Sicherungsabtretung und Forderungseinzug in der Insolvenz

Hat der vorläufige Insolvenzverwalter aufgrund richterlicher Ermächtigung eine zur Sicherheit abgetretene Forderung eingezogen, ist der Insolvenzverwalter zur abgesonderten Befriedigung des Sicherungsnehmers aus dem Erlös verpflichtet.

Sicherungsabtretung und Forderungseinzug in der Insolvenz

Die Vorschrift des § 48 InsO ist auf Absonderungsrechte entsprechend anwendbar1. Die Einziehung einer zur Sicherheit abgetretenen Forderung stellt eine „Veräußerung“ im Sinne des § 48 InsO dar.

Durch die Einziehung der Forderungen hat die Zessionarin ihre Rechtsstellung als Sicherungsabtretungsempfängerin – die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Absonderungsrecht an den abgetretenen Forderungen begründet hätte – verloren.

Dem Schuldner war die Abtretung nicht angezeigt worden. Die in Unkenntnis der Abtretung an den vorläufigen Insolvenzverwalter geleisteten Zahlungen muss die Zessionarin gegen sich gelten lassen (§ 407 Abs. 1 BGB). Die Forderungen sind damit durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB); zugleich erlosch auch das (künftige) Absonderungsrecht2.

Die Einziehung erfolgte jedoch (ganz oder teilweise) nicht, wie § 48 InsO es verlangt, „unberechtigt“.

Die Zessionarin und der Insolvenzschuldner hatten vereinbart, dass der Insolvenzschuldner die Forderungen auf ein eigenes Konto einziehen sollte. Diese Einziehungsermächtigung hatte trotz des Insolvenzantrags und der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters Bestand.

Noch unter der Geltung der Konkursordnung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Gläubiger, der ihm zustehende Forderungen zur Absicherung von eigenen Verbindlichkeiten abgetreten hat, die ihm in der Sicherungsvereinbarung eingeräumte Befugnis, die abgetretenen Forderungen einzuziehen, nicht ohne weiteres verliert, wenn er in eine finanzielle Krise gerät, die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen beantragt wird und Sequestrationsmaßnahmen angeordnet werden3. Ob daran unter der Geltung der Insolvenzordnung festzuhalten ist, ob also die Einziehungsbefugnis trotz eines Insolvenzantrags und der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters fortbesteht, hat der Senat in einer späteren Entscheidung offen gelassen4. Das Fortbestehen der Einzugsermächtigung hat der BGH insbesondere deshalb für erforderlich gehalten, weil die im Gesetz vorausgesetzte Fortführung eines Unternehmens durch den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO) kaum möglich wäre, wenn ein wesentlicher Teil des Umlaufvermögens – eben die sehr häufig als Sicherheit an ein Kreditinstitut abgetretenen Forderungen – bereits blockiert wären5. Mittlerweile gibt es jedoch die durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 20076 mit Wirkung vom 1. Juli 2007 eingeführte Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO, nach welcher das Insolvenzgericht anordnen kann, dass abgetretene Forderungen nicht vom Gläubiger, sondern vom vorläufigen Insolvenzverwalter eingezogen werden. Im Hinblick hierauf könnte an eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung gedacht werden, auch deshalb, weil die Annahme eines Erlöschens der Einziehungsbefugnis mit dem Insolvenzantrag sicherstellt, dass die Forderung nicht durch den Schuldner, sondern nur noch – einen Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO vorausgesetzt – durch den vorläufigen Verwalter eingezogen wird7.

