Stromversorgungsleitungen auf dem Privatgrundstück

Grundstückseigentümer, die zugleich Stromanschlussnehmer sind, müssen die der Versorgung von Straßenanliegern dienende Verlegung von Stromleitungen auf ihrem Grundstück grundsätzlich dulden und können das Versorgungsunternehmen nicht darauf verweisen, vorrangig öffentliches Grundeigentum, insbesondere den Straßenraum, in Anspruch zu nehmen.

Stromversorgungsleitungen auf dem Privatgrundstück

Dies entschied heute der Bundesgerichtshof in einem Rechtsstreit aus Mecklenburg:

Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das von der Beklagten, dem örtlichen Stromversorgungsunternehmen, mit Elektrizität versorgt wird. Die Stromversorgungsleitungen wurden im Jahr 2003 verlegt. Das für die Versorgung der Straßenanlieger mit Elektrizität erforderliche Kabel wurde nicht im Straßenkörper, sondern auf einer Länge von rund 20 Metern unmittelbar neben der Straße in einem bereits zum Grundstück der Kläger gehörenden Grundstücksstreifen verlegt. Die Kläger verlangen die Entfernung der Leitung von ihrem Grundstück, scheiterten hiermit aber sowohl vor dem Amtsgericht Parchim1 wie auch in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Schwerin2.

Auch die dagegen gerichtete Revision der Kläger hatte keinen Erfolg, auch der Bundesgerichtshof entschied, dass die Kläger als Grundstückseigentümer nicht die Entfernung der Leitungen verlangen können. Ein solcher Anspruch ist gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Kläger als Stromanschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden3 (bzw. seit dem 8. November 2006 § 12 Niederspannungsanschlussverordnung4) verpflichtet waren, die Verlegung der Leitungen unentgeltlich zuzulassen.

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Ist – wie im entschiedenen Fall – die Inanspruchnahme von privatem und öffentlichem Grundeigentum für eine Verlegung von Elektrizitätsleitungen gleichwertig möglich, ist das Auswahlermessen des Stromversorgungsunternehmens nicht dahin eingeschränkt, dass es öffentliches Grundeigentum vorrangig in Anspruch zu nehmen hat. Auch aus etwaigen Ansprüchen des Versorgungsunternehmens auf Gestattung einer Leitungsverlegung im Straßenraum folgt nicht, dass die hier gewählte Inanspruchnahme des Grundstücks der Kläger ermessensfehlerhaft war.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. April 2010 – VIII ZR 223/09

  1. AG Parchim, Urteil vom 21.01.2009 – 12 C 428/07[]
  2. LG Schwerin, Urteil vom 24.07.2009 – 2 S 19/09[]
  3. § 8 AVBEltV: Grundstücksbenutzung

    (1) Kunden und Anschlußnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im gleichen Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke, ferner das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Diese Pflicht betrifft nur Grundstücke, die an die Stromversorgung angeschlossen sind, die vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Stromversorgung eines angeschlossenen Grundstücks genutzt werden oder für die die Möglichkeit der Stromversorgung sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist. Sie entfällt ferner, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde.[]

  4. § 12 NAV: Grundstücksbenutzung

    (1) Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im Gebiet des Elektrizitätsversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung liegenden Grundstücke, ferner das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Diese Pflicht betrifft nur Grundstücke,

    1. die an das Elektrizitätsversorgungsnetz angeschlossen sind,
    2. die vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem an das Netz angeschlossenen Grundstück genutzt werden oder
    3. für die die Möglichkeit des Netzanschlusses sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist.

    Sie besteht nicht, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde; insbesondere ist die Inanspruchnahme des Grundstücks zwecks Anschlusses eines anderen Grundstücks an das Elektrizitätsversorgungsnetz grundsätzlich verwehrt, wenn der Anschluss über das eigene Grundstück des anderen Anschlussnehmers möglich und dem Netzbetreiber zumutbar ist.[]

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