Sicherheitsleistung bei einem gekündigten Bauvertrag

Im Fall einer Kündigung eines Bauvertrags gemäß § 650f Abs. 5 BGB reicht grundsätzlich der schlüssige Vortrag des Unternehmers zur Höhe der Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB aus, um hiernach die Höhe einer geforderten Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB zu bemessen. Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht1.

Sicherheitsleistung bei einem gekündigten Bauvertrag

Unter Berücksichtigung der erfolgten Kündigungserklärungen ist dem Sicherungsanspruch nicht mehr die ursprüngliche vertragliche Vergütung, sondern eine Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB zugrunde zu legen. Daher ist nicht die Höhe der Vergütung zum Zeitpunkt des ersten Sicherungsverlangens – hier also vor den Kündigungserklärungen – entscheidend. Vielmehr ist nach allgemeinen Grundsätzen auch die Entwicklung bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter zu berücksichtigen2. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.03.20143 ergibt sich nichts anderes.

Die Kündigungserklärung der Bauunternehmerin gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB hat keinen Einfluss auf den Anspruch auf Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB dem Grunde nach, der (weiterhin) der Sicherung des Anspruchs auf die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung dient.

Auf dieser Grundlage erweist sich in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Höhe der Sicherheit, zu deren Leistung das Berliner Kammergericht die Bauherrin in der Berufungsinstanz verurteilt hat4, im Ergebnis nicht zu ihren Lasten als rechtsfehlerhaft:

Allerdings hat das Kammergericht rechtsfehlerhaft angenommen, es sei, wenn im Rahmen einer Sicherungsklage gemäß § 650f Abs. 1 BGB die Höhe der Unternehmervergütung zwischen den Parteien umstritten sei, zulässig und in aller Regel auch geboten, dass das Gericht die Sicherheitsleistung, zu der es den Besteller verurteile, in freier Überzeugung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO festsetze. Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht.

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Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen entgegen der Auffassung des Kammergerichts nicht allein deshalb vor, weil eine Aufklärung der Forderungshöhe vor dem Hintergrund des eine Eilbedürftigkeit begründenden Sicherungsinteresses des Unternehmers zu für ihn unverhältnismäßigen Schwierigkeiten führte. Es fehlt bereits an der tatbestandlichen Notwendigkeit, dass entscheidungserhebliche Tatsachen zwischen den Parteien streitig sind. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es für den Fall einer Kündigung des Vertrags aus, dass der hieran angepasste Vortrag des Unternehmers zur Höhe der Vergütung schlüssig ist, um hiernach die Höhe der geforderten Sicherung zu bemessen5. Einen – streitigen – Abzug von der schlüssig dargelegten Vergütungsforderung ausnahmsweise nach Maßgabe von § 286 ZPO festzustellen, ohne dass damit der Rechtsstreit verzögert wird6, bleibt unberührt; für die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ist kein Raum.

Der Bezugspunkt des Kammergerichts, wonach es auf die Wahrscheinlichkeit der vollständigen Durchsetzung der Vergütungsforderung des Unternehmers im Vergütungsprozess ankomme, ist unzutreffend. Zum einen ist die Klage auf Sicherheitsleistung gemäß § 650f BGB kein besonderes Verfahren ähnlich einem Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem es allein auf eine Glaubhaftmachung ankommt. Zum anderen knüpft die Bemessung der Höhe der Sicherheit materiellrechtlich zwar an die Vergütung an. Jedoch ist in bestimmten Fällen, in denen nicht feststeht, ob oder in welcher Höhe sich die Vergütung verringert hat, die Höhe der Sicherheit unbeschadet dieser möglichen Änderung zu bemessen. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass und warum dies aus § 650f BGB folgt7.

Dieser Rechtsfehler des Kammergerichts wirkt sich im Ergebnis jedoch nicht zu Lasten der Bauherrin aus. Das ergibt sich aus den folgenden Gründen:

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Ohne Rechtsfehler nimmt das Kammergericht an, dass der Vortrag der Bauunternehmerin für die Berechnung ihrer Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB schlüssig ist.

Ohne Erfolg rügt die Revision hierzu, dass es das Kammergericht selbst für möglich gehalten habe, dass die Abrechnung gemäß der Anlagen BE 1 und 4 in Einzelheiten Fehler enthalten könne. Es ist nicht ersichtlich, dass das Kammergericht hiermit etwas anderes als die inhaltliche Unrichtigkeit einzelner Berechnungsgrundlagen, mithin die Begründetheit der Forderung, gemeint hätte; dies lässt jedoch die Schlüssigkeit des Vortrags unberührt. Gleiches gilt, wenn sich die von der Bauunternehmerin behaupteten Mengenangaben zur Abgrenzung von erbrachten und nicht erbrachten Leistungen als unzutreffend erweisen sollten, weil die Bauunternehmerin diese nur überschlägig ermittelt hat.

