Treuhandvermögen in der Insolvenz des Treugebers

Weist der Schuldner einen von ihm eingesetzten Treuhänder nach Verfahrenseröffnung an, von einem Treuhandkonto eine Überweisung an einen Dritten zu bewirken, kann der Verwalter nach Genehmigung der Zahlung von dem Dritten deren Erstattung verlangen. Verfügungen eines Treuhänders sind nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers wirksam, auch wenn der Verfügungsgegenstand wirtschaftlich zur Masse gehört.

Treuhandvermögen in der Insolvenz des Treugebers

Voraussetzung jeder Insolvenzanfechtung bildet nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 129 Abs. 1 InsO in Anlehnung an das frühere Konkursrecht (§ 29 KO) eine vor Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlung1. Die Beschränkung der Anfechtung auf vor Verfahrenseröffnung verwirklichte Rechtshandlungen beruht auf der Annahme des Gesetzgebers, dass bei späteren Rechtshandlungen des Schuldners durch §§ 80 bis 82, 89, 91 sowie 96 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 InsO ein hinreichender Schutz der Masse sichergestellt wird.

Ergeht der Auftrag des Schuldners an den Treuhänder, die Überweisung an den Dritten vorzunehmen, erst nach Insolvenzeröffnung, ist mangels einer zeitlich vor Verfahrenseröffnung liegenden Rechtshandlung für eine Insolvenzanfechtung von vornherein kein Raum.

Jedoch ist die Klageforderung gemäß § 816 Abs. 2 BGB begründet. Nach dieser Vorschrift kann der Berechtigte von einem Nichtberechtigten Erstattung einer an diesen erbrachten Leistung verlangen, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist. Der Treuhänder hat durch die zugunsten des Dritten vorgenommene Zahlung nach der in vorliegender Klage zu erkennenden Genehmigung (§ 185 Abs. 1 BGB) des Insolvenzverwalters eine diesem als Berechtigtem gegenüber wirksame Leistung erbracht.

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Die Wirksamkeit der von dem Treuhänder von dem Treuhandkonto an den Dritten vorgenommenen Überweisung scheitert nicht bereits an § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO. Deshalb bedurfte nicht bereits die Überweisung zu ihrer Gültigkeit einer Genehmigung seitens des Insolvenzverwalters.

Zwischen dem Schuldner und dem Treuhänder bestand ein Treuhandverhältnis über das Konto, aus dessen Guthaben die Überweisung an den Dritten herrührte. Dabei handelte es sich um eine Vollrechtstreuhand, weil der Schuldner als Treugeber keine Verfügungsmacht innehatte, sondern der uneingeschränkt verfügungsbefugte Treuhänder als Treuhänder lediglich schuldrechtlich gebunden war, das übertragene Recht nur nach Maßgabe der Treuhandvereinbarung mit dem Schuldner auszuüben. Das Treuhandverhältnis war uneigennützig in der Art einer Verwaltungstreuhand ausgestaltet, weil die Treuhand den Interessen des Schuldners als Treugeber diente2. Der Treuhänder handelt im eigenen Namen und ist deshalb nicht Vertreter des Schuldners. Seine Verfügungen unterliegen auch dann nicht der Vorschrift des § 81 InsO, wenn der Verfügungsgegenstand wirtschaftlich zur Masse gehört. Entscheidend ist dabei, dass der Treuhänder die Rechte an dem Treugut als Vollrechtsinhaber ausübt3. Bei dieser Sachlage hat der Treuhänder rechtswirksam von dem seiner Verfügungsmacht unterliegenden Treuhandkonto die Überweisung in Höhe von 38.347,92 € an den Dritten erbracht.

Nach Verfahrenseröffnung hatte der Insolvenzverwalter gegen den Treuhänder einen Anspruch auf Auskehr des gesamten auf dem Treuhandkonto befindlichen Guthabens.

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Im Fall der hier gegebenen echten Verwaltungstreuhand kann der Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders das Treugut aussondern4. Gerät hingegen – wie vorliegend – der Treugeber in Insolvenz, erlischt der Treuhandvertrag gemäß §§ 115, 116 InsO mit Verfahrenseröffnung. Dann kann der Verwalter das Treugut nicht aussondern, aber als wirtschaftlichen Bestandteil der Insolvenzmasse an sich ziehen5. Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich um ein Treuhandkonto handelt. In der Insolvenz des Treugebers fällt das Treuhandguthaben wirtschaftlich in die Insolvenzmasse. Darum hatte der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung gegen den Treuhänder als Treuhänder einen Anspruch auf Rückübertragung des Treuguts zur Insolvenzmasse6.

