Ist ein Stein nachweislich infolge der Fahrt des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs in Bewegung gesetzt worden und hat dieser sodann beim Auftreffen die Frontscheibe des nachfolgenden Fahrzeugs beschädigt, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Gefährdungshaftung nach § 7 Absatz 1 StVG vor. Bei einem solchen Sachverhalt obliegt dem durch den Steinschlag Geschädigten nicht zusätzlich die Darlegung und der Beweis der „genauen Art und Weise der Schadensverursachung“.

Ob der Steinschlag sich dadurch ereignete, dass von den Rädern des vorausfahrenden Fahrzeugs ein Stein aufgewirbelt wurde oder von seiner unzureichend gesicherten Ladefläche herabgefallen ist, ist vielmehr nur für die Frage eines Haftungsausschlusses nach § 17 Absatz 2, 3 StVG (unabwendbares Ereignis) relevant. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Halter des vorausfahrenden Fahrzeugs.
In dem hier vom Landgericht Heidelberg entschiedenen Fall haften die Beklagten daher als Gesamtschuldner für den entstandenen Steinschlagschaden an der Frontscheibe des PKW der Klägerin.
Es ist zur Überzeugung des Landgerichts bewiesen, dass ein Steinschlagschaden an der Frontscheibe des PKW der Klägerin entstanden ist, als diese unmittelbar hinter dem LKW der Beklagten fuhr. Dass die Klägerin mit ihrem PKW unmittelbar hinter dem LKW fuhr und hierbei auf einmal ein Schlag zu vernehmen war, hat das Amtsgericht auf der Grundlage der Zeugenaussage K bindend (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) festgestellt. Konkrete Zweifel an dieser Feststellung sind weder aufgezeigt noch ersichtlich. Nachdem die Beklagten in Zweifel ziehen, dass dieser Schlag auch unmittelbar zu einem Steinschlagschaden an der Frontscheibe des PKW führte, war die Zeugin K vom Berufungsgericht ergänzend zu vernehmen. Denn hierzu sind in erster Instanz keine Angaben der Zeugin protokolliert. Die Zeugin hat sodann vor dem vorbereitenden Einzelrichter klar und eindeutig bestätigt, dass nach dem Schlag ein Loch in der Frontscheibe war, welches zuvor nicht vorhanden war. Sie hat weiter mitgeteilt, dass im weiteren Verlauf der Fahrt dieses Loch sich zu einem Riss erweitert habe. Der Zeugin ist insoweit zu glauben. Zwar steht sie als Tochter der Klägerin dieser nahe. Ihre Angaben passen aber zu den objektiv feststellbaren Umständen (Fotografien, Werkstattrechnung). Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht vor allem, dass sie einräumt, im entscheidenden Moment nach unten geschaut und deshalb das Herannahen und Aufschlagen eines Steins gerade nicht gesehen zu haben. Diese Einschränkung wäre bei einer Gefälligkeitsaussage zu Gunsten der Klägerin kaum zu erwarten. Dem von Beklagtenseite im Rahmen der Zeugenvernehmung aufgegriffenen Detail, ob die Zeugin das entstandene Loch gesehen hat, bevor oder nachdem sie auf Zuruf der Klägerin den LKW mit einem Handy fotografiert hatte, misst das Gericht keine Bedeutung bei. Es kann von der Zeugin nicht erwartet werden, dass sie den in Sekunden abgelaufenen Vorgang in den Einzelheiten der Aufeinanderfolge zweifelsfrei erinnern kann.
Im Rahmen des § 286 ZPO ist das Landgericht Heidelberg sodann der Überzeugung, dass der Schlag und das Loch von einem auf die Frontscheibe des klägerischen PKW aufgetroffenen Stein herrührten, welcher infolge der Fahrt des LKW der Beklagten in Bewegung gesetzt und in den Luftraum über der Straße befördert wurde. Bewiesen durch die Angaben der Zeugin ist, dass ein Schlag zu vernehmen war und anschließend ein Loch sich in der Scheibe zeigte. Dies ist der eindeutige Ablauf eines Steinschlags. Eine andere Ursache als der in Fahrt befindliche LKW der Beklagten, von welcher der Stein herrühren könnte, ist weder aufgezeigt noch ersichtlich. Insbesondere schließt das Gericht Gegenverkehr als Ursache aus. Denn aus dem Bereich der Gegenfahrbahn könnte der Steine nur herrühren, wenn er in Seitwärtsbewegung Richtung der klägerischen Fahrbahn in Bewegung gesetzt worden wäre. Es ist nicht erkennbar, wie dies geschehen sein soll.
Diese Feststellungen reichen aus, um den Tatbestand der haftungsbegründenden Norm des § 7 Abs. 1 StVG zu erfüllen. Wenn der Stein nachweislich infolge der Fahrt des LKW der Beklagten in Bewegung gesetzt wurde und sodann die Frontscheibe des PKW der Klägerin beschädigt hat, ist der Schaden „beim Betrieb“ des LKW entstanden. Der von einigen Amtsgerichten vertretenen Rechtsansicht, der Geschädigte müsse in einem solchen Fall auch „die genaue Art und Weise der Schadensverursachung“ darlegen und beweisen1, ist nicht zu folgen. Diese Rechtsansicht steht im Widerspruch zum insoweit eindeutigen § 7 Abs. 1 StVG, wonach als Grundlage für die Gefährdungshaftung ein nachgewiesener Kausalzusammenhang zwischen Betrieb und Schaden ausreicht2. Inhalt, Grundgedanke und Zweck der Gefährdungshaftung nach §§ 7, 17 StVG ist gerade, dass es für eine Haftung aus Betriebsgefahr ausreicht, dass ein Schaden kausal auf dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs beruht.