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Im vorliegenden Fall, für den § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO noch nicht gilt, braucht diese Frage, so der Bundesgerichtshof in seinen Urteilsgründen, nicht entschieden zu werden. Die Darlehensverträge und die Sicherungsvereinbarung sind zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als der Schuldner bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte, was die Klägerin wusste. Wenn die Klägerin und der Schuldner dann vereinbarten, dass die Forderungen vom Schuldner eingezogen werden sollten, können sie nicht zugleich gewollt haben, dass die Einziehungsermächtigung nur bis zum Insolvenzantrag Bestand haben sollte.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen wurde die Einziehung schließlich nicht allein dadurch „unberechtigt“, dass die eingezogenen Beträge nicht, wie der Insolvenzschuldner und die Zessionarin vereinbart hatten, unverzüglich an die Zessionarin weitergeleitet wurden. Die Verpflichtung zur Weiterleitung an die Zessionarin ist rein schuldrechtlicher Natur. Sie sollte erst nach der Einziehung der Forderungen zum Tragen kommen. Ob die Einziehung einer Forderung im Sinne von § 48 InsO „unberechtigt“ ist, muss jedoch im Zeitpunkt der Einziehung (und damit des Unterganges des Absonderungsrechts) selbst beurteilt werden können. Das spätere Verhalten des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder des Schuldners kann nicht dazu führen, dass eine zunächst berechtigte Verwer-tungshandlung zu einer unberechtigten wird.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem BGH-Urteil vom 6. April 20068. In dem Fall, welcher der damaligen Entscheidung zugrunde lag, hatte ein Sicherungszedent zuvor abgetretene Forderungen eingezogen. Er war schuldrechtlich im Verhältnis zum Sicherungszessionar weder zur Abführung der eingezogenen Beträge noch zu deren treuhänderischen Verwahrung verpflichtet. Weil die Einziehungsbefugnis nicht widerrufen und die Abtretung auch nicht offengelegt worden war, war kein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO entstanden. Dazu, wie der Fall zu entscheiden gewesen wäre, wenn bei sonst gleicher Sachlage eine sofortige Weiterleitung oder eine treuhänderische Verwahrung vereinbart gewesen wäre, hat sich der Senat seinerzeit nicht geäußert. Die ebenfalls in Bezug genommene Kommentarstelle9 gibt für die Auffassung der Vorinstanzen ebenfalls nichts her. Dort wird – zutreffend – ausgeführt, für die Vereitelung eines Absonderungsrechts reiche ein Verstoß gegen eine schuld-rechtliche Vereinbarung nicht aus. Erforderlich sei eine zumindest „quasidingliche“ Einschränkung, etwa die Vereinbarung, die Forderung auf ein (offenes) Treuhandkonto oder ein Konto des Sicherungsnehmers einzuziehen.

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Wird die Forderung auf ein Konto des Zessionars eingezogen, erhält dieser den Erlös unmittelbar; erfolgt die Einziehung auf ein offenes Treuhandkonto des Zedenten, erwirbt der Zessionar ein insolvenzfestes Aussonderungsrecht. Der Verstoß gegen eine solche Vereinbarung, etwa die Einziehung auf ein allgemeines Geschäftskonto des Zedenten, verhindert das Entstehen einer insolvenzfesten Rechtsposition des Zessionars und ist deshalb „unberechtigt“ im Sinne von § 48 InsO. Im vorliegenden Fall wurde jedoch nicht gegen Vereinbarungen verstoßen, welche die Einziehung der Forderungen betrafen. Die Zessionarin und der Insolvenzschuldner hatten nicht die Einziehung auf ein bestimmtes Konto vereinbart, sondern nur die sofortige Weiterleitung der auf das Geschäftskonto des Schuldners eingezogenen Beträge. Dabei handelt es sich um eine rein schuldrechtliche Vereinbarung dazu, wie mit dem Geld verfahren werden sollte, nachdem es auf das Geschäftskonto des Schuldners gelangt war. Eine dingliche Verfestigung der Rechtsstellung der Zessionarin, die hätte vereitelt werden können, ist nicht entstanden und konnte nach den getroffenen Vereinbarungen auch nicht entstehen.

Ein Ersatzabsonderungsrecht entsprechend § 48 InsO hat die Zessionarin auch anderweitig nicht erlangt.