Den Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskehr des Kontoguthabens konnte der Treuhänder nicht durch Zahlung an den Dritten zum Erlöschen bringen. Dieser war trotz der Weisung des Schuldners an den Treuhänder nicht berechtigt, die im Wege der Überweisung bewirkte Zahlung anstelle des Insolvenzverwalters entgegenzunehmen. Gleichwohl ist die Regelung des § 816 Abs. 2 anwendbar, weil der Insolvenzverwalter die unberechtigte Leistung an den Dritten genehmigt hat (§ 185 Abs. 1 BGB).

Den Anspruch auf Auskehr des auf dem Treuhandkonto befindlichen Guthabens hat der Treuhänder nicht durch die Zahlung an den Dritten im Verhältnis zu dem Insolvenzverwalter wirksam erfüllt. Zwar kann der Schuldner einen Dritten zum Empfang einer dem Schuldner zustehenden Leistung ermächtigen. Wird eine solche Ermächtigung – wie im Streitfall – erst nach Verfahrenseröffnung erteilt, ist diese gemäß § 81 InsO unwirksam. Darum wird der Drittschuldner ungeachtet seiner Gutgläubigkeit nicht gemäß § 82 InsO von der Zahlungspflicht befreit7.

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Jedoch hat der Insolvenzverwalter die Zahlung des Treuhänders an den Dritten im vorliegenden Verfahren genehmigt.

Der Insolvenzverwalter ist befugt, eine unwirksame Leistung des Drittschuldners an den Schuldner oder an einen von diesem Ermächtigten zu genehmigen8. In der Klageerhebung kann regelmäßig die Genehmigung der Leistung an einen Nichtberechtigten gesehen werden, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird. Eine solche Annahme ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn die Klagebegründung die Voraussetzungen eines den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB ausfüllenden Tatsachenvortrags enthält9.

Diesen Anforderungen ist im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall genügt. Der Insolvenzverwalter hat – wenn auch zu Unrecht – in der Klagebegründung geltend gemacht, bereits die Wirksamkeit der Überweisung durch den Treuhänder an den Dritten scheitere an § 81 InsO. Bei zutreffender rechtlicher Würdigung erweist sich hingegen die von dem Schuldner an den Treuhänder gerichtete Ermächtigung, das Guthaben an den Dritten auszukehren, nach Maßgabe des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO als unwirksam. Dessen ungeachtet konnte die Zahlung an den Dritten auf der Grundlage beider Rechtsauffassungen nur infolge einer Genehmigung des Insolvenzverwalters diesem gegenüber Wirksamkeit entfalten. Bei dieser Sachlage ist aus der Klagebegründung eine Genehmigung der Zahlung des Treuhänders an den Dritten herzuleiten. Folglich ist die Klage nach Maßgabe des § 816 Abs. 2 BGB begründet.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Juli 2012 – IX ZR 213/11

  1. BT-Drucks. 12/2443, S. 157; BGH, Urteil vom 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 97, 107; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rn. 35; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 74; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 129 Rn. 23[]
  2. vgl. im Einzelnen HK-InsO/Lohmann, aaO, § 47 Rn.20[]
  3. HK-InsO/Kayser, aaO, § 81 Rn.20; Jaeger/Windel, InsO, § 81 Rn. 13; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 4. Aufl., § 81 Rn. 11; MünchKomm-Inso/Ott/Vuia, aaO § 81 Rn. 12; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 81 Rn. 6; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO 2009, § 81 Rn. 9; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 81 Rn. 16[]
  4. BGH, Urteil vom 10.02.2011 – IX ZR 49/10, WM 2011, 798 Rn. 13[]
  5. HK-InsO/Lohmann, aaO, § 47 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Ganter, aaO, § 47 Rn. 371; Homann in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 47 InsO Rn. 63[]
  6. BGH, Urteil vom 25.04.1962 – VIII ZR 43/61, NJW 1962, 1200, 1201; vom 15.12.2011 – IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 Rn. 16 f; Uhlenbruck/Brinkmann, aaO § 47 Rn. 34; Homann in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO, § 47 InsO Rn. 72; FKInsO/Imberger, 6. Aufl., § 47 Rn. 49[]
  7. vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZR 210/11, zVb[]
  8. HK-InsO/Kayser, aaO, § 82 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, aaO, § 82 Rn. 6; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, aaO, § 82 Rn. 5; BKInsO/v. Olshausen, 2011, § 82 Rn. 15; HmbKomm-InsO/Kuleisa, aaO, § 82 Rn. 33[]
  9. BGH, Beschluss vom 15.01.2009 – IX ZR 237/07, WM 2009, 517 Rn. 8[]
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