Selbständigkeit in der Wohlverhaltensphase

Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als gehe er einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit nach, braucht er nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs seine selbständige Tätigkeit nicht sofort aufzugeben; um den Vorwurf zu entkräften schuldhaft die Befriedigung seiner Gläubiger beeinträchtigt zu haben, muss er sich dann aber nachweisbar um eine angemessene abhängige Beschäftigung bemühen und – sobald sich ihm eine entsprechende Gelegenheit bietet – diese wahrnehmen.

Selbständigkeit in der Wohlverhaltensphase

Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass § 295 Abs. 2 InsO die vom Schuldner abzuführenden Beträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg seiner selbständigen Tätigkeit ablöst. Zu berechnen ist das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen aus einem angemessenen Dienstverhältnis. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit1. In dem jetzt vom BGH entschiedenen Fall scheidet eine Versagung der Restschuldbefreiung bereits deshalb aus, weil die Tatsacheninstanzen festgestellt haben, dass der Schuldner aufgrund seines Alters und der problematischen Verhältnisse am Arbeitsmarkt nicht die Möglichkeit gehabt hätte, in ein angemessenes abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu wechseln, bei dem er ein höheres pfändbares Einkommen hätte erzielen können.

Allgemein besteht nach Auffassung des BGH allerdings Veranlassung zu folgenden Hinweisen: Der Gläubiger, der einen Antrag stellt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, genügt im Fall des § 295 Abs. 2 InsO seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der Obliegenheitspflichtverletzung und der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO), wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit – etwa nach BAT – hätte abführen müssen. Der Schuldner muss sich dann von dem Vorwurf entlasten, seine Obliegenheitspflichten schuldhaft verletzt zu haben (§ 296 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. InsO). Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als übe er eine entsprechende abhängige Tätigkeit aus, braucht er seine selbständige Tätigkeit zunächst nicht aufzugeben. Er muss sich dann aber – ebenso wie ein beschäftigungsloser Schuldner – gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften2.

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Sozialkassenbeiträge in der Insolvenz

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. Mai 2009 – IX ZB 133/07

  1. BGH, Beschluss vom 5. April 2006 – IX ZB 50/05, NZI 2006, 413, 414 Rn. 13[]
  2. AG München ZVI 2005, 384, 385; Grote ZInsO 2004, 1105, 1107 f; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 295 Rn. 73; vgl. ferner AG Neu-Ulm ZVI 2004, 131, 132; FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl. § 295 Rn. 64; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl., § 295 Rn. 26; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 295 Rn. 12[]