes Verfahren nach § 494a ZPO in der Regel vergleichsweise kurz bemessene Fristen in Gang, innerhalb derer weitreichende Entscheidungen jedenfalls des Antragstellers über sein weiteres Vorgehen notwendig werden. Soweit über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist deshalb zu diesem Zeitpunkt auch ein Bedürfnis nach einer Überlegungsfrist für den Insolvenzverwalter in vergleichbarer Weise vorhanden wie während eines laufenden Rechtsstreits. Ähnliches kann auch für den Antragsgegner gelten, wenn die Entscheidungen nach § 494a ZPO in einem Rechtsmittelverfahren überprüft werden oder werden sollen. In dieser Situation kann daher ein Ausschluss der Anwendung des § 240 ZPO nicht mehr mit dem Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens begründet werden. Soweit sich aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 20046 etwas anderes ergibt, hält der Bundesgerichtshof daran nicht fest.

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Damit sind die Entscheidungen des Landgerichts und des Beschwerdegerichts in einem Verfahren gegen die Insolvenzschuldnerin ergangen, obwohl das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen war. Solche Entscheidungen sind nicht nichtig, sondern mit den allgemein zulässigen Rechtsmitteln anfechtbar. Sie unterliegen allein wegen dieses Fehlers von Amts wegen der Aufhebung und Zurückverweisung an das Gericht, bei dem die Sache zum Zeitpunkt der Unterbrechung anhängig war. Dieser Fehler kann vom Insolvenzverwalter, aber auch von jeder Partei geltend gemacht werden. Das Rechtsmittelgericht kann eine entsprechende Entscheidung trotz der Unterbrechung erlassen, um der Unterbrechung Geltung zu verschaffen. Eine andere Entscheidung ist in diesem Stadium des Verfahrens dagegen nicht möglich7.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. März 2011 – VII ZB 128/09

  1. Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 – VII ZB 14/03, BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268[]
  2. BGH, Beschluss vom 11.12.2003 – VII ZB 14/03, BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268[]
  3. BGH, Beschluss vom 11.12.2003 – VII ZB 14/03 aaO Rn. 10 f.[]
  4. BGH, Beschluss vom 11.12. 2003 – VII ZB 14/03 aaO Rn. 12[]
  5. vgl. OLG Dresden, NZI 2002, 688[]
  6. BGH, Beschluss vom 14.10.2004 – VII ZB 23/03 Rn. 7, BauR 2005, 133 = NZBau 2005, 42 = ZfBR 2005, 174[]
  7. st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 16.01.1997 – IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445 m.w.N.[]
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