Das Vorbringen der Bauunternehmerin zur Berechnung ihrer Vergütung ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deshalb unschlüssig, weil die Bauunternehmerin keine Angaben zu einem anderweitigen Erwerb im Sinne von § 650f Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 2 BGB gemacht hat.

Darlegungs- und beweisbelastet für einen derartigen anderweitigen Erwerb ist der Besteller. Allerdings können an die Substantiiertheit seiner Darlegung je nach den Umständen des Einzelfalls keine besonderen Anforderungen gestellt werden, wenn es sich um Tatsachen aus dem alleinigen Wahrnehmungsbereich des Unternehmers handelt. Diesen kann dann eine sekundäre Darlegungslast treffen, deren Umfang sich einerseits nach der Intensität des Sachvortrags der beweisbelasteten Partei richtet und die andererseits ihre Grenzen in der Zumutbarkeit der den Prozessgegner treffenden Offenbarungspflicht findet. Ob mit dem Parteivortrag der sekundären Darlegungslast genügt ist, hat das Tatsachengericht im Einzelfall zu beurteilen8.

Dass die Bauunternehmerin eine derartige sekundäre Darlegungslast getroffen hat, wird von der Revision nicht geltend gemacht. Sie käme ohnehin nur für anderweitigen Erwerb hinsichtlich nicht erbrachter Leistungen in Betracht, die die Bauunternehmerin durch Nachunternehmer erbringen lassen wollte, da sie – worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist – für die Arbeiten, die sie selbst erbringen wollte, in ihrer Berechnung gemäß Anlage BE 1 von Ansätzen für nicht erbrachte Leistungen abgesehen hat. Nur in diesem Rahmen stellte sich dann – entgegen den nicht differenzierenden Ausführungen des Kammergerichts – allenfalls die Frage, ob durch die Kündigung freigewordenes Personal der Bauunternehmerin deshalb anderweitigen Erwerb erzielt hat. Keine Frage anderweitigen Erwerbs im Verhältnis zur Bauherrin ist es demgegenüber, ob die bereits beauftragten Nachunternehmer aufgrund der ihnen gegenüber von der Bauunternehmerin erklärten Kündigungen anderweitigen Erwerb erzielt haben. Diese Frage beeinflusst die Höhe der ersparten Aufwendungen der Bauunternehmerin in Form der von ihr nicht mehr in vollem Umfang an die Nachunternehmer zu zahlenden Vergütung9.

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Damit ist vorliegend die Berechnung des Kammergerichts nicht zum Nachteil der Bauherrin rechtsfehlerhaft.

Im Ergebnis erfolglos rügt die Revision einen Verstoß gegen § 286 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG dadurch, dass das Kammergericht den Zeugen F. nicht zu der angeblichen Höhe des Vergütungsanspruchs beziehungsweise zu den insoweit maßgeblichen Positionen vernommen hat.

Das Kammergericht hat sein Vorgehen unter anderem damit begründet, dass der Zeuge zu Sachverständigenfragen gehört werden sollte, die auch bei dessen Vernehmung nicht ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens entschieden werden könnten, was zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führe. Damit liegen die Voraussetzungen vor, bei denen die Höhe der Sicherheit nach einer Kündigung – ausgehend von der ursprünglichen Vergütung – in der vom Unternehmer schlüssig dargelegten Höhe seines ihm nunmehr zustehenden Vergütungsanspruchs zu bemessen ist: Die tatsächlichen Voraussetzungen der schlüssig dargelegten Vergütungshöhe waren streitig und deren Klärung hätte zu einer Verzögerung bei der Durchsetzung des Sicherungsanspruchs geführt6.

Damit hat es sich nicht zulasten der Bauherrin ausgewirkt, dass das Kammergericht sich im Ansatz rechtsfehlerhaft für befugt gehalten hat, nach seinem Ermessen die Beweisaufnahme nicht durchzuführen.

Ebenfalls hat sich die fehlerhafte Annahme eines Schätzungsermessens hinsichtlich der Positionen der Berechnung, in denen die Bauunternehmerin eine Pauschale von 10 % angesetzt hat, nicht zum Nachteil der Bauherrin ausgewirkt. Denn hierbei handelt es sich ausschließlich um Leistungen, für die die Bauunternehmerin die beabsichtigten Beauftragungen von Nachunternehmern noch nicht getätigt hatte. Sie lässt sich deshalb bei ihrer auf diese Positionen entfallenden Vergütung jeweils den vollen Betrag abzüglich eines Generalunternehmerzuschlags von 10 % als ersparte Aufwendungen abziehen. Damit hat sie ihren Anspruch – was nach den obigen Grundsätzen ausreichend und maßgebend ist – schlüssig dargelegt.