Forderungseinzug durch den Insolvenzschuldner

Soweit der Insolvnezschuldner selbst Forderungen auf sein Geschäftskonto eingezogen hat, ist – wie oben ausgeführt – ein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO nicht entstanden. Gleiches gilt, wenn nicht der Schuldner persönlich, sondern der Beklagte in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter die Forderungen eingezogen hat.

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Forderungseinzug durch den vorläufigen Insolvenzverwalter

Hätte der vorläufiger Insolvenzverwalter die Forderungen über das allgemeine Geschäftskonto des Insolvenzschuldners eingezogen, hätte er im Verhältnis zum Sicherungsnehmer gegen ihm obliegende Pflichten zur Wahrung von dessen Rechten verstoßen, jedoch nicht „unberechtigt“ im Sinne von § 48 InsO gehandelt10. Der vorläufige Verwalter ist (die Vorschrift des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO, die im vorliegenden Fall noch nicht gilt, einmal außer Betracht gelassen) nur zur Sicherung, nicht zur Verwertung von Sicherungsgut berechtigt11. Er hat insoweit keine Rechte, die über diejenigen des Insolvenzschuldners (des Sicherungsgebers) hinausgehen. Zieht er kraft einer ihm vom Insolvenzgericht erteilten Ermächtigung Forderungen ein, die der Schuldner zur Sicherheit abgetreten hatte, hat er – abgesehen von dem Sonderfall einer Globalzession12 – den eingezogenen Betrag an den Sicherungsnehmer abzuführen oder ihn jedenfalls unterscheidbar zu verwahren13. Die Einziehung auf ein allgemeines Geschäftskonto birgt die Gefahr, dass der Betrag im laufenden Geschäftsbetrieb verloren geht, wenn der Saldo des Geschäftskontos unter den fraglichen Betrag absinkt, und ist daher pflichtwidrig. Die Verwahrung eingezogenen Geldes auf einem Treuhandkonto, das nicht notwendig nur für das Geld des Sicherungsgebers eingerichtet worden sein muss, dient jedoch nur dazu, die Erfüllung der (schuldrechtlichen) Pflicht zur Weiterleitung des Geldes sicherzustellen; sie verschafft dem Sicherungsnehmer kein über den Anspruch auf Auskehrung des Erlöses hinausgehendes Recht.

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Hätte der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter die Forderungen über ein eigenes, nur für Zwecke des Eröffnungsverfahrens eingerichtetes Konto eingezogen, hätte er wiederum rechtmäßig gehandelt. Die Voraussetzungen des § 48 InsO wären offensichtlich nicht erfüllt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Januar 2010 – IX ZR 65/09

  1. vgl. etwa BGH, Urteile vom 19.01.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 ff.; vom 06.04.2006 – IX ZR 185/04, NZI 2006, 403; und vom 13.07.2006 – IX ZR 57/05, NZI 2006, 587, 588[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2007 – IX ZR 127/05, ZIP 2007, 924 ff.[]
  3. BGHZ 144, 192, 198 ff.[]
  4. BGH, Urteil vom 08.03.2007, a.a.O.[]
  5. BGHZ 144, 192, 199[]
  6. BGBl. I 509[]
  7. vgl. zu diesem Gesichtspunkt Jae-ger/Henckel, InsO § 48 Rn. 34[]
  8. BGH, Urteil vom 06.04.2006 – IX ZR 185/04, NZI 2006, 403[]
  9. MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. Vor §§ 49-52 Rn. 169 ff, 171[]
  10. vgl. Ganter/Bitter ZIP 2005, 93, 103 unter VI.[]
  11. vgl. BGHZ 146, 165, 172 f; 154, 72, 79; 168, 321, 330 f Rn. 22; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 170 Rn. 6[]
  12. vgl. Ganter NZI 2007, 549, 551[]
  13. Jaeger/Gerhardt, InsO § 22 Rn. 101; Jaeger/Henckel, InsO § 48 Rn. 34; vgl. auch MünchKomm-InsO/Haarmeyer, 2. Aufl. § 22 Rn. 56[]
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