Die Haftung der Beklagten ist nicht nach § 17 Abs. 2, 3 StVG ausgeschlossen. Die Beklagten haben nicht beweisen können, dass der Schaden durch ein unabwendbares Ereignis verursacht ist. Ein solches wäre zwar anzunehmen, wenn ein auf der Straße liegender Stein von den Rädern des LKW der Beklagten aufgewirbelt wurde. Dass der Schaden nur auf diese Weise entstanden sein kann, konnten die Beklagten jedoch nicht beweisen. Nach den verständlichen und überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. R kann ein Steinschlagschaden der hier vorliegenden Art sowohl durch einen von der Straße aufgewirbelten als auch durch einen von der Ladefläche des LKW herabgefallenen Stein verursacht sein. Der Sachverständige hat dargelegt, dass ein von der Ladefläche des fahrenden LKW – aus einer Höhe von etwa 3,5 – 4,0 Metern – herab gefallenen Stein den Steinschlag dann verursacht haben kann, wenn er auf eine ausreichende Höhe von der Fahrbahn wieder hoch gesprungen ist. Dies ist nach den Darlegungen des Sachverständigen, abhängig insbesondere von der Form und Beschaffenheit des Steins und der Straßenoberfläche, möglich. Je nach Geschwindigkeit der Fahrzeuge und ihrem Abstand voneinander kann ein solcher Stein dann auch die Frontscheibe des klägerischen PKW getroffen und die Beschädigung verursacht haben. Einen den gebotenen Sicherheitsabstand unterschreitenden Abstand muss die Klägerin hierfür nicht zwingend eingehalten haben. Da die für eine exakte Rekonstruktion maßgeblichen Einzelheiten heute nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar sind, lässt sich eine Verursachung durch einen von der Ladefläche herab gefallenen Stein nicht ausschließen.
Bei einem solchen – nicht ausschließbaren – Ablauf greift der Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 2, 3 StVG nicht ein, da der Fahrer des LKW nach § 22 Abs. 1 StVO die Ladung gegen Herabfallen zu sichern hatte. Dass eine Sicherung der Ladung – insbesondere durch die angeblich angebrachte Plane – nicht erfolgt war, hat das Amtsgericht bereits bindend (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) im angefochtenen Urteil festgestellt. Konkrete Zweifel an dieser Feststellung hat das Landgericht nicht.
Eine Mithaftung der Klägerin wegen der Betriebsgefahr ihres eigenen PKW ist nicht gegeben. Denn für die Klägerin war der Unfall ein unabwendbares Ereignis. Dem in Sekundenbruchteilen eintretenden Steinschlag konnte die Klägerin ersichtlich weder ausweichen noch vorbeugen.
Der Klägerin ist durch den Vorfall ein ersatzfähiger Schaden in zuerkannter Höhe entstanden.
Durch den Steinschlagschaden wurde die Frontscheibe ihres PKW beschädigt und musste ausgetauscht werden. Dies ist zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen durch die Angaben der Zeugin K. Diese hat nicht nur glaubwürdig bekundet, dass unmittelbar nach dem vernommenen Schlag ein Loch in der Scheibe vorhanden war, sondern auch, dass dieses sich im weiteren Verlauf der Fahrt zu einem Riss erweitert hat. Für die Ermittlung der Schadenshöhe hält das Landgericht gem. § 287 ZPO die vorgelegte Werkstattrechnung vom 20.4.2010 für ausreichend, die mit einem Rechnungsbetrag von 695,00 EUR endet. Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Klägerin diese Rechnung tatsächlich bezahlt hat, ist unerheblich. Der Schadensersatzanspruch der Beklagten ist nach § 249 Abs. 2 BGB in jedem Fall auf Geld gerichtet; auch ist die Umsatzsteuer mit Durchführung der Reparatur und Berechnung durch die Werkstatt „angefallen“ (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Ebenfalls zuzuerkennen ist die begehrte Nutzungsausfallentschädigung für einen Tag (Reparaturdauer). Allerdings beträgt diese der Höhe nach lediglich 59,00 EUR täglich. Denn vergleichbare aktuelle Fahrzeuge der Marke Mercedes (E 200 bis E 250) sind nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch3 in Gruppe J einzuordnen. Da das klägerische Fahrzeug mehr als 20 Jahre alt war, ist sodann eine Herabstufung um zwei Gruppen vorzunehmen, so dass der Wert der Gruppe G maßgeblich ist – dies sind 59,00 EUR täglich. Die nach § 287 ZPO zuzuerkennenden pauschalen Auslagen schätzt das Gericht ständig auf 20,00 EUR.
Landgericht Heidelberg, Urteil vom 21. Oktober 2011 – 5 S 30/11