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Rechtsfehlerfrei ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass die von der Bauherrin erklärte Aufrechnung eines erstrangigen Teils in Höhe von 300.000 € einer angeblichen Schadensersatzforderung keine Auswirkung auf die Höhe der geschuldeten Sicherheit hat. Zugunsten der Bauherrin hat das Kammergericht ihre Erklärung stillschweigend dahin ausgelegt, dass sich die Aufrechnung gegen den Vergütungsanspruch richtet, weil eine Aufrechnung gegen den Klageanspruch von vornherein mangels Gleichartigkeit erfolglos wäre, § 387 BGB. Zu Recht hat es unter Hinweis auf § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB angenommen, dass eine solche Gegenforderung gleichwohl bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt bleibt. Die Vorschrift erfasst nach ihrem Sinn auch eine bereits erklärte Aufrechnung10. Es muss daher nicht entschieden werden, ob die Gegenforderung – wie das Kammergericht zudem angenommen hat – mangels ausreichenden Bestreitens der Bauherrin zur Beauftragung der Bauunternehmerin bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts nicht besteht.

Zu Unrecht hat das Kammergericht allerdings bei der Berechnung des zu sichernden Vergütungsanspruchs der Bauunternehmerin einen Betrag von 52.060 € (zuzüglich Umsatzsteuer) für den Nachtrag 1 berücksichtigt.

Der Bundesgerichtshof hat mit Versäumnisurteil vom 20.10.202211, das im Zeitpunkt der Entscheidung des Kammergerichts noch nicht veröffentlicht war, entschieden, dass auch Ansprüche nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B in Verbindung mit § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B solche auf Zahlung einer „auch in Zusatzaufträgen vereinbarten Vergütung“ im Sinne von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. sind. Dies gilt auch, wenn die in diesen Bestimmungen vorgesehene Vereinbarung über den neuen Preis beziehungsweise über die besondere Vergütung nicht zustande kommt. Das Gericht muss in diesen Fällen für den Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gemäß § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. feststellen, ob der Rechtsgrund für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B gegeben ist, während hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers ausreicht. Gleiches gilt im Rahmen des insoweit gleichlautenden § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB und auch im Hinblick auf etwaige Ansprüche nach § 650c Abs. 1 und 2 BGB12.

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Nach diesen Maßstäben kann der mit dem Nachtrag 1 abgerechnete Betrag als Vergütung für Leistungen, die im Vertrag nicht vereinbart waren, mit der Begründung des Kammergerichts nicht für die Höhe der Sicherheitsleistung berücksichtigt werden. Das Kammergericht hat nicht – wie notwendig – festgestellt, dass der Bauunternehmerin diese Vergütung dem Grunde nach zusteht. Es hat vielmehr im Wege einer Schätzung die Wahrscheinlichkeit ausreichen lassen, dass ein solcher Anspruch durchgesetzt werden könne.

Das Berufungsurteil stellt sich jedoch in dieser Höhe aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO. Auch ohne Berücksichtigung dieses Betrags erweist sich die Verurteilung des Bauherrin zur Leistung einer Sicherheit in der vom Kammergericht ausgeurteilten Höhe als zutreffend. Denn das Kammergericht hat rechtsfehlerhaft unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO von der maßgeblichen schlüssigen Darlegung der Vergütung einen Betrag von 437.025,62 € abgezogen, der den zu Unrecht berücksichtigten Betrag übersteigt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. August 2023 – VII ZR 228/22

  1. Bestätigung von BGH, Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12, BGHZ 200, 274[]
  2. vgl. Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB Teile A und B, 22. Auflage, Anhang 1 Rn. 277; a.A. KG, Beschluss vom 03.12.2015 – 27 U 105/15, NZBau 2016, 568 Rn. 17 f.[]
  3. BGH, Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12 Rn. 24, BGHZ 200, 274[]
  4. KG, Urteil vom 11.11.2022 – 21 U 142/21[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12 Rn.20, 26 ff., BGHZ 200, 274[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12 Rn. 29, BGHZ 200, 274[][]
  7. BGH, Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12 Rn. 2630, BGHZ 200, 274[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2015 – VII ZR 6/14 Rn. 28 f., BauR 2015, 660 = NZBau 2015, 226; Beschluss vom 15.03.2023 – VII ZR 150/22 Rn. 41 f., BauR 2023, 1379[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 11.02.1999 – VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365 38[]
  10. vgl. BeckOK BGB/Voit, Stand 1.11.2022, § 650f Rn. 10 m.w.N.[]
  11. BGH, Urteil vom 20.10.2022 – VII ZR 154/21, BGHZ 234, 371[]
  12. vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 20.10.2022 – VII ZR 154/21 Rn. 23, BGHZ 234, 371[